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Historische Entscheidung in Neuseeland

Parlament beschließt Gesetz zur Ehe gleichgeschlechtlicher Paare

Von Thomas Berger *

Es war ein wahrhaft historischer Augenblick: Mit überwältigender Mehrheit von 77 zu 44 Stimmen hat Neuseelands Parlament in dritter und abschließender Lesung am Mittwoch abend den Weg für die Ehe gleichgeschlechtlicher Paare freigemacht. Weltweit gehört das Land damit nun zu einem Klub von 13 Staaten, die sich von dieser formellen Diskriminierung freigemacht haben. Im asiatisch-pazifischen Raum ist das Land sogar Vorreiter.

Der Kampf war alles andere als leicht. Der erste Schritt war die Aufhebung des bis dahin bestehenden Verbots homosexueller Beziehungen vor 27 Jahren. Einige Jahre später wurde gleichgeschlechtlichen Paaren immerhin eine eingetragene Lebenspartnerschaft zugestanden. Die volle Gleichberechtigung hat Louisa Wall, eine offen lesbische Abgeordnete der oppositionellen Labour Party, angestoßen. Über die Parteigrenzen hinweg fand sie viele Mitstreiter für ihr Anliegen. Aus den eigenen sozialdemokratischen Reihen gab es bei der Abstimmung am Mittwoch lediglich drei Nein-Stimmen, und selbst von den Abgeordneten der regierenden konservativen Nationalpartei stimmte die Hälfte mit Ja. »Es ist einfach Zeit«, leitete der Grüne Kevin Hague seinen Debattenbeitrag ein. Seit drei Jahrzehnten kämpft er für Schwulenrechte.

»Dieser Wandel wird überaus positiv für Neuseeland sein«, sagte auch Nikki Kaye von der Nationalpartei. »121 Parlamentarier haben am heutigen Abend die Macht, mit ihrem Votum allen Neuseeländern gleichermaßen die Freiheit zu geben, den Menschen zu heiraten, den sie lieben.« Selbst John Banks von der konservativen ACT-Partei, dem in der Vergangenheit immer wieder homophobe Tendenzen nachgesagt wurden, stellte sich in seinem Redebeitrag klar hinter den Gesetzentwurf. Er sehe nicht, daß mit der Reform die Religionsfreiheit oder die persönlichen Freiheiten anderer Einwohner in irgendeiner Weise angetastet würden. Von den Vertretern des Nein-Lagers, die in der letzten Debatte noch einmal das Wort ergriffen, kritisierte Winston Peters, Chef der New Zealand First, daß man die Frage mit Hilfe eines Referendums beantworten hätte müssen.

Das neue Gesetz, das im August in Kraft tritt, erlaubt homosexuellen wie Transgenderpaaren eine reguläre Hochzeit – bei freier Entscheidung, ob die Heiratenden sich als Braut, Bräutigam oder Partner bezeichnen. Beide erhalten das volle Sorgerecht für adoptierte Kinder. Auch aus dem Ausland kam viel Lob für die neue Regelung. Eine der ersten Prominenten, die den Neuseeländern per Twitter-Meldung zu dieser Entscheidung gratulierte, war Chelsea Clinton, die Tochter des früheren US-Präsidenten. Schauspielerin Melanie Lynskey, bekannt aus »Two and a Half Men«, ließ verlauten, daß sie angesichts des Gesetzes stolz sei, Neuseeländerin zu sein. Schon bei der Abstimmung im Parlament hatte es Jubel von der vollbesetzten Zuschauertribüne gegeben. Landesweit feierten Lesben, Schwule und Transsexuelle, darunter bekennende homosexuelle Fernsehmoderatoren, Musiker und Schauspieler samt ihren Partnern. »Daran werden sich noch unsere Kinder und Enkel erinnern«, zitierte die Tageszeitung New Zea­land Herald einen Studenten zu diesem »historischen Tag«. Viele äußerten die Hoffnung, daß die Gesetzesnovelle auch als Vorbild für das benachbarte Australien dienen könnte. Dort ist die Debatte zu einem ähnlichen Vorstoß weitaus zugespitzter und noch starker Widerstand konservativer Kreise vorhanden.

* Aus: junge Welt, Samstag, 20. April 2013


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