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Feldzug gegen Boko Haram

Im nigerianischen Bürgerkrieg sind neben Soldaten aus vier Nachbarländern auch weiße Söldner aus Südafrika im Einsatz

Von Knut Mellenthin *

Die Internationalisierung des Bürgerkriegs in Nigeria macht rasche Fortschritte. Neben Soldaten aus den Nachbarländern sind am Kampf gegen die Islamisten von Boko Haram seit einigen Wochen auch Söldner aus Südafrika und angeblich weiteren Staaten beteiligt. Darunter sollen auch Profis aus der ehemaligen Sowjetunion sein. Konkret wird über ukrainische Hubschrauberpiloten berichtet.

Den Einsatz der Südafrikaner gaben nigerianische Regierungssprecher erstmals in der vorigen Woche zu. Es soll sich nach offiziellen Angaben um einige hundert Männer handeln, die ausschließlich als Ausbilder und technische Experten tätig seien. Viele Augenzeugen und Insider berichten jedoch über Kampfeinsätze weißer Söldner mit Panzerfahrzeugen und hochklassiger militärischer Ausrüstung. Sie sollen auf Nachtaktionen spezialisiert sein.

Im Schutz der Dunkelheit spielen sie ihren technischen Vorsprung gegenüber den Milizionären von »Boko Haram« aus und stürmen von diesen besetzte Ortschaften. Am nächsten Morgen rollen dann in Pressebegleitung triumphierende nigerianische Einheiten in die »befreiten Gebiete« ein. Außerdem fliegen angeblich südafrikanische Piloten Luftangriffe mit schwer bewaffneten Kampfflugzeugen, sogenannten Gunships.

Weiße südafrikanische Söldner etablierten ihren Ruf als Bluthunde in der Zeit des Rassistenregimes. Unter anderem bekämpften sie in den 1970er und 1980er Jahren an der Seite einheimischer prowestlicher Kräfte die linksgerichteten nationalen Befreiungsbewegungen in Angola und Mosambik. 1995 griffen sie auch in den Bürgerkrieg im westafrikanischen Sierra Leone ein. Die südafrikanische Regierung hat es 1998 ihren Bürgern verboten, sich im Ausland als Söldner zu verdingen. Wer gegen dieses Gesetz verstoße, müsse bei seiner Rückkehr mit einer Verhaftung rechnen, heißt es aus Pretoria.

Nach Angaben der nigerianischen Regierung sind es hauptsächlich zwei Söldnerfirmen, die momentan im Land aktiv sind. Darunter sollen nach gut informierten südafrikanischen Quellen auch frühere leitende Mitarbeiter des berüchtigten Unternehmens Executive Outcomes sein. Offiziell wurde dieses im Dezember 1998 aufgelöst, existiert aber Berichten zufolge in anderen Formen weiter.

Ende Januar beschloss die Afrikanische Union, die Dachorganisation der Staaten des Kontinents, die Aufstellung einer regionalen Einsatztruppe gegen Boko Haram. Ihr sollen Einheiten aus Nigeria, dem Tschad, Niger, Kamerun und Benin angehören. Die angestrebte Gesamtstärke liegt bei 8.700 Mann. Wie viele gegenwärtig schon im Einsatz sind, ist nicht eindeutig zu ermitteln. Vermutlich sind es fünf Bataillone, je eines aus den beteiligten Ländern, mit zusammen rund 3.300 Mann.

Unklar ist auch, wie viele Soldaten dieser Taskforce, die als gemeinsame Truppe nur in der Theorie besteht, wirklich auf nigerianischem Gebiet operieren. Konkret berichtet wurde über offensive Einsätze von Spezialkommandos aus dem Tschad. Sie gelten aufgrund eines jahrzehntelangen Bürgerkriegs im eigenen Land als besonders erfahren und qualifiziert.

Frankreich, das zur Zeit den Vorsitz im UN-Sicherheitsrat führt, strebt einen Beschluss über die Entsendung einer UN-Truppe nach Nigeria an. Geplant ist eine Personalstärke von 10.000 Mann, die hauptsächlich aus den Staaten der Region kommen sollen. Damit könnten internationale Finanzmittel in zwei- bis dreistelliger Millionenhöhe eingeworben werden.

In den vergangenen Wochen hat es zahlreiche militärische Erfolgsmeldungen der nigerianischen Streitkräfte gegeben. Hunderte von bewaffneten Islamisten sollen getötet, zahlreiche Dörfer und Kleinstädte zurückerobert worden sein. Hintergrund ist, dass – nach einer Verschiebung um sechs Wochen – am 28. März Parlamentswahlen stattfinden sollen. Die nigerianische Regierung hat angekündigt, dass bis zu diesem Termin alle Stützpunkte und Militärlager von Boko Haram »vernichtet« sein sollen.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 17. März 2015


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