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Pakistanische Zivilisten im Visier der CIA

Hilfsorganisation CIVIC: Die meisten Opfer der US-Drohnenangriffe waren nicht an Kämpfen beteiligt

Von Rainer Rupp *

Die Drohnenattacken des US-Geheimdienstes CIA auf Ziele in Pakistan halten an. Allein in diesem Monat wurden bereits siebzehn Angriffe registriert, zuletzt am Montag, als sieben angeblich »Aufständische« getötet wurden - so die offizielle Version. Daß es sich bei den Opfern allerdings bei genauerer Untersuchung des Tatorts in der Regel um an Kämpfen nicht beteiligte Zivilisten, häufig um Frauen und Kinder, handelt, wurde nun durch eine Untersuchung der Hilfsorganisation »Kampagne für unschuldige Opfer in Konflikten« (Campaign for Innocent Victims in Conflict - CIVIC) bestätigt. Deren Bericht, der Anfang der Woche bekannt wurde, basiert auf Untersuchungen an neun zufällig ausgesuchten Angriffsorten und auf Gesprächen mit überlebenden Opfern. Insgesamt wurden seit dem Amtsantritt von Präsident Barack Obama vor gut anderthalb Jahren 139 Drohnenattacken im pakistanischen Grenzgebiet zum besetzten Afghanistan gezählt.

Als typisches Beispiel führt CIVIC den Fall eines namentlich nicht genannten Bauern an. Der Mann gab zu Protokoll, daß eine Gruppe von Kämpfern der islamischen Taliban an seine Tür geklopft und um Essen gebeten habe. Aus Angst habe er sie nicht abgewiesen und bewirtet. Die Gruppe sei danach weitergezogen. Am nächsten Tag, während er auf einem nahe gelegenen Feld arbeitete, zerstörte eine vor einer Drohne abgefeuerte Rakete sein Haus und tötete einen kleinen Jungen, sein einziges Kind. In den von CIVIC untersuchten Fällen wurden insgesamt 30 namentlich bekannte Zivilisten getötet, darunter 14 Frauen und Kinder. Hochgerechnet auf die Gesamtzahl der Attacken ergäbe sich, daß über 460 Unbeteiligte in der bisherigen Amtszeit Obamas starben.

Das Weiße Haus rechtfertigt die Massaker damit, daß bisher angeblich 66 Kader von Al-Qaida oder anderer US-feindlicher Gruppen getötet worden seien. An dieser Zahl existieren deswegen Zweifel, weil häufig namentliche Mehrfachnennungen bei unterschiedlichen Drohnenangriffen auftraten. Zudem tauchte mancher der als »getötet« gemeldeten Aktivisten später wieder auf, wie zuletzt Qari Mehsud, der angeblich am 4. Oktober 2010 starb, sich jedoch aktuellen Quellen zufolge noch am 17. Oktober bester Gesundheit erfreute.

Offensichtlich ist das Wissen des bei den Attacken federführenden Geheimdienstes CIA um die Personen, die sie gerade im Visier hat oder schon getötet hat, begrenzt. Diese Vermutung wird unter anderem auch durch den New York Times-Reporter David Sanger erhärtet. Der schreibt in seinem Buch »The Inheritance«, daß die CIA nach und nach größere Spielräume bei der Auswahl der Ziele bekam. Waren anfangs noch handfeste Beweise über die Identität der avisierten Person notwendig, so genügt inzwischen, wenn sich die ins Visier Genommenen verdächtig bewegen oder irgendwie auffallen. Die entsprechende Einschätzung nehmen CIA-Beobachter an Monitoren vor. Sie vollstrecken die Todesurteile.

* Aus: junge Welt, 20. Oktober 2010

Der Report ist hier herunterzuladen:
CIVILIANS IN ARMED CONFLICT [pdf-Datei, externer Link].

PAKISTAN REPORT: NEW ON-THE-GROUND STUDY FINDS WAR VICTIMS OVERLOOKED AND IN NEED

What is the report about?

Civilian casualties in northwest Pakistan, including the views of victims and what the US and Pakistan are doing to address the harm. CIVIC's Christopher Rogers spent a year on-the-ground in Pakistan interviewing over 160 civilian survivors including in the northwest. Most received little or no help. The report findings include:
  • The need of survivors of deaths and injuries is urgent;
  • Civilian casualties in Pakistan in 2009 were even greater than those in neighboring Afghanistan;
  • Civilian casualties of US drone strikes are likely higher than the US admits and Pakistanis oppose the program;
  • In most cases war victims demanded but received little or no help, calling into question the Pakistani people's support for its government.
What does it recommend?

CIVIC urges the Pakistani government to refrain from using artillery, mortars and airpower in densely populated areas, ensure discrimination between civilians and combatants, and provide amends to all civilians harmed in the midst of combat operations.

CIVIC urges militant groups to immediately cease all attacks directly targeting civilians, comply with applicable laws of war and to provide amends to civilians harmed by legitimate combat operations, acknowledging that such assistance in no way justifies or excuses attacks that target or disproportionately harm civilians.

CIVIC urges the US government to be publicly transparent about its targeting procedures in drone strikes and to work with the Pakistani government to provide appropriate amends for civilian victims.

Who is the author?

Christopher Rogers, Pakistan Field Fellow for the Campaign for innocent Victims in Conflict (CIVIC). Rogers is a Harvard lawyer and has previously worked with UNHCR in Jordan, the Palestinian Center for Human Rights in Gaza, Human Rights Watch on cluster munitions and the International Center for Transitional Justice on Namibia. Chris spent October 2009-September 2010 in northwest Pakistan

www.civicworldwide.org

Download a full PDF of the report here: www.civicworldwide.org




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