Ortega zum Wahlsieger in Nicaragua erklärt
Oppositionskandidaten wollen das Resultat nicht akzeptieren *
Nicaraguas Wahlbehörde hat den Amtsinhaber Daniel Ortega zum Sieger der Präsidentenwahlen vom Sonntag (6. Nov.) erklärt. Der 65-Jährige erzielte laut vorläufigen Ergebnissen von Montag (7. Nov.) 63 Prozent der Stimmen. Zweitplatzierter unter den insgesamt fünf Kandidaten ist demnach der liberale Oppositionsführer Fabio Gadea mit 31 Prozent. Dritter mit sechs Prozent ist der frühere Präsident Arnoldo Alemán (1997 - 2002). Bei den gleichzeitigen Parlamentswahlen gewann Ortegas sandinistische Partei den Angaben zufolge 60 der 90 Sitze. Sowohl Gadea als auch Alemán wollen das Resultat nicht akzeptieren.
»Wir können die Ergebnisse nicht anerkennen, weil sie nicht den Willen des Volkes widerspiegeln«, sagte Gadea. Er warf Ortega einen Betrug »unerhörten Ausmaßes« vor. Ähnlich äußerte sich Alemán. Er bezichtigte Ortega, eine Diktatur zu errichten.
Unter internationalen Beobachtern fielen die Urteile gegensätzlich aus. José Miguel Insulza, Generalsekretär der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) sprach von einem »Fortschritt für Demokratie und Frieden« in Nicaragua. Zugleich kritisierten die von der OAS entsandten Beobachter die Behinderung ihrer Arbeit.
Ausdrücklich zu seinem Sieg gratuliert haben Ortega bisher nur Venezuelas Präsident Hugo Chávez sowie sein kubanischer Amtskollege Raúl Castro. Die USA hingegen zeigten sich »besorgt« über die von internationalen und lokalen Beobachtern gemeldeten »Irregularitäten«.
In der Nähe der Stadt Masaya kam es laut lokalen Medien zu Zusammenstößen zwischen Anhängern der Regierung und der Opposition. Zwölf Menschen wurden dabei verletzt und 18 Anhänger der Opposition festgenommen.
Bereits bei früheren Regionalwahlen unter Ortega gab es Indizien für Wahlbetrug. So kürzten zahlreiche europäische Länder ihre Entwicklungshilfe für Nicaragua, nachdem Ortega 2008 seinen Kandidaten als Bürgermeister der Hauptstadt Managua durchsetzte, gegen den mutmaßlichen Wahlgewinner der Opposition.
* Aus: neues deutschland, 8. November 2011
Dritte Amtszeit für Ortega **
Auch wenn noch kein offizielles Ergebnis vorliegt, so feierten bereits nach Bekanntwerden der ersten Hochrechnungen am Sonntag abend (6. Nov.) Tausende Anhänger von Daniel Ortega in den Straßen Managuas den Sieg ihres Kandidaten. Nach Auszahlung von knapp 40 Prozent der Stimmen (bei jW-Redaktionschluß) erreichte der amtierende Präsident bei der Wahl des Staatsoberhauptes in Nicaragua rund 64 Prozent der Stimmen. Damit liegt er uneinholbar vor seinem Hauptkonkurrenten Fabio Gadea. Auf den rechtskonservativen Unternehmer, der für die Unabhängige Liberale Partei (PLI) antrat, kamen nach Angaben der nationalen Wahlbehörde etwa 29 Prozent der ausgezählten Stimmen. Weit abgeschlagen auf Platz drei landete der wegen Veruntreuung von Staatsgeldern verurteilte Expräsident Arnoldo Alemán, der für die Liberal-Konservativen Partei (PLC) angetreten war. Sollte Ortega seinen Vorsprung aufrechterhalten, wäre es der höchste Sieg bei freien Wahlen in der Geschichte des Landes.
Neben dem Präsidenten stimmten die 3,4 Millionen wahlberechtigte Nicaraguaner am Sonntag auch über 90 Abgeordnete der Nationalversammlung und 20 Repräsentanten des Landes im Zentralamerikanischen Parlament ab. »Das ist ein Sieg für das Christentum, den Sozialismus und die Solidarität«, sagte Ortegas Ehefrau und Sprecherin Rosario Murillo. Der kubanische Präsident Raúl Castro beglückwünschte den neuen Amtsträger bereits am Sonntag abend zu seinem Sieg.
Für Ortega ist es inzwischen die dritte Amtszeit. Nach der Sandinistischen Revolution, die 1979 mit dem Sturz des Diktators Anastasio Somoza begann, wurde er 1984 zum ersten Mal gewählt. Nach der Niederlage der Sandinistischen Befreiungsfront (FSLN) 1990 blieb der heute 65jährige an der Spitze der von Richtungsstreitigkeiten und Abspaltungen gelähmten Partei. Daraufhin folgten drei vergebliche Versuche, bis Ortega 2006 erneut ins Amt gewählt wurde.
Am Sonntag (6. Nov.) soll es nach Medienberichten zu Zusammenstößen zwischen Oppositionellen und FSLN-Anhängern gekommen sei. Auch berichteten Wahlbeobachter aus der Europäischen Union und den USA von Behinderungen ihrer Arbeit. Der Vorsitzende der Wahlbehörde Roberto Rivas gab hingegen an, daß die Abstimmungen »normal« abgelaufen wären, mit Ausnahme von »einigen Unannehmlichkeiten«, wie sie bei allen Wahlen vorkämen.
