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Republikaner haben "unter uns gelitten"

Nordirland: Überraschendes Eingeständnis der Loyalisten befördert den Friedensprozess

Von Aljoscha Kertesz *

Mit einem unerwarteten Eingeständnis wandte sich am Dienstag die britisch-orientierte Ulster Defence Association (UDA), die größte bewaffnete Untergrundorganisation in Nordirland, an die Öffentlichkeit: »Die katholische Bevölkerung hat unter uns gelitten.« Die Erklärung wurde als wichtiges Zeichen im laufenden Aussöhnungsprozeß gewertet. Sie wäre noch vor nicht allzulanger Zeit undenkbar gewesen.

In den vergangenen Jahren hat sich die öffentliche Wahrnehmung der militant agierenden Akteure verändert. Stand früher in erster Linie die Irish Republican Army (IRA) am Pranger, sind es heute die loyalistischen Paramilitärs. Die Wende kam im Jahr 2005, als die IRA das Ende ihres bewaffneten Kampfes verkündete; im September desselben Jahres vernichtete die Gruppe ihre Waffen und zog einen Schlußstrich. Geblieben sind auf republikanischer Seite Splittergruppen, wie die Continuity IRA oder die Real IRA, die vergleichsweise wenige Anhänger haben.

Ganz anders sieht es im Lager der London-Loyalen aus. Zwar haben einige ihrer Organisationen Waffenstillstände erklärt, doch nicht etwa ihre Bewaffnung aufgegeben. Nach der überraschenden Ankündigung der »Ulster-Verteidiger« allerdings stehen auch hier die Zeichen auf Entspannung, zumal die UDA-Paramilitärs erklärten, sie würden die gewählten Abgeordneten der irisch-republikanischen Partei Sinn Fein akzeptieren.

Trotzdem bleibt Skepsis angebracht. So äußerte sich der Abgeordnete der irisch-nationalen Social Democratic and Labour Party (SDLP), Alasdair Mc Donnell, zurückhaltend. Zwar begrüßte er die Einsicht der UDA, forderte jedoch zugleich, daß der Erklärung konkrete Handlungen folgen müßten. Schließlich würden die loyalistischen Organisationen weiterhin kriminelle und paramilitärische Aktivitäten durchführen. Dieses geht auch aus dem Bericht der unabhängigen Überwachungskommission IMC (Independent Monitoring Committee) hervor, der als Schlußfolgerung aus seinen jüngsten Untersuchungsergebnissen, Stand Frühjahr 2007, die Entwaffnung aller bewaffneten Organisationen verlangt.

Derweil plante die britische Regierung im laufenden Haushalt ein Extrabudget ein. Mit dem Geld sollen für UDA-Mitglieder Bildungsmöglichkeiten und Ausbildungsplätze geschaffen werden. Für einen Zeitraum von drei Jahren wurden hierfür jährlich jeweils 400000 britische Pfund (612000 Euro) veranschlagt.

* Aus: junge Welt, 12. April 2007


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