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NATO greift in Pakistan an

US-geführte Truppen töteten mindestens 15 Menschen, darunter Frauen und Kinder

Kampfhubschrauber der US-Truppen sind von Afghanistan aus in Pakistan eingefallen und haben ein Dorf angegriffen. Nach Berichten örtlicher Behörden sind dabei mindestens 15 Menschen getötet worden, darunter auch Frauen und Kinder.

Bei einem Angriff internationaler Truppen im Nordwesten Pakistans sind nach Angaben örtlicher Behörden mindestens 15 Menschen getötet worden, darunter mehrere Zivilisten. Soldaten der NATO-Schutztruppe aus Afghanistan hätten am Mittwoch (3. September) im nahegelegenen pakistanischen Stammesbezirk Süd-Waziristan das Feuer eröffnet und 15 Menschen, darunter Frauen und Kinder, getötet, sagte ein hochrangiger örtlicher Sicherheitsbeamter der Nachrichtenagentur AFP. Der Gouverneur der Provinz North West Frontier, Owais Ahmed Ghani, sprach später von mindestens 20 Toten. Ein ISAF-Sprecher sagte, er wisse nichts darüber.

Vier Kampfhubschrauber hätten ISAF-Soldaten aus Afghanistan vor Sonnenaufgang in einem Dorf namens Masanika abgesetzt und später wieder abgeholt, sagte der Sicherheitsbeamte Mowaz Khan. Als Dorfbewohner vom Fluglärm angelockt aus ihren Häusern kamen, hätten die Truppen das Feuer eröffnet und 15 Menschen, darunter Frauen und Kinder, getötet. Andere Behördenvertreter schrieben die Attacke den US-geführten Koalitionstruppen zu. Provinzgouverneur Ghani sprach von mindestens 20 Todesopfern. »Das ist ein direkter Angriff auf die Souveränität Pakistans«, erklärte er in Peshawar. Das pakistanische Volk erwarte von seiner Armee, dass sie eine »angemessene Antwort auf alle derartigen Angriffe« gebe.

Es war das erste Mal, dass pakistanische Behörden internationale Truppen für einen direkten Angriff auf ihrem Gebiet verantwortlich machten. Bislang hatten sie nur von Raketenangriffen von afghanischem Gebiet aus gesprochen. Die pakistanische Armee bestätigte zunächst nur, dass sich in einem Grenzdorf ein Angriff ereignet habe. Dieser werde untersucht.

Ein ISAF-Sprecher sagte in Kabul, ihm lägen keine Informationen über einen Angriff in Pakistan vor. Zugleich verwies er darauf, dass die NATO kein Mandat für Einsätze in Afghanistans Nachbarland habe. ISAF-Truppen dürften lediglich nach Angriffen aus pakistanischem Gebiet zurückfeuern. Die US-geführten Koalitionstruppen gaben ebenfalls an, nichts von einer Attacke internationaler Truppen in Pakistan zu wissen.

Drei Tage vor der pakistanischen Präsidentschaftswahl haben Unbekannte in Rawalpindi den Dienstwagen von Regierungschef Yousaf Raza Gillani beschossen. Der Premierminister habe jedoch zum Zeitpunkt des Angriffs nicht in dem Auto gesessen, teilte der Staatssekretär des pakistanischen Innenministeriums, Kamal Shah, am Mittwoch (3. Sept.) mit. Gillanis Sprecher Zahid Bashir hatte zuvor erklärt, der Regierungschef habe sich in dem beschossenen Wagen befunden. »Zwei Kugeln trafen das Fenster des gepanzerten Wagens, in dem der Premierminister unterwegs war«, sagte er. Den Angaben zufolge fuhr der Konvoi zum Flughafen, um Gillani abzuholen.

* Aus: Neues Deutschland, 4. September 2008


Pakistan verurteilt Terrorangriff der USA

Bericht über Vorstoß aus Afghanistan. Mindestens 15 Tote, darunter Frauen und Kinder **

Die Regierung in Pakistan hat am Mittwoch (3. September) einen offenbar grenzüberschreitenden Angriff von US-geführten oder ­NATO-Truppen auf ein Dorf in der Nähe zu Afghanistan scharf verurteilt. Dies sei eine »schwere Verletzung der pakistanischen Souveränität«, erklärte das Außenministerium in Islamabad. Bei der Militäraktion in dem Dorf Musa Nikow in Südwasiristan seien am Mittwoch mindestens 15 Menschen getötet worden, berichteten Geheimdienstkreise und ein Augenzeuge. Der zuständige Gouverneur sprach gegenüber AFP von mindestens 20 Toten. Unter den Opfern seien Frauen und Kinder, hieß es.

Das pakistanische Außenministerium erklärte, die Attacke habe einen »unermeßlichen Verlust« verursacht. Beschrieben wurde ein Bodenangriff, der aus dem Luftraum über Pakistan unterstützt worden sei. Solche Feindseligkeiten untergrüben den gemeinsamen Kampf gegen den Terrorismus, beklagte die pakistanische Führung.

Die US-geführten Besatzungskräfte in Afghanistan wiesen jede Beteiligung an dem Terrorangriff von sich. Ihnen lägen keine Berichte über einen Einsatz in Pakistan vor, hieß es lapidar.

Die betroffene Provinz Südwasiristan gilt als Hochburg islamischer Milizen. Der Augenzeuge Habib Khan Wazir sagte, der Vorfall habe sich im Dorf Musa Nikow ereignet. Er habe Hubschrauber und dann Schüsse gehört. »Später sah ich 15 Leichen in dem Haus und davor. Ihnen wurde in den Kopf geschossen«, sagte Wazir. Alle Opfer seien Zivilpersonen gewesen. Bei den Angreifern habe es sich um US-amerikanische und afghanische Soldaten gehandelt. Ähnlich äußerten sich pakistanische Geheimdienstmitarbeiter unter Berufung auf Informanten.

Die USA und Pakistan arbeiten zwar im sogenannten Kampf gegen den Terror zusammen, es kam aber immer wieder zu schweren Zwischenfällen. So wurden zu Beginn des Jahres elf pakistanische Soldaten bei einem US-Luftangriff getötet. (AP/AFP/jW)

** Aus: junge Welt, 4. September 2008


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