Nordirlands Polizei gibt "Festungen" auf
Reform der Sicherheitsdienste fortgesetzt
Von Florian Osuch, Belfast *
Das Northern Ireland Policing Board, ein Gremium für alle Belange zu
Sicherheitsfragen und zur
Polizei in Nordirland, hat in der vergangenen Woche die Schließung von
26 Polizeiwachen
beschlossen -- gegen den Widerstand des probritischen Lagers. Weitere
Wachen sollen bis 2012
aufgegeben werden.
Die Entscheidung hat in erster Linie politischen Symbolcharakter und
wenig Auswirkungen auf die
tatsächliche Polizeipräsenz, da 20 Stationen zum Teil seit mehreren
Jahren unbesetzt sind. Fünf
weitere Einrichtungen des Police Service Northern Ireland (PSNI) sind
nur gelegentlich in Betrieb;
nur eine der zu schließenden Wachen ist voll einsatzfähig.
Der Entschluss geht auf einenPlan zur Reform der nordirischen Polizei
zurück, demzufolge
insgesamt 40 der 108 Polizeiwachen zwischen Derry und Belfast
geschlossen werden sollen. Auch
haushaltspolitische Aspekte sollen dabei berücksichtigt worden sein.
Laut Sir Hugh Orde,
Nordirlands höchstem Polizeiführer, wird sein Budget auf diese Weise um
rund 7,3 Millionen Pfund
(etwa 9,5 Millionen Euro) entlastet. Nach Meinung Martina Andersons,
Mitglied im Policing Board für
die Linkspartei Sinn Féin, könnte das Geld weitaus besser eingesetzt
werden. Anderson, die wegen
IRA-Aktivitäten 13 Jahre inhaftiert war, ist heute Sinn-Féin-Abgeordnete
im nordirischen Parlament
und bezeichnet die Polizeikasernen als »Altlasten vergangener Zeiten«.
Die teils festungsartig
ausgebauten Wachen dominierten vielerorts das Landschafts- oder
Stadtbild. So etwa im irischkatholischen
Stadtviertel Short Strand in Belfast. Dort steht inmitten einer
Wohnsiedlung mit 6000
Einwohnern eine gigantische Polizeikaserne. Die Mountpottinger-Wache
wird nun geschlossen.
Auf heftige Kritik stieß die Entscheidung des Policing Board bei
Vertretern aus dem britischunionistischen
Spektrum. Angesichts der Aktivitäten irischer Splittergruppen in der Region
Fermanagh sei die Demontage von Polizeiposten unzulässig, meint Jimmy
Spratt von der extrem
rechten DUP, der selbst 30 Jahre im Dienst der Polizei in Nordirland
stand. Die Kreise Fermanagh,
Tyrone und Armagh an der Grenze zur Republik Irland gelten als
Hochburgen von Gruppierungen
wie »Real IRA« oder der »Continuity IRA«. Allein dort werden 13 Wachen
geschlossen.
Auch die Zahl der Polizisten in Nordirland sinkt. Die »Irish Times«
meldete, dass sich das
Polizeipersonal in den vergangenen zehn Jahren in Nordirland von 13 500
auf 7500 Beamte nahezu
halbiert habe. Damit allerdings ist die Polizeidichte noch immer um etwa
30 Prozent größer als in
Deutschland.
Die Polizeireform ist grundlegender Bestandteil des Friedensabkommens
vom Karfreitag 1998, mit
dem der fast 30 Jahre währende Krieg im Norden Irlands beendet wurde.
Der heutige PSNI löste im
November 2001 die umstrittene Royal Ulster Constabulary (RUC) als
Polizeiapparat ab. Die RUC
war in der irischen Bevölkerungsminderheit als Repressionsorgan
verhasst. Zahlreiche Iren,
darunter Demonstranten, Aktive der irisch-republikanischen Bewegung oder
auch Passanten,
starben durch Kugeln, Plastikgeschosse oder Prügelorgien der RUC. Bei
Anschlägen tötete die IRA
während des Krieges knapp 300 RUC-Männer, mehrere Tausend wurden verletzt.
* Aus: Neues Deutschland, 10. August 2009
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