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Irisch im Kommen

Forderung nach Gleichstellung der Sprache spaltet Autonomieregierung in Belfast. Sinn Féin will Massenförderung

Von Florian Osuch, Belfast *

Seit knapp vier Monaten wird der Norden Irlands wieder von einer lokalen Autonomieregierung verwaltet. Nach Jahren des Stillstands und der Direktherrschaft aus London hatten sich im Mai die führenden Fraktionen beider Konfliktparteien auf eine paritätisch besetzte Regionalregierung verständigt.

Nun steht der Koalition aus irisch-republikanischer Sinn Féin sowie der ultrarechten Democratic Unionist Party (DUP) der erste große Streit bevor. Der von der links-nationalistischen Partei Sinn Féin eingebrachte Entwurf zur Gleichstellung der englischen und irischen Sprache erzürnt vor allem Ian Paisley, Erster Minister in Nordirland und Chef der DUP. In einem Strategiepapier nach den ersten 100 Tagen Selbstverwaltung hatte Ian Paisley vor einer Woche angekündigt, den »Irish Language Act« zu boykottieren. Er sehe in der gesetzlich garantierten Gleichstellung eine Bedrohung der englischen Sprache.

Im umfassenden Karfreitags-Friedensabkommen von 1998, welches das Ende des 30jährigen Bürgerkrieges in Nordirland besiegelte, wurde der Förderung der irischen Sprache hohe Priorität zugeschrieben. Bis heute fehlt es jedoch an einer konkreten Umsetzung. Sinn Féin geht mit dem Irish Language Act in die Offensive. Ein Sprecher der Partei äußerte gegenüber jW, daß es »jeder Person im Norden Irlands möglich sein sollte, ihr Leben in Irisch zu organisieren«. Die Bevölkerung Nordirlands soll in allen Bereichen des öffentlichen Lebens die Wahl zwischen Irisch und Englisch haben, und »niemand soll diskriminiert werden«. Ian Paisley habe die »Pflicht, den Wünschen der Bürger zu entsprechen«.

Der Alltag in Nordirland sowie in der Republik Irland ist durch Englisch geprägt, und nur in wenigen Regionen wird Irisch als erste Sprache gebraucht. Schätzungen gehen von bis zu 250000 Personen aus, die Irisch als Hauptsprache verwenden, während bis zu 1,8 Millionen Einwohner es als Zweitsprache benutzen.

Nach der Industrialisierung Ende des 19. Jahrhunderts galt Irisch als Sprache der Bauern, Landlosen und Fischer und wurde nur noch in ländlichen Gebieten gesprochen. In der heutigen Republik Irland wurde Irisch bereits seit den 1920er Jahren gefördert. Seit Jahrzehnten ist es Amtssprache, und heute gibt es in den Universitätszentren Dublin, Limerick und Galway eigene Sprachinstitute. Irisch ist Pflicht für jeden Schüler, und in zahlreichen Schulen wird nur in dieser Sprache gelehrt.

In der Nordprovinz wurden noch bis in die 1980er Jahre Personen festgenommen, wenn sie sich gegenüber der britischen Besatzungsmacht in Irisch auswiesen oder sich vor Gericht so äußerten. Einen ersten Aufschwung und große Popularität erhielt die Sprache, als sie von den zahlreichen politischen Gefangenen der Irisch-Republikanischen Armee (IRA) in den 1970er Jahren studiert und gesprochen wurde. So konnten die Gefangenen selbst innerhalb der Internierungslager »H-Blocks« nahezu unkontrolliert von Polizei und Militär kommunizieren. Viele ehemalige Gefangene arbeiten heute als Dozenten in selbstverwalteten Sprachzentren der irischen Arbeiterviertel.

Die Forderung nach der sprachlichen Gleichstellung war stets Bestandteil des bewaffneten Kampfes der IRA gegen die politisch-militärische Besatzung durch Großbritannien. Mit dem Irish Language Act soll dies erstmalig auch gesetzlich verankert werden. In der Europäischen Union ist Irisch seit dem 1. Januar 2007 offizielle Amtssprache.

* Aus: junge Welt, 25. August 2007


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