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Bomben und Demokratie

Reformdebatte in Pakistan

Von Ashok Rajput, Neu-Delhi *

Die Bombenanschläge vom Montag (5. April) in Peshawar und während einer Kundgebung der Awami National Party im nordwestlichen Distrikt Lower Dir, bei denen über 40 Menschen getötet wurden, überschatteten ein wichtiges innenpolitisches Ereignis. Präsident Asif Ali Zardari sprach ebenfalls am Montag vor beiden Häusern des Parlaments zu den jüngsten Bemühungen, Pakistan zurück auf einen demokratischen Kurs zu bringen. Das Wort Demokratie tauchte in seiner Rede Dutzende Male auf. In der ersten Aprilwoche hatte ein aus 26 Mitgliedern aller politischen Parteien bestehendes Verfassungsreformkomitee der Nationalversammlung grundlegende konstitutionelle Veränderungen vorgelegt. Sie setzen gleichzeitig alle unter dem Musharraf-Regime vorgenommenen Verfassungsänderungen außer Kraft. Zardari betonte in seiner Rede immer wieder, wie sehr er sich persönlich für die 99 Reformparagraphen engagiert hatte.

Die wohl wichtigste Neuerung ist die Abkehr vom Präsidialsystem, in dem das Staatsoberhaupt nahezu allmächtig agiert, Parlament und Regierung eher Erfüllungsgehilfen sind. Die Exekutivgewalt des Präsidenten wird danach deutlich beschnitten. Beispielsweise kann er das Parlament nur auf Empfehlung des Regierungschefs auflösen. Er darf weder die Chefs der Teilstreitkräfte noch die Gouverneure ernennen.

Premier Jusuf Raza Gilani bezeichnete den Änderungsentwurf als »historisch«, weil die Bürger mehr Mitsprache erlangen würden. Der Vorsitzende des Reformkomitees, Raza Rabbani ,nannte das Dokument ein »Symbol der Aussöhnung und des Dialogs«. Es sei eine »Gesetzesvorlage der Hoffnung, der Emanzipation des Volkes, ein Schritt zu einem föderalen Pakistan«. Menschenrechtler hoffen, daß die vorgeschlagenen Änderungen es der Armeeführung – einem »Staat im Staate« – schwerer machen, politisch zu intervenieren, das Staatsoberhaupt zu manipulieren und eine gewählte Regierung abzusetzen.

Föderalismus ist der zweite wesentliche Reformaspekt – die Stärkung der bundesstaatlichen Strukturen durch mehr Befugnisse für die Provinzen, deren Regierungen autonomer handeln können. Festgelegt wurde auch, daß die Nordwestgrenzprovinz – der Name stammt noch aus der britischen Kolonialzeit – umbenannt wird in »Khyber-Pakhtunkhwa«. Drei Reformen beziehen sich auf neue Grundrechte: das Recht auf einen fairen Gerichtsprozeß, das Recht auf Information sowie das Recht auf kostenlosen obligatorischen Schulbesuch für alle Kinder zwischen fünf und 16 Jahren. Bemerkenswert schließlich, daß auch die nationale Wahlkommission mit dem Ziel gestärkt wird, Wahlen künftig fairer und glaubwürdiger durchzuführen.

Auch wenn sich Präsident Zardari gegenwärtig mit der Aura des »demokratischen Erneuerers« schmückt, schwebt ein Damoklesschwert über ihm. Der Höchste Gerichtshof Pakistans besteht darauf, daß Islamabad die Schweizer Banken auffordert, die 2007 auf General Musharrafs Anordnung eingestellten Nachforschungen über Geldwäsche seitens pakistanischer Persönlichkeiten wieder aufzunehmen. Auf der Liste der Verdächtigen befindet sich auch der Name Ali Asif Zardari mit einer Einlage von 60 Millionen Dollar. Chefrichter Iftikhar Chaudhry bemerkte dazu, ob Zardari als Staatsoberhaupt Immunität gegenüber strafrechtlicher Verfolgung genießt, sei noch nicht entschieden.

* Aus: junge Welt, 7. April 2010


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