Grund für Ortegas Sieg sind neben der Zerstrittenheit der rechten Opposition vor allem die sozialen und ökonomischen Verbesserungen für große Teile der Bevölkerung in den vergangenen Jahren. Positiv angerechnet wird der FSLN-Regierung zudem, daß es bisher gelungen scheint, ein Übergreifen der verheerenden Drogenkriminalität aus den Nachbarländern auf Nicaragua zu verhindern. Laut Verfassung hätte Ortega nicht zu einer zweiten Amtszeit in Folge antreten dürfen. Das Oberste Gericht und die Wahlbehörde haben dies jedoch zugelassen.
** Aus: junge Welt, 8. November 2011
Daniel Ortega kann durchregieren
Nicaraguanischer Präsident im ersten Wahlgang bestätigt / Sandinisten erringen Parlamentsmehrheit
Von Markus Plate, San José ***
Daniel Ortega bleibt Präsident von
Nicaragua. Die Präsidentschaftswahlen
am Sonntag gewann der Sandinist
mit über 60 Prozent klar vor dem liberal-
konservativen Fabio Gadea.
Bereits Stunden vor der Veröffentlichung
der ersten Resultate
waren Tausende, vor allem junge
Menschen auf die Plaza de la Victoria
in der Hauptstadt Nicaraguas,
Managua, geströmt. Nach
Bekanntgabe der ersten Ergebnisse
feierten sie das, was nach einem
Erdrutschsieg der Sandinisten
aussieht. Dabei hatten Meinungsumfragen
ihnen noch vor
wenigen Tagen nur einen Wahlsieg
zweiter Klasse vorhergesagt.
Weniger als 50 Prozent der Stimmen
prognostizierten die Institute
für Daniel Ortega. Auch 40 Prozent
hätten zwar nach nicaraguanischem
Wahlrecht für einen Sieg im
ersten Wahlgang gereicht, unumstritten
wäre der alte und neue
Präsident damit allerdings nicht
gewesen. Nun deutet alles auf einen
haushohen Sieg hin. Laut offiziellem
Zwischenergebnis vom
Montagmittag nach Auszählung
von einem Drittel der Wahlbezirke
kam Ortega auf 64 Prozent der
Stimmen – wenn denn alles mit
rechten Dingen zugegangen ist.
Die Wahlbeobachter der EU
und der Organisation Amerikanischer
Staaten (OAS) sprachen von
einer Wahl, die weitgehend ohne
Zwischenfälle verlief. Luis Yañez,
Chef der EU-Mission, stellte Ruhe
und eine hohe Wahlbeteiligung
fest. Doch der Wahlprozess sei
auch von »Intransparenzen und
Fallstricken« geprägt gewesen.
Kritik äußerte auch der OAS-Missionsleiter,
der Argentinier Dante
Caputo. Bei einem Fünftel der aufgesuchten
Wahllokale sei der Mission
der Zugang verwehrt worden.
Die OAS habe zwar keine Unregelmäßigkeiten
feststellen können,
ihre Arbeit sei jedoch erheblich
behindert worden.
Lokale Organisationen wie
Ethik und Transparenz (EyT) und
das Institut für die Demokratie
charakterisierten die Wahlen dagegen
als »weder fair noch glaubwürdig
«. In 20 Prozent der kontrollierten
Wahllokale seien keine
Mitglieder der Oppositionsallianz
PLI-UNE des konservativ-liberalen
Kandidaten Fabio Gadea im
Wahlvorstand vertreten gewesen.
Auf ganz Nicaragua hochgerechnet,
stünden daher eine halbe Million
Stimmen unter Manipulationsverdacht,
erklärte Roberto A.
Courtney von EyT.
Am Abend vor der Wahl, die
von rund 13 000 Polizisten gesichert
wurde, war es im Norden des
Landes zu Ausschreitungen gekommen,
da die Wahlzettel verspätet
eintrafen. Zudem kursierten
Meldungen, dass die PLI-UNE eine
Wahl Ortegas nicht anerkennen
würde.
Die Opposition hatte Ortega im
Wahlkampf Populismus gegenüber
den Armen und Anbiederung gegenüber
dem Unternehmertum
vorgeworfen. Nun ist zu konstatieren,
dass die Sandinistische Nationale
Befreiungsfront (FSLN) ihren
Zuspruch in jüngeren und ärmeren
Bevölkerungsteilen ausgebaut
hat und die wirtschaftliche
Entwicklung der vergangenen
Jahre günstig für die Regierung
verlief. Dagegen hatten die liberalen
Oppositionsparteien offenbar
wenig Überzeugendes zu bieten.
Bei den Parlamentswahlen
zeichnen sich ähnliche Ergebnisse
wie bei der Präsidentschaftswahl
ab. Auf über 60 Prozent könnte die
FSLN kommen und damit erstmals
die Mehrheit im Parlament erlangen.
Die PLI käme auf 26 Prozent,
die Liberal-Konservative Partei des
ehemaligen Präsidenten Arnoldo
Alemán nur auf sieben Prozent der
Sitze.
Nach der nicaraguanischen
Verfassung hätte Ortega nicht zu
diesen Wahlen antreten dürfen,
weil er bereits zwei Amtszeiten in
Folge regiert hat. Das von den
Sandinisten kontrollierte Verfassungsgericht
hatte ihm aber die
neuerliche Kandidatur erlaubt.
Sollten sich die Ergebnisse bestätigen
und die internationalen
Wahlbeobachter in ihrem Abschlussbericht
keine massiven
Unregelmäßigkeiten feststellen,
dürfte Daniel Ortega dieses überwältigende
Wahlergebnis auch als
Abstimmung über die Rechtmäßigkeit
seiner Kandidatur empfinden.
Mit einer deutlichen Parlamentsmehrheit
im Rücken wird
die Macht Ortegas und der FSLN
nun so groß sein wie noch nie seit
dem Ende der ersten sandinistischen
Ära im Jahr 1990.
*** Aus: neues deutschland, 8. November 2011
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