Nepals "Träume" erneut geplatzt
Vorerst keine neue Verfassung/ Premier sieht als Option nur Wahlen
Von Hilmar König *
Nepal beging am Montag seinen Nationalfeiertag.
Am 28. Mai 2008 hatte
die gerade gewählte, als Volksvertretung
fungierende verfassunggebende
Versammlung (CA) offiziell das Ende
der Monarchie erklärt und die Republik
proklamiert.
Der diesjährige Tag der Republik
in Nepal stand jedoch unter keinem
guten Stern: Der neue Verfassungstext
liegt nicht vor und
Premier Baburam Bhattarai
musste Neuwahlen für den
22. November verkünden. Ungewissheit
beherrscht die politische
Landschaft.
Die Parteien des Landes treffen
Absprachen. Und halten sich nicht
daran. Sie machen Versprechungen.
Und halten sie nicht ein. Sie
verbünden sich. Und trennen sich
über Nacht wieder. Vier Jahre
zerrten und zankten sie sich, eine
neue Verfassung zu Papier zu
bringen. Viermal musste deshalb
die Legislaturperiode der CA verlängert
werden, bis im November
vorigen Jahres der höchste Gerichtshof
ein Machtwort sprach
und eine nochmalige Ausdehnung
der Frist nach dem 27. Mai 2012
ausschloss. Bis dahin sollte der
Verfassungsentwurf endgültig
vorliegen.
Zwischenzeitlich sah es so aus,
als ob die vier politischen Hauptparteien
– die Vereinte KP Nepals
(Maoistisch), die KPN (Vereinte
Marxisten und Leninisten), der
bürgerliche Nepali Congress und
die Allianz der Madhesi-Parteien –
unter dem Zeitdruck schließlich zu
Stuhle kommen würden. Doch der
Schein trog. In ein paar Punkten
gab es zwar Kompromisse, aber
an der Struktur des künftigen
Bundesstaates scheiterte das Verfassungsprojekt.
Maoisten und Madhesis wollten
mindestens zehn klar definierte
Provinzen. Die anderen beiden
Parteien stimmten einer föderalen
Struktur jedoch nur im Prinzip zu,
ohne sich festzulegen. Derweil demonstrierte
die Bevölkerung bis
zum Sonntag für die pünktliche
Fertigstellung des Grundgesetzes.
Aber auch der Druck der Straße
verpuffte wirkungslos.
Um Mitternacht vom Sonntag
zu Montag lief die Frist für die
Vorlage des Verfassungstextes ab.
Die Politiker erzielten keine Einigung.
So blieb dem Regierungschef
nur noch, die Auflösung der
CA bekannt zu geben und Neuwahlen
für den 22. November anzusetzen.
Bhattarai erklärte am Montag
in einer Botschaft zum Nationalfeiertag:
»Wir haben keine andere
Option, als vor das Volk zu treten
und eine neue Versammlung zu
wählen, um die Verfassung zu
vollenden.« Vor Journalisten
machte er später Kräfte des alten
Regimes und jene, die am Status
quo festhalten wollen, für das
Scheitern verantwortlich. Sie hätten
das Bemühen um eine fortschrittliche
Verfassung nicht unterstützt.
Staatspräsident Ram Baran
Yadav betonte in seiner Grußbotschaft:
»Unsere Träume, ein
prosperierendes, friedliches und
demokratisches Nepal aufzubauen,
sind erneut geplatzt.« Das Volk
solle dennoch die Gefühle von
Brüderlichkeit und gegenseitigem
gutem Willen bewahren.
Bei den politischen Opponenten,
die teilweise noch vorige Woche
mit in der ersten Regierung der
nationalen Einheit saßen, stieß
Bhattarais Entscheidung auf Ablehnung.
Diese sei »verfassungswidrig
« und ohnehin sei die Legitimität
des Premiers Sonntagnacht
abgelaufen. Er und seine Partei
KPN(Maoistisch) hätten die Bevölkerung
nur hingehalten und sich
nicht ernsthaft für ein neues
Grundgesetz engagiert. Als Alternative
forderten sie vom Staatschef,
eine andere Regierung der
nationalen Einheit zu bilden.
* Aus: neues deutschland, Dienstag, 29. Mai 2012
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