Xanana Gusmao soll Osttimor regieren
Unruhen nach Auftrag zur Regierungsbildung
Von Carsten Hübner *
Der ehemalige Guerillaführer Xanana Gusmao ist in Osttimor mit der Regierungsbildung beauftragt
worden. Die bislang regierende Fretilin fühlt sich übergangen.
Unmittelbar nachdem Osttimors Staatspräsident José Ramos-Horta am Montag seinen langjährigen
Weggefährten und Amtsvorgänger Xanana Gusmao mit der Bildung einer neuen Regierung
beauftragt hatte, kam es im ärmsten Land Asiens zu schweren Ausschreitungen. In Baucau, einer
Hochburg der ehemaligen Befreiungsbewegung Fretilin, die Osttimor bisher mit absoluter Mehrheit
regiert hatte, wurden Häuser in Brand gesetzt. Auch in der Hauptstadt Dili kam es zu
Zusammenstößen, in deren Folge die im Inselstaat eingesetzte internationale Polizeitruppe
Tränengas gegen Anhänger der Fretilin einsetzte.
Die Fretilin war bei den Parlamentswahlen Ende Juni nur noch auf knapp 30 Prozent der Stimmen
und damit 21 Abgeordnetenmandate gekommen. Ihr gegenüber steht unter Führung des bisherigen
Staatspräsidenten Gusmao die Allianz der Parlamentsmehrheit (AMP), ein Zusammenschluss von
drei Oppositionsparteien, der über 37 der insgesamt 65 Sitze verfügt.
Hintergrund der Zuspitzung ist der Anspruch der Fretilin, trotz fehlender Parlamentsmehrheit als
stärkste Partei das Amt des Regierungschefs zu besetzen. Sie bezeichnet dies als ihr
verfassungsmäßiges Recht, was allerdings sowohl von der Opposition als auch von Staatschef
Ramos-Horta, der für die Ernennung des Premiers zuständig ist, bestritten wird. Nach
Korruptionsvorwürfen und bürgerkriegsähnlichen Unruhen im Frühjahr vergangenen Jahres ist die
Fretilin politisch weitgehend isoliert. Verhandlungen mit der AMP und mehreren kleineren Fraktionen
waren in den vergangenen Wochen ergebnislos verlaufen. Gleichzeitig formierte sich um
Nationalheld Gusmao ein Oppositionsbündnis, das nun nach der Macht greift. Gusmao,
Gründungsmitglied der Fretilin und ihres militärischen Arms Falintil, zählt heute zu den schärfsten
Kritikern der früheren Befreiungsfront.
Für den Fall, dass es in den kommenden Tagen zu einer Regierungsbildung ohne Beteiligung der
Fretilin kommen sollte, hat die Partei bereits angekündigt, sie werde das Parlament boykottieren.
»Wir werden mit einer solchen Regierung nicht kooperieren, weil sie eine illegale Regierung ist«,
sagte Fretilin-Generalsekretär Mari Alkatiri. Er führt weiterhin die mitgliederstärkste und am besten
organisierte Partei des Landes. Beobachter befürchten deshalb bei einem Parlamentsauszug ein
neuerliches Aufflammen der Gewalt. Insbesondere in den östlichen Landesteilen verfügt die Partei
über eine starke Anhängerschaft, die in den zurückliegenden Monaten zum teil bewaffnet worden
sein soll.
Unterdessen rief Staatschef Ramos-Horta alle Beteiligten zur Besonnenheit auf. »Unser Land steckt
weiterhin in der Krise. Ich fordere deshalb alle politischen Führer zum Dialog auf, um die Probleme
nach den Gesetzen und der Verfassung zu lösen«, sagte er vor Journalisten.
* Aus: Neues Deutschland, 8. August 2007
Zurück zur Osttimor-Seite
Zurück zur Homepage