Osttimor sucht einen neuen Präsidenten
Nationalheld Gusmao will bei Wahlen im April nicht wieder antreten, Ramos-Horta auch nicht
Von Carsten Hübner *
Die junge Demokratie in Osttimor steht vor ihrer größten Bewährungsprobe seit der
Unabhängigkeitserklärung im Jahre 2002, nachdem Staatspräsident Xanana Gusmao und
Friedensnobelpreisträger José Ramos-Horta eine Kandidatur bei den für Anfang April angesetzten
Präsidentschaftswahlen vorerst ausgeschlossen haben.
Nach zähem Ringen haben sich die politischen Parteien und die Wahlkommission Osttimors Ende
vergangener Woche auf den 9. April als Wahltermin geeinigt. Außerdem wurde vereinbart, dass die
Parlamentswahlen frühestens 80 Tage nach dem ersten Urnengang stattfinden sollen. »Zunächst
müssen wir die Präsidentschaftswahlen erfolgreich über die Bühne bringen«, mahnte Amtsinhaber
Xanana Gusmao mit Blick auf die schwere innenpolitische Krise, in der sich Osttimor seit Frühjahr
2006 befindet.
Gusmao und Regierungschef José Ramos-Horta gelten aufgrund ihres Widerstands gegen die
indonesische Besatzung als Nationalhelden. Nach ihrem angekündigten Ausscheiden aus der
aktiven Politik droht ein machtpolitisches Vakuum, das weitere gewaltsame Auseinandersetzungen
auslösen könnte. Bisher war vermutet worden, beide Politiker planten lediglich einen Wechsel:
Ramos-Horta solle Staatspräsident werden, Gusmao Ministerpräsident. Doch diese Überlegungen
scheinen vom Tisch zu sein. »Ich werde nur noch einmal über meine Entscheidung nachdenken,
wenn es keine anderen Kandidaten gibt und jeder davon überzeugt ist, dass ich die Verantwortung
zum Wohle des Landes tragen muss«, unterstrich Ramos-Horta – und ergänzte, dass es bereits
gute Kandidaten gebe.
Für politischen Zündstoff sorgen derweil zwei Gesetzentwürfe, die in den zurückliegenden Wochen
mit der Mehrheit der ehemaligen Befreiungsbewegung und heutigen Regierungspartei Fretilin im
Parlament verabschiedet wurden. Danach sollen ausscheidende Politiker mit üppigen Pensionen
und Sondervergütungen ausgestattet werden. So ist vorgesehen, dass ehemalige Minister ihre
bisherigen Einkünfte ungekürzt als Pension weiter beziehen und ihnen vom Staat ein Haus, ein
Auto, persönliches Personal und jährliche Interkontinentalflüge finanziert werden. Darüber hinaus
sollen sie von der Steuer befreit werden und ihren Diplomatenstatus behalten. Auch für
Parlamentarier sind entsprechende Vergünstigungen vorgesehen, etwa Zuschüsse zur
medizinischen Versorgung im In- und Ausland, die Ausstellung von Diplomatenpässen für sie und
ihre Familien sowie Steuernachlässe bei Autokauf und Hausbau.
Präsident Gusmao hat beide Gesetze, die im ärmsten Land Asiens für große Empörung in der
Bevölkerung gesorgt haben, durch sein Veto zunächst gestoppt und ans Parlament
zurückverwiesen. Sie treten jedoch laut Verfassung in Kraft, sollten sie dort wiederum eine
Zweidrittelmehrheit erhalten. Fretilin allein verfügt über 55 der 88 Parlamentssitze. Im Fall einer
wiederholten Verabschiedung werde das Parlament von einem Ort der Politik zu einem Ort, »an dem
einige wenige Menschen in die Oberschicht befördert werden«, kritisiert die Koalition zur Erhaltung
des Reichtums des Volkes und des Landes, ein Zusammenschluss regierungsunabhängiger
Organisationen. Sie werfen den Politikern in einem Aufruf vor, »nur an sich selbst zu denken« und
die Nöte der Bevölkerung zu vergessen: »Diese Gesetze zeigen uns, dass unsere Politiker die
Demokratie missbrauchen.« Eine Reihe von Oppositionspolitikern schlossen sich der Kritik an.
Im April letzten Jahres war es in Osttimor nach der Meuterei von rund 600 Soldaten zu
bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen gekommen, in deren Verlauf Ministerpräsident Mari
Alkatiri und mehrere Minister zurücktreten mussten. Ramos-Horta hatte damals sein Amt
übernommen. Eine internationale Schutztruppe unter Führung Australiens versucht seither, die
immer wieder aufflackernden Unruhen unter Kontrolle zu bringen. Erst vor wenigen Tagen verhaftete
sie in Dili 47 Mitglieder bewaffneter Banden, die für Ausschreitungen und mehrere Morde
verantwortlich sein sollen. Der Gewalt sind bisher über 40 Menschen zum Opfer gefallen. Mehrere
Zehntausend Menschen leben noch immer in Flüchtlingslagern. Die Vereinten Nationen, deren
Osttimor-Mandat im Vorjahr verlängert wurde, sollen einen friedlichen und ordnungsgemäßen
Verlauf der Wahlen sicherstellen.
* Aus: Neues Deutschland, 6. Februar 2007
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