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Angebot mit Fragezeichen

Nigeria: Waffenruhe-Offerte der radikalislamischen Sekte Boko Haram

Von Thomas Berger *

Was ist dran am Gesprächsangebot von der islamistischen Gruppierung Boko Haram? Über diese Frage wird seit einigen Tagen sowohl in Nigeria als auch seitens der internationalen Medienöffentlichkeit spekuliert. Ein Mann, der sich als stellvertretender Oberkommandierender der Organisation ausgab, die für zahllose Terroranschläge in dem westafrikanischen Land verantwortlich gemacht wird, hatte per Telefonkonferenz gegenüber einheimischen Journalisten am vergangenen Donnerstag verkündet, man sei unter bestimmten Bedingungen zu einem Waffenstillstand mit der Regierung in Abuja bereit. An oberster Stelle steht dabei den Meldungen zufolge die Freilassung inhaftierter Mitglieder.

Die bisher bekanntgewordenen Informationen sind allerdings mit großen Fragezeichen gespickt. Ob der Informant, der sich als Abu Mohammed Ibn Abdelasis vorstellte, tatsächlich zum obersten Führungsgremium der Gruppierung gehört, ist bislang weder erwiesen noch widerlegt. In seinem Statement forderte er neben der Freilassung der Gesinnungsgenossen auch Kompensationszahlungen des Staates und den Wiederaufbau zerstörter Kultstätten der einer besonders strengen Auslegung des Islam frönenden Sekte sowie den Rücktritt eines bestimmten Gouverneurs.

Die Regierung von Präsident Goodluck Jonathan verhält sich bisher eher zurückhaltend, hat aber grundsätzliche Gesprächsbereitschaft signalisiert. Die meisten Spekulationen ranken sich jedoch um eine weitere Forderung des angeblichen Vizechefs von Boko Haram. Dieser hatte mehrere Namen von Persönlichkeiten ins Spiel gebracht, die aus Sicht der Gruppe als Vermittler in Aktion treten sollten.

Zmindest einer davon ist auch im Ausland bestens bekannt: Es handelt sich um Muhammadu Buhari, 1983 bis 1985 nach einem von ihm angeführten Militärputsch Staatsoberhaupt und bei den demokratischen Wahlen seit 1999 regelmäßig Präsidentschaftskandidat – zunächst der All Nigeria’s People’s Party (ANPP), zuletzt 2011 gegen Amtsinhaber Goodluck Jonathan durch den von ihm selbst mitgegründeten Partei Congress for Progressive Change (CPC). Jonathan siegte zwar, Buhari konnte mit 12,2 Millionen Stimmen aber rund ein Drittel der Wähler hinter sich bringen. Schon immer galt der Exgeneral als stockkonservativ und Verfechter eines orthodoxen Islam, vor allem gegen jegliche Emanzipation der Frauen gerichtet. Wenn er jetzt vermutlich von Boko Haram als Wunschkandidat für ein Vermittlerteam benannt wurde, ist das für etliche seiner Kritiker ein Beweis, daß er der radikalen Gruppierung nahesteht. Manche spekulieren sogar, er selbst sei der heimliche Anführer der Sekte.

Dieser werden seit 2009 diverse terroristische Anschläge, darunter im vergangenen Jahr auf das nationale Hauptquartier der Polizei und das UN-Gebäude in der Hauptstadt Abuja, zur Last gelegt – ebenso wie Überfälle auf Kirchen und politisch bedingte Morde. In den drei Jahren sollen mindestens 1400 Menschen umgekommen sein. Obwohl in mehreren nördlichen Bundesstaaten des bevölkerungsreichsten afrikanischen Landes schon die Scharia gilt, fordern die Extremisten eine noch stärkere Islamisierung.

Die Hoffnung auf baldige Verhandlungen dürfte sich jedoch nicht erfüllen. Denn kaum 24 Stunden nach dem Gesprächsangebot ereignete sich erneut ein Terroranschlag, zu dem sich Boko Haram zwar nicht bekannte, der aber dennoch mit diesem Akteur in Verbindung gebracht wurde. Mehrere Männer erschossen in Maiduguri in dessen Haus einen bekannten Exgeneral, der einst zur Militärführung gehörte. Eben in dieser 1,2 Millionen Einwohner zählenden Metropole des Nordostens, Hauptstadt des besonders stark vom Konflikt gezeichneten Staates Borno, hatte zuvor Abdelasis sein Angebot einer Waffenruhe unterbreitet.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 07. November 2012


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