Osttimor 1975: USA gaben grünes Licht für Invasion
Material des Nationalen Sicherheits-Archivs der George Washington Universität belastet Ford und Kissinger - Ford and Kissinger Gave Green Light to Indonesia's Invasion of East Timor 1975
Am 10. Dezember berichtete die Neue Zürcher Zeitung über einen Vorfall, der 26 Jahre zurück liegt: Es geht um die Invasion indonesischer Streitkräfte in die ehemalige portugiesische Kolonie Osttimor. Frei gegebenes Archivmaterial der George Washington Universität habe zweifelsfrei ergeben, dass die US-Administration diese völkerrechtswidrige Okkupation zumindest gebilligt haben. Im Folgenden dokumentieren wir Ausschnitte aus den entsprechenden Artikeln in der NZZ (10.12.2001) sowie des ND (12.12.2001). Die Meldungen gehen zurück auf eine Presseerklärung des "National Security Archive" der George Washington Universität vom 6. Dezember 2001. Titel: "Ford and Kissinger Gave Green Light to Indonesia's Invasion of East Timor, 1975". Weiter unten dokumentieren wir diese Presseerklärung im Original.
Die Neue Züricher Zeitung schreibt am 10. Dezember 2001:
... Am 7. Dezember 1975 hatte indonesisches Militär die frühere
portugiesische Kolonie, in der die Befreiungsbewegung Fretilin kurz
zuvor die Unabhängigkeit proklamiert hatte, besetzt. Am Tag vor der
Invasion waren der amerikanische Präsident Ford und Staatssekretär
Kissinger bei einem kurzen Aufenthalt in Jakarta mit Indonesiens
Präsident Suharto zusammengekommen. In Lissabon hatte man stets
vermutet, dass dabei auch über die Besetzung Osttimors gesprochen worden
sei. Kissinger hatte dies immer wieder bestritten.
Bisher geheimes Archivmaterial der USA, das letzte Woche freigegeben
worden ist, bestätigt die portugiesische Vermutung. Wie aus den
Unterlagen hervorgeht, zeigten Ford und Kissinger Verständnis für eine
Okkupation, legten Suharto indessen nahe,
damit bis nach ihrer Abreise zu warten. Nach dem Machtantritt
marxistisch inspirierter Kräfte in Vietnam, Laos und Kambodscha waren
die USA damals bestrebt, einen politischen Erdrutsch in Südostasien zu
verhindern.
Portugals Premierminister António Guterres erklärte, die neuen
Informationen seien keine Überraschung. Er erinnerte daran, dass
Osttimor zur Zeit des Kalten Krieges besetzt worden sei. In der jüngeren
Zeit hätten die damals Beteiligten indes eine positive Haltung gegenüber
Osttimor eingenommen. Vor allem seit 1999 empfindet Portugal die Rolle
der USA in der Region als konstruktiv.
Im Neuen Deutschland schreibt zwei Tage später (12.12.2001) Thomas Klein:
Lange wurde es nur vermutet, jetzt ist es beweisen: Vor 26 Jahren gaben
die
USA Jakarta
grünes Licht für die Besetzung Osttimors.
Schon seit vielen Jahren wird vor allem in Portugal immer wieder
behauptet,
dass die die 1975 in die
Unabhängigkeit entlassene Kolonie Osttimor nur mit Rückendeckung der USA
noch im selben Jahr vom indonesischem Militär okkupiert worden sei. Ein
Vorwurf, den der ehemalige US-Außenminister Henry Kissinger stets
zurückwies. Nun aber belegt bislang geheim gehaltenes Archivmaterial,
das
vom National Security Archive an der George Washington Universität
veröffentlicht wurde: Nur einen Tag vor der Invasion trafen der damalige
US-Präsident Gerald Ford und Kissinger in der indonesischen Hauptstadt
Jakarta mit dem von 1965 bis 1998 herrschenden General Suharto zusammen.
Für Monika Schlicher, Sprecherin von »Watch Indonesia!« sind die nun
aufgetauchten Beweise keine
Überraschung. »Seit vielen Jahren thematisieren Menschenrechts- und
Solidaritätsgruppen
Verflechtungen US-amerikanischer Stellen mit Despoten und Militärs, sei
es
bei dem Putsch in Chile,
der Besetzung Osttimors oder anderswo«, so Schlicher auf Anfrage des ND.
Bisher habe es zum Teil
nur an den endgültigen Beweisen gefehlt. Brisant sei jedoch, dass Ford
und
Kissinger den
indonesischen Diktator ausdrücklich gebeten haben sollen, mit der
Besetzung
Osttimors so lange zu
warten, bis sie wieder aus Jakarta abgereist seien.
