Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Xanana Gusmao soll Osttimor regieren

Unruhen nach Auftrag zur Regierungsbildung

Von Carsten Hübner *

Der ehemalige Guerillaführer Xanana Gusmao ist in Osttimor mit der Regierungsbildung beauftragt worden. Die bislang regierende Fretilin fühlt sich übergangen.

Unmittelbar nachdem Osttimors Staatspräsident José Ramos-Horta am Montag seinen langjährigen Weggefährten und Amtsvorgänger Xanana Gusmao mit der Bildung einer neuen Regierung beauftragt hatte, kam es im ärmsten Land Asiens zu schweren Ausschreitungen. In Baucau, einer Hochburg der ehemaligen Befreiungsbewegung Fretilin, die Osttimor bisher mit absoluter Mehrheit regiert hatte, wurden Häuser in Brand gesetzt. Auch in der Hauptstadt Dili kam es zu Zusammenstößen, in deren Folge die im Inselstaat eingesetzte internationale Polizeitruppe Tränengas gegen Anhänger der Fretilin einsetzte.

Die Fretilin war bei den Parlamentswahlen Ende Juni nur noch auf knapp 30 Prozent der Stimmen und damit 21 Abgeordnetenmandate gekommen. Ihr gegenüber steht unter Führung des bisherigen Staatspräsidenten Gusmao die Allianz der Parlamentsmehrheit (AMP), ein Zusammenschluss von drei Oppositionsparteien, der über 37 der insgesamt 65 Sitze verfügt.

Hintergrund der Zuspitzung ist der Anspruch der Fretilin, trotz fehlender Parlamentsmehrheit als stärkste Partei das Amt des Regierungschefs zu besetzen. Sie bezeichnet dies als ihr verfassungsmäßiges Recht, was allerdings sowohl von der Opposition als auch von Staatschef Ramos-Horta, der für die Ernennung des Premiers zuständig ist, bestritten wird. Nach Korruptionsvorwürfen und bürgerkriegsähnlichen Unruhen im Frühjahr vergangenen Jahres ist die Fretilin politisch weitgehend isoliert. Verhandlungen mit der AMP und mehreren kleineren Fraktionen waren in den vergangenen Wochen ergebnislos verlaufen. Gleichzeitig formierte sich um Nationalheld Gusmao ein Oppositionsbündnis, das nun nach der Macht greift. Gusmao, Gründungsmitglied der Fretilin und ihres militärischen Arms Falintil, zählt heute zu den schärfsten Kritikern der früheren Befreiungsfront.

Für den Fall, dass es in den kommenden Tagen zu einer Regierungsbildung ohne Beteiligung der Fretilin kommen sollte, hat die Partei bereits angekündigt, sie werde das Parlament boykottieren. »Wir werden mit einer solchen Regierung nicht kooperieren, weil sie eine illegale Regierung ist«, sagte Fretilin-Generalsekretär Mari Alkatiri. Er führt weiterhin die mitgliederstärkste und am besten organisierte Partei des Landes. Beobachter befürchten deshalb bei einem Parlamentsauszug ein neuerliches Aufflammen der Gewalt. Insbesondere in den östlichen Landesteilen verfügt die Partei über eine starke Anhängerschaft, die in den zurückliegenden Monaten zum teil bewaffnet worden sein soll.

Unterdessen rief Staatschef Ramos-Horta alle Beteiligten zur Besonnenheit auf. »Unser Land steckt weiterhin in der Krise. Ich fordere deshalb alle politischen Führer zum Dialog auf, um die Probleme nach den Gesetzen und der Verfassung zu lösen«, sagte er vor Journalisten.

* Aus: Neues Deutschland, 8. August 2007


Zurück zur Osttimor-Seite

Zurück zur Homepage