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Ein zweiter Kanal

Während in Panama die Arbeiten an dem weltbekannten Schiffahrtsweg ins Stocken kommen, kündigt Nicaragua den Bau einer eigenen Wasserstraße an

Von Lena Kreymann *

Nicaragua macht Panama Konkurrenz: Im Dezember dieses Jahres soll mit der Konstruktion eines Kanals zwischen dem karibischen Meer und dem Pazifik begonnen werden. Dies kündigten der Präsident Daniel Ortega und der chinesische Unternehmer Wang Jing in einer Pressemitteilung vom 10. Januar an – genau zu einem Zeitpunkt, als der Ausbau des Kanals in Panama ins Stocken geraten war. Daran wird seit September 2007 gearbeitet, jetzt aber will die Baufirma mehr Geld als ursprünglich vereinbart.

Sowohl die Pläne Nicaraguas als auch die Renovierung der bereits bestehenden Wasserstraße haben denselben Grund: Moderne Frachtschiffe passen nicht durch den Kanal. Containerfrachter, die dafür zu groß sind und zuviel Tiefgang haben, werden deshalb »Postpanamax«-Schiffe genannt.

Über den weltbekannten Schiffahrtsweg werden momentan etwa fünf Prozent des Weltseehandels abgewickelt, er stellt vor allem eine wichtige Verbindung zur Ost- und Westküste der USA dar. Die Alternative ist der lange und teurere Weg um das chilenische Kap Hoorn. Angesichts der wirtschaftlichen Relevanz der Verbindung hatten in den zurückliegenden Jahren mehrere lateinamerikanische Staaten erwogen, einen neuen Kanal zu bauen.

In Panama selbst gab es schließlich 2006 den gesetzlich festgelegten Volksentscheid, bei dem 77 Prozent der abstimmenden Bürger dem Ausbau zustimmten. Neue Schleusen und Zufahrtswege sollen gebaut, der Wasserspiegel angehoben werden. Die Kanalbehörde ACP hat damit das Konsortium GUPC beauftragt, das von der spanischen Firma Sacyr geleitet wird.

Nach Angaben von ACP sind fast drei Viertel des Projekts abgeschlossen, insgesamt sollte es 5,2 Milliarden Dollar (3,8 Milliarden Euro) kosten. Doch Anfang Januar forderte GUPC 1,6 Milliarden Dollar wegen »zusätzlicher Kosten« mehr und drohte, die Bauarbeiten einzustellen, sollte das Geld nicht innerhalb von drei Wochen gezahlt werden. ACP bot an, 283 Millionen Dollar zu zahlen, davon 100 Millionen sofort, um die Fortsetzung zu gewährleisten. Der Konflikt spitzte sich zu, so daß sich am 6. Januar der panamesische Präsident Ricardo Martinelli mit Spaniens Entwicklungsministerin Ana Pastor traf. Laut der Internetseite der spanischen Zeitung El Mundo hat Sacyr am vergangenen Dienstag eingelenkt und zugesichert, seiner Verpflichtung nachzukommen und die Arbeiten 2015 abzuschließen. Über die Zusatzkosten wird weiter verhandelt.

Nicaragua platzte mit seiner Ankündigung, einen eigenen, breiteren Kanal zu bauen, mitten in eine angespannte Situation. Das Vorhaben gibt es jedoch schon seit Jahren; in der jüngeren Vergangenheit wurde es seit 2004 diskutiert. Anfang Juli 2012 beschloß das Parlament schließlich den Bau, ein knappes Jahr später verabschiedete es das Gesetz, durch das die Konzessionen für Bau und Betrieb vergeben werden konnten. Beauftragt wurde die HKND Group, eine Holding mit Sitz in Hongkong, deren Präsident Wang Jing ist.

Fast 300 Kilometer lang soll die Wasserstraße durch Nicaragua werden und damit wesentlich länger als jene in Panama (80 Kilometer). Nach Angaben des lateinamerikanischen Fernsehsenders Telesur sollen auch zwei Tiefseehäfen, zwei Flughäfen, Freihandelszonen, eine Pipeline und eine Bahnlinie als sogenannter trockener Kanal entstehen. Es wird mit einer Bauzeit von fünf Jahren und Kosten von 40 Milliarden Dollar gerechnet. Nicaragua garantiert dem Konsortium eine Betriebserlaubnis bis zu 100 Jahren.

Die geplante Route verläuft durch den Nicaraguasee, dem größten See Zentralamerikas, der ein Süßwasserspeicher ist. Umweltschützer kritisieren mögliche Verschmutzungen des ohnehin belasteten Gewässers. Wang sicherte jedoch zu, dem Schutz des Gewässers Priorität einzuräumen. Indigene fürchten außerdem, daß ihre Landrechte verletzt werden.

Dennoch unterstützen laut einer aktuellen Meinungsumfrage zwei Drittel der Bevölkerung den Kanalbau, wie das sandinistische Portal El 19 Digital berichtete. Die Regierung erwartet mehr Arbeitsplätze sowie zusätzliche Steuereinnahmen und durch den Betrieb eine Verdoppelung des Bruttoinlandsprodukts.

Das Territorium der beiden Länder Panama und Nicaragua war bereits Ende des 19. Jahrhunderts für den Bau eines Kanals von den Großmächten USA, Großbritannien und Frankreich anvisiert worden. In ihrem eigenen Interesse drängten die USA auf die Gründung des Staates Panama, um den Kanalbau unter ihre Ägide zu bringen. Die Schiffahrtsstraße wurde 1914 fertiggestellt und blieb jahrzehntelang unter US-Kontrolle. Erst seit 1999 verwaltet Panama den Kanal selbst.

* Aus: junge Welt, Samstag, 18. Januar 2014


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