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Unerklärter Krieg gegen Pakistan

Hunderte Tote bei Drohnenangriffen. Clintons Drohungen gegen Islamabad angeblich "Mißverständnis"

Von Knut Mellenthin *

Nachdem Hillary Clinton am Sonntag Pakistan mit »strengen Konsequenzen« gedroht hatte, ist die US-Regierung bemüht, die Äußerung der Außenministerin als Mißverständnis darzustellen. Clinton hatte in einem Interview mit dem Sender CBS die Zusammenarbeit mit der pakistanischen Regierung im sogenannten Krieg gegen den Terror als unzureichend bezeichnet. »Wir wollen mehr. Wir erwarten mehr.« Ihre Regierung habe »ganz klargemacht«, fuhr die Außenministerin fort, daß Pakistan mit »strengen Konsequenzen« rechnen müsse, falls sich ein Anschlag in den USA dorthin zurückverfolgen lassen sollte.

Clintons Äußerung hatte Spekulationen ausgelöst, die von einer Kürzung der Finanzhilfe bis zu einer direkten Militärintervention reichten. Pakistanische Oppositionspolitiker bezeichneten die Drohung der Außenministerin und die zunehmende amerikanische Einmischung in die Innenpolitik ihres Landes als Ergebnis der nachgiebigen Haltung der Regierung in Islamabad gegenüber den USA. In einer Sitzung des pakistanischen Senats am Montag wurde der anwesende Verteidigungsminister Chaudhry Ahmad Mukhtar zu einer Kommentierung der Clinton-Drohung aufgefordert, die er aber verweigerte.

Der Sonderbeauftragte der US-Regierung für Afghanistan und Pakistan, Richard Holbrooke, unternahm am Dienstag einen Versuch, die Affäre als »Mißverständnis« herunterzuspielen. »Ich glaube, daß einige Leute, die nicht den ganzen Text gelesen haben, vielleicht nicht richtig verstanden haben, was sie gesagt hat.« Holbrooke mochte aber nicht erklären, was Clinton mit ihrer Drohung tatsächlich gemeint habe.

Wenig erhellend war auch das konfuse Dementi von Clintons Sprecher Philip J. Crowley: »Ich denke nicht, daß sie das gesagt hat. Ich denke, sie hat auf eine hypothetische Frage geantwortet, daß die Vereinigten Staaten im Fall geglückter terroristischer Angriffe jede Verbindung zu einem anderen Land ernst nehmen würden. Sie hat sich damit auf kein Land im besonderen bezogen.«

Indessen setzten die USA am Dienstag ihre militärischen Aktionen gegen pakistanisches Gebiet fort. Bei zwei Drohnenangriffen gegen Ziele in Nordwasiristan wurden am Dienstag insgesamt mindestens 24 Menschen getötet. In derselben Gegend waren bereits am Sonntag ebenfalls bei einem Drohnenangriff zehn Menschen ums Leben gekommen.

Seit der damalige US-Präsident George W. Bush den Einsatz unbemannter, mit Raketen bestückter Flugkörper gegen Nordwestpakistan im August 2008 sprunghaft steigern ließ, wurden bei solchen Angriffen mindestens 900 Menschen, nach anderen Schätzungen deutlich über 1000, getötet. Es handelt sich dabei nicht um sogenannte gezielte Tötungen gegen einzelne »hochrangige« Personen, sondern um einen unerklärten Krieg: Der für die Angriffe verantwortliche Geheimdienst CIA hat nach übereinstimmenden Berichten der amerikanischen Mainstream-Medien schon unter Bush Anweisung erhalten, so viele Aufständische wie möglich umzubringen. Obama läßt diese Praxis fortsetzen.

* Aus: junge Welt, 14. Mai 2010


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