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Wieder Bomben in Irland

Versuchen irische Splittergruppen, den Friedensprozeß zu stören? Einkaufszentren in Belfast niedergebrannt. Protestantische Rechte soll provoziert werden

Von Florian Osuch *

Kurz vor Ablauf einer erneuten Frist im nordirischen Friedensprozeß hat in der vergangenen Woche eine Anschlagwelle Belfast erschüttert. Bei mehreren Brandstiftungen wurden zwei Warenhäuser sowie ein Einkaufszentrum schwer beschädigt. Rund 70 Feuerwehrmänner waren allein mit dem Feuer in dem Einkaufszentrum beschäftigt, das trotzdem bis auf die Grundmauern niederbrannte.

Der britische Nordirlandminister Peter Hain machte für die nächtlichen Feuerattacken irische Dissidenten verantwortlich, die den ohnehin fragilen Friedensprozeß torpedieren wollten. Ende dieser Woche verstreicht für die Parteien im Norden Irlands eine Frist für die Bildung einer Allparteienregierung.

Bereits wenige Stunden nach den Anschlägen durchsuchte die nord­irische Polizei mehrere Objekte in Belfast und Killough. Unabhängig davon wurde ein 39jähriger Mann festgenommen und in ein Verhörzentrum nach Antrim gebracht. Die nord­irischen Sicherheitskräfte befragten ihn zu zahlreichen Aktivitäten irischer Splittergruppen aus den letzten Monaten. Radikale Iren, die sich von der IRA abgespalten hatten, lehnen den Friedensprozeß ab und halten nach wie vor am bewaffneten Kampf gegen die britische Besatzung im Norden Irlands fest.

Peter Hain hatte der »Real IRA« die Schuld an mehreren Brandanschlägen im Sommer diesen Jahres gegeben. Allein in der Stadt Newry wurden im August 2006 vier Einkaufszentren beschädigt oder brannten vollständig nieder. Zu keinem der bisherigen Anschläge hat sich bislang jemand bekannt.

Sollten radikale irische Nationalisten wirklich die Urheber der Anschläge sein, ist eine Gefährung des Friedensprozesses wahrscheinlich. Derzeit hängt alles davon ab, ob die pro-britische Democratic Unionist Party (DUP) – als größte Fraktion im protestantischen Lager – einer Regierungsbildung mit der linken irischen Partei Sinn Féin einwilligt.

Anfang Oktober hatten sich im schottischen St. Andrews der britische Premierminster Anthony Blair sowie sein irischer Amtskollege Patrick Ahern auf einen neuen Anlauf im dem stockenden Friedenssprozeß verständigt. Dieser Plan sieht vor, daß die nordirischen Parteien bis zum 10. November 2006 ihre generelle Bereitschaft zur Bildung einer Allparteienregierung signalisieren und binnen zwei Wochen einen Premier sowie dessen Stellvertreter nominieren.

Die DUP unterscheidet jedoch nicht zwischen Sinn Féin, der IRA, die den bewaffneten Kampf für beendet erklärt hat, sowie radikal-irischen Splittergruppen. Die Anschläge zielen offensichtlich darauf ab, die DUP zur Ablehnung des Abkommens zu bewegen und den Friedensprozeß bereits zu Beginn scheitern zu lassen. In einem solchen Fall sieht das St.-Andrews-Abkommen vor, daß alle Inistutionen der nordirischen Selbstverwaltung aufgelöst werden und die Unruheprovinz von London und Dublin gemeinsam regiert wird.

* Aus: junge Welt, 6. November 2006


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