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Sicherheitsrat streitet über Osttimor-Mission

Australien beharrt auf Oberbefehl / Wieder Ausschreitungen in Dili

Von Carsten Hübner *

Im UN-Sicherheitsrat ist es zu einer Kontroverse über ein neues UN-Mandat für Osttimor gekommen. Auf Drängen von UN-Generalsekretär Kofi Annan sollen in dem krisengeschüttelten Land künftig 1.600 Polizisten und ein Militärkontingent von 350 Soldaten stationiert werden.

Während Annan und der neue Premierministers José Ramos-Horta die Sicherheitskräfte in Osttimor unter UN-Kommando stellen wollen, beharrt Australien auf dem Oberbefehl über den militärischen Teil. »Es ist einfacher, die militärische Komponente zu führen, wenn man nicht die ganze Zeit mit New York konferieren muss«, sagte Außenminister Alexander Downer gegenüber dem Radiosender Australian Broadcasting Corporation Radio. Seine Position, die den Zeitplan erheblich durcheinander brachte, wird im Sicherheitsrat von den USA und Japan unterstützt.

Die bisherige UN-Mission UNOTIL ist nach mehrmaliger Verlängerung gestern ausgelaufen. Für sie waren rund 130 internationalen Experten aus den Bereichen Staatsentwicklung, Demokratisierung, Justiz, Polizei und Militär tätig. Außerdem befinden sich derzeit rund 3.000 Soldaten einer internationalen Schutztruppe in Osttimor, die mit Ausnahme eines portugiesischen Polizeikontingents allein der australischen Befehlsgewalt unterstehen. Ramos-Horta reagierte verärgert auf die Blockadehaltung Canberras. »Die Verzögerungen sind nicht im Interesse Osttimors«. Allein die Ansprüche Australiens ständen einem neuen Mandat derzeit noch entgegen. Rückendeckung erhält er dabei von den Verhandlungsdelegationen aus Frankreich, Russland und China.

Hintergrund der australischen Position ist das zunehmende Selbstverständnis des Landes als eigenständige Regionalmacht. Erst vor wenigen Tagen gab Ministerpräsident John Howard bekannt, die australischen Streitkräfte würden um weitere 2.600 Soldaten vergrößert. »Es ist für uns von überwältigendem Interesse, Staaten vor dem Zusammenbruch zu bewahren«, so Howard. Er denke dabei nicht allein an Osttimor, sondern auch an die Entwicklung in Papua-Neuguinea, Fidschi und Vanuatu. Seit 2003 führt Australien zudem eine Friedenstruppe auf den Salomonen an. Anfang des Jahres hatte die Regierung eine Aufstockung der 51.000 Mann starken Armee um 1.500 Soldaten beschlossen.

Derweil sind die Unruhen in Osttimors Hauptstadt Dili in den vergangenen Wochen wieder aufgeflammt. Rivalisierende Banden aus dem Ost- und dem Westteil des Landes lieferten sich erbitterte Straßenschlachten und zündeten Häuser an. Mehrere Menschen wurden verletzt. Auch die internationale Schutztruppe, die seit den bürgerkriegsähnlichen Unruhen vom Frühjahr dieses Jahres in dem ärmsten Land Asiens für Sicherheit sorgen soll, gerät zunehmend ins Visier der Randalierer. Bei Zusammenstößen mit rund 200 Jugendlichen in der Nacht zum Donnerstag gaben australische Polizisten Warnschüsse ab. Portugiesische Kollegen mussten ihnen zu Hilfe eilen und gingen mit Gummigeschossen gegen die Gewalttäter vor. Sieben Australier und ein malaysischer Soldat wurden verletzt. Die Regierung Osttimors sei »tief betroffen von der anhaltenden Gewalt«, so der stellvertretende Premierminister Rui Maria de Araujo gegenüber der Presse. Erst am vergangenen Wochenende hatten Randalierer eine portugiesische Polizei-Patrouille und mehrere UN-Fahrzeuge attackiert.

* Aus: Neues Deutschland, 26. August 2006


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