Das war am 7. Dezember 1975 der Fall. Suhartos Truppen okkupierten die
ehemalige portugiesische
Kolonie, in der die Befreiungsbewegung Fretilin kurz zuvor die
Unabhängigkeit proklamiert hatte. Diese linke Bewegung war bei einer
Wahl,
die Ende 1975 noch unter portugiesischer Leitung stattfand, klar als
Sieger
hervorgegangen und rief am 28. November die »Demokratische Republik
Osttimor« aus. Diese sollte aber nur zehn Tage existieren. Nachdem
Suharto
grünes Licht der USA erhalten hatte (Devise: kein zweites Kuba)
liquidierten seine Soldaten die Fretilin-Führung und übten in den Jahren
danach eine grausame Terrorherrschaft aus.
Nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen fiel ihr ein Drittel der
ehemals 700.000-köpfigen
Bevölkerung zum Opfer. Der letzte Funkspruch der Demokratischen
Republik,
der am 7. Dezember in
Australien aufgefangen wurde, war ein Ruf nach internationaler Hilfe:
»Das
indonesische Militär hat uns umzingelt. Sie töten Frauen und Kinder in
den
Straßen. Sie töten ohne Unterschied. Wir werden alle ermordet.
Unternehmt
etwas. Helft uns!« Doch da war das Schicksal der Fretilin-Regierung
bereits
besiegelt. Eine von einer linken Regierung regierte Republik Osttimor
durfte es nach dem Willen Jakartas und Washingtons nicht geben.
Und hier nun die Presseerklärung des National Security Archive
The National Security Archive
Press Release
For release: 6 December 2001
For more information contact:
William Burr (202) 994-7032
Michael Evans (202) 994-7029
Ford and Kissinger Gave Green Light to Indonesia's Invasion of East
Timor, 1975:
New Documents Detail Conversations with Suharto
WASHINGTON, D.C. - The National Security Archive at George Washington
University today published on the World Wide Web previously
secret archival documents confirming for the first time that the
Indonesian government launched its bloody invasion of Portuguese East
Timor in December 1975 with the concurrence of President Gerald Ford and
Secretary of State Henry Kissinger. Since then, the Suharto regime that
sponsored the invasion has disintegrated, and East Timor has achieved
independence, but as many as 200,000 Timorese died during the
twenty-five year occupation.
Twenty-six years ago today, President Gerald Ford and Secretary of State
Henry Kissinger met with Indonesian President Suharto during a brief
stopover in Jakarta while they were flying back from Beijing. Aware
that Suharto had plans to invade East Timor, and that the invasion was
legally problematic-in part because of Indonesia's use of U.S. military
equipment that Congress had approved only for self-defense-Ford and
Kissinger wanted to ensure that Suharto acted only after they had
returned to U.S. territory. The invasion took place on December 7,
1975, the day after their departure, resulting in the quarter-century
long violent and bloody Indonesian occupation of East Timor. Henry
Kissinger has consistently denied that any substantive discussion of
East Timor took place during the meeting with Suharto, but a newly
declassified State Department telegram from December 1975 confirms that
such a discussion took place and that Ford and Kissinger advised Suharto
that "it is important that whatever you do succeeds quickly." Two key
documents released today were declassified by the Gerald R. Ford Library
at the request of the National Security Archive; Archive staffers
located other documents at the National Archives. Today's revelations
include:
When Suharto told Ford and Kissinger that he was about to order an
invasion, the response was only to caution that "it would be better
it it were done after we returned" (the invasion began the next day).
Kissinger told Suharto that the use of U.S.-supplied arms in the
invasion-equipment that under U.S. law could not be used for offensive
military operations-"could create problems," but indicated that they
might be able to "construe" the invasion as self-defense.
On 12 August 1975, a few days after a coup attempt in East Timor,
Kissinger observed that an Indonesian takeover would take place
"sooner or later".
Six months into the occupation of East Timor, Kissinger acknowledged to
senior State Department officials that U.S. military aid had
been used "illegally" and hinted at his own doubts about the invasion:
Washington had "not very willingly" resumed normal relations with
Jakarta.
"This important set of documents reveals the overriding importance that
the Ford administration attached to maintaining
friendly relations with Indonesia in the immediate aftermath of the U.S.
defeat in Vietnam. Ford and Kissinger plainly viewed
the maintenance of warm ties with the Suharto regime as a foreign policy
priority that far outweighed any secondary concerns
about the possible Indonesian use of force in East Timor--even though
the use of such force would … constitute a clear
violation of American laws. The callous disregard for the human rights
and political aspirations of the East Timorese are
rather breathtakingly exposed in these newly released documents." ---
Robert J. McMahon, Professor of History, University of
Florida, and author of The Limits of Empire: The United States and
Southeast Asia Since 1945 (1999)
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