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Krawalle in Nordirland

Probritische Demonstranten liefern sich Straßenschlachten mit der Polizei *

Nach knapp einem halben Jahr Ruhe eskaliert die Gewalt im Nordirland-Konflikt wieder. Probritische Krawallmacher lieferten sich im Norden der nordirischen Hauptstadt Belfast bereits die dritte Nacht in Folge Straßenschlachten mit der Polizei. Dabei wurden nach Angaben der Polizei vom Montag insgesamt 44 Beamte verletzt. Rund 50 Menschen wurden festgenommen.

Anhänger der Oranier warfen mindestens 50 Molotow-Cocktails auf Polizisten. Die Polizei reagierte mit Wasserwerfern und Gummigeschossen. Ein Polizeisprecher bezeichnete das Verhalten der Demonstranten am Montag als »animalisch«. Die Polizei zieht in den nächsten Tagen Kräfte aus England, Schottland und Wales in Nordirland zusammen, um den Unruhen zu begegnen. »Das werden wir aufrechterhalten, solange es notwendig ist«, sagte der Polizeisprecher.

In der Nacht zum Samstag waren bei den Auseinandersetzungen 32 Beamte verletzt worden. Mehrere von ihnen wurden Polizeiangaben zufolge von Wurfgeschossen so schwer getroffen, daß sie das Bewußtsein verloren. Der langjährige nordirische Vertreter im Londoner Parlament, Nigel Dodds, wurde von einem Ziegelstein am Kopf getroffen und bewußtlos ins Krankenhaus eingeliefert. Am Samstag konnte er die Klinik wieder verlassen. Der Vizevorsitzende der konservativen probritschen Democratic Unionist Party (DUP) von Regierungschef Peter Robinson hatte vergeblich versucht, die Randalierer an der Straßensperre zu beruhigen.

Auslöser der Krawalle war das Teilverbot eines der traditionellen Märsche von Mitgliedern des probritischen Oranier-Ordens durch ein mehrheitlich von Iren bewohntes Viertel. Mit der traditionellen Parade am 12. Juli erinnert der Orden an den Sieg von Wilhelm von Oranien über den katholischen König Jakob II. in der Schlacht von Boyne 1690. Nachdem die Märsche in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder zu Ausschreitungen zwischen den in Nordirland verfeindeten Anhängern beider Konfessionen geführt hatten, muß nun eine Marschkommission die Routenführung genehmigen.

Im Belfaster Fall wurde der als Provokation empfundene Marsch durch katholisches Gebiet teilweise abgelehnt. Der Oranierorden schiebt nun die Schuld auf die Marschkommission. »Die Organisation der Oranier soll zum Prügelknaben gemacht werden, von denen, bei denen die Verantwortung für diese Krise in Wahrheit liegt – vor der Tür der Marschkommission«, heißt es in einem Statement des Ordens.

Der nordirische Polizeichef Matt Baggott nannte die Vorfälle »schändlich und beschämend«. Er äußerte scharfe Kritik an den Anführern des Oranierordens, die zu Protesten aufgerufen hatten.

Die Lage war zuletzt im Januar eskaliert, nachdem der Rat beschlossen hatte, auf dem Belfaster Rathaus die britische Flagge nur noch an Feiertagen wehen zu lassen. Daraufhin hatten sich protestantische Demonstranten wochenlang Kämpfe mit der Polizei geliefert.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 16. Juli 2013


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