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Sie kam, sah und siegte

US-Außenministerin Clinton in Islamabad. Pakistan wird weiter erpreßt

Von Knut Mellenthin *

Im Streit mit Pakistan um den »Krieg gegen den Terror« hat die US-Regierung sich anscheinend wieder einmal durchgesetzt. Aber ob daraus wirklich praktische Schritte im Sinne Washingtons folgen, muß sich erst noch zeigen. US-Außenministerin Hillary Clinton jedenfalls gab sich am Freitag (27. Mai) unmittelbar nach ihrem überraschenden Kurzbesuch in Islamabad vor der Presse siegessicher und gesprächig. Dagegen ließ die pakistanische Regierung wortlos volle 24 Stunden verstreichen, bevor sie die Sprecherin des Außenministeriums, Tehmina Janjua, mit einer nichtssagenden Erklärung vor die Kameras und Mikrofone schickte.

Daß Clinton demnächst nach Pakistan kommen würde, war schon seit einigen Monaten geplant und im Gespräch. Ihr Eintreffen in Islamabad am Freitag morgen (27. Mai) war jedoch allem Anschein nach sehr kurzfristig verabredet worden und überraschte die Medien. Unerwartet war auch die Kürze ihres Aufenthalts in der pakistanischen Hauptstadt, bei dem sie mit Präsident Asif Ali Zardari, dem gerade von einem viertägigen Besuch in China zurückgekehrten Regierungschef Yousuf Raza Gilani, Armeechef Ashfaq Kayani und weiteren Führern von Militär und Geheimdienst zusammentraf. An den Gesprächen nahm auch der General­stabschef der US-Streitkräfte, Michael Mullen, teil, der einige Stunden vor der Ministerin nach Islamabad geflogen war.

Zuvor waren in der vergangenen Woche schon der Sondergesandte der US-Regierung für den afghanisch-pakistanischen Kriegsschauplatz, Marc Grossman, der stellvertretende CIA-Direktor Michael J. Morell und eine zwanzigköpfige Delegation des amerikanischen Auslandsgeheimdienstes in Pakistan gewesen, um die Details einer »Einigung« auszuhandeln.

Auf der Pressekonferenz nach ihrer Kurzvisite teilte Clinton mit, die pakistanische Seite habe sich »zu einigen sehr spezifischen Maßnahmen« verpflichtet. Es handele sich um »entscheidende Schritte«, die in den nächsten Tagen unternommen werden müßten. Was genau damit gemeint ist, wollte sie nicht erläutern. Die Beziehungen zwischen beiden Ländern seien »an einem Wendepunkt«. »Wir sind uns einig, daß noch viel Arbeit erforderlich ist, und zwar dringend.«

Nach »Insider-Informationen« aus Clintons Begleitung, die US-Medien zugespielt wurden, hatte die Außenministerin ihren Gastgebern vier Forderungskomplexe vorgelegt. Darunter soll der inzwischen schon gestattete Zugang amerikanischer Dienststellen zum angeblichen Bin-Laden-Haus in Abbottabad gewesen sein. Weitere Forderungen bezogen sich auf pakistanische Militäraktionen in bisher noch nicht vom Bürgerkrieg erfaßten Teilen des Landes, Unterstützung bei »Versöhnungsgesprächen« mit kapitulationsbereiten Aufständischen in Afghanistan, sowie Maßnahmen gegen die antiamerikanische Stimmung, die in der Bevölkerung Pakistans vorherrscht.

Zu Clintons Mitbringseln soll außerdem eine Liste mit fünf Namen von »Terroristenführern« gehört haben, die sich angeblich in Pakistan aufhalten. Bei mangelnder »Kooperation« der Pakistanis soll die US-Regierung weitere militärische Alleingänge im Stil der Abottabad-Operation angedroht haben. Auf der Liste sollen unter anderem Taliban-Kommandant Mullah Omar, der stellvertretende Al-Qaida-Chef Ayman Al-Zawahiri und ein weiterer Führer afghanischer Aufständischer, Siraj Haqqani, stehen.

* Aus: junge Welt, 30. Mai 2011


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