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Nepals Opposition fordert Rücktritt des Premiers

Das Attentat im Süden des Landes heizt den Streit um den Verfassungsentwurf an

Von Hilmar König *

In Nepal wurden vier Menschen getötet und 28 verletzt, als am Vorabend des 1. Mai in der südöstlichen Stadt Janakpur ein Sprengsatz detonierte. Aus dem Anschlag versucht die Opposition umgehend politisches Kapital zu schlagen.

Nach dem Bombenanschlag im Süden des Landes äußerte der Chef der KP Nepals (Vereinte Marxisten und Leninisten), Jhala Nath Khanal: »Die gegenwärtige Regierung ist nicht in der Lage, die Sicherheit der Bürger zu gewährleisten. Premier Baburam Bhattarai sollte sofort zurücktreten.« Er müsse den Weg freimachen für eine Regierung der nationalen Einheit.

Die bürgerliche Partei Nepali Congress und die Marxisten/Leninisten hatten schon Tage vor den blutigen Ereignissen in Janakpur den Rücktritt des Regierungschