"Die Regierung bricht immer wieder ihre Zusagen"
Die Maori in Neuseeland kämpfen nach wie vor für ihre Rechte. Einiges hat sich schon verbessert. Gespräch mit Rangimoana Taylor
Rangimoana Taylor ist Maori und Kaumatua (Gruppenältester) der QuartettTheatre Company.
Sie sind mit Ihrer Theatergruppe zur Zeit auf Tournee durch Europa. In
dem Stück »Mo and Jess kill Susie« thematisieren Sie gewaltsame
Auseinandersetzungen zwischen Maori und der neuseeländischen Polizei.
Haben sich tatsächlich solche Ereignisse in jüngerer Vergangenheit
zugetragen?
Ja. In den 70er Jahren haben die Maori begonnen, gegen den an ihnen
begangenen Landraub aufzubegehren, gegen die Diskriminierung und
Unterdrückung ihrer Kultur. 1975 gab es eine erste Massendemonstration
mit 20000 Teilnehmern, was für Neuseeland sehr viel ist. Weitere
Demonstrationen folgten. Die Proteste fanden ihren Höhepunkt 1981
anläßlich des Besuchs einer Rugbymannschaft aus dem damaligen
Rassistenstaat Südafrika.
Viele weiße Neuseeländer haben sich damals mit den Maori solidarisiert;
es gab Straßenschlachten mit zahlreichen Verletzten und Verhafteten.
Viele Maori-Polizisten quittierten daraufhin den Dienst, weil sie die
eigenen Leute nicht zusammenschlagen und einsperren wollten. Wir haben
damals damit gedroht, uns an die UN zu wenden, daraufhin hat die
Regierung eingelenkt.
Sie ging also auf Ihre Volksgruppe zu?
Seitdem redet sie von Integration - tatsächlich will sie uns aber
assimilieren. Es gibt auch heute noch Übergriffe und Versuche, uns
einzuschüchtern. Zum Beispiel vor drei Jahren, als von der Polizei unter
Berufung auf die Antiterrorgesetze eine Welle der Repression gegen alle
politisch aktiven Maoris der Tuhoe-Nation losgetreten wurde. Es gab
viele Hausdurchsuchungen - gefunden wurden aber nur Jagdwaffen. Diese
Repression hatte dann wieder heftige Proteste zur Folge.
Die Maori haben sich schon im 19. Jahrhundert gegen die Landnahme durch
Europäer heftig zur Wehr gesetzt. Wie leben sie heute?
Bis vor 30 Jahren war die Situation schlimm. Es galt ein Vertrag, der
1840 zwischen den Maori-Stämmen und der britischen Kolonialmacht
geschlossen wurde. Der ist aber von den Briten und der neuseeländischen
Regierung nie eingehalten worden. Offiziell hatten wir zwar dieselben
Rechte wie die weißen Neuseeländer, aber keine Chancengleichheit. Das
Schulsystem und die Ausbildung waren schlecht. Wir wurden überall
benachteiligt. Es war unerwünscht, daß wir unsere Sprache sprachen;
Kinder wurden in der Schule geschlagen, wenn sie es taten. Der
Gemeinbesitz der Stämme wurde zwangsweise in Privatbesitz umgewandelt.
Das hat viele Maori erbittert, es gab Proteste.
Hat sich daraufhin etwas geändert?
Vieles. Mitte der 90er Jahre entschuldigte sich die englische Queen für
das begangene Unrecht und die kulturelle Unterdrückung. Das Schulsystem
wurde geändert - wir haben inzwischen eigene Lehrer, Rechtsanwälte,
Ingenieure. Bei Entwicklungsprojekten auf der Südinsel werden bevorzugt
Maori eingestellt. Es wurden uns zahlreiche Ländereien, Wälder und
Fischrechte zurückgegeben. Die sind jetzt wieder im Gemeinbesitz der
Maori-Stämme. Die Wiedergutmachung umfaßt aber nur einen winzigen Teil
dessen, was uns genommen wurde. Wir wollen unser Land zurück. Land ist
für uns keine Immobilie, keine Ware, sondern die Grundlage unseres
Lebens. Und es gibt natürlich noch immer heftige soziale Probleme; unser
durchschnittlicher Lebensstandard ist deutlich niedriger als der der
weißen Neuseeländer. Die Regierung bricht immer wieder bereits gemachte
Zusagen. Wir kämpfen weiter.
Welche politischen Organisationen gibt es bei den Maori? Haben sie eine
Stimme im neuseeländischen Parlament?
Die meisten Maori sind in den traditionellen Stammesstrukturen verankert
und werden von den Stammesführern vertreten. Viele junge Leute,
besonders Studenten, haben aber eigene politische Gruppen gebildet oder
sind in politische Parteien der weißen Neuseeländer eingetreten. Es gibt
auch eine Maori-Partei, die im neuseeländischen Parlament vertreten ist.
Es existiert ein Gesetz, das den Maori mindestens 15 Abgeordnetensitze
im Parlament zusichert. Diese Abgeordneten gehören verschiedenen
Parteien an, sind sich bei Maori-Belangen aber immer einig. Ein großes
Vertrauen in Politiker haben die meisten Maori aber nicht.
Interview: Gerd Bedszent
* Aus: junge Welt, 26. Oktober 2010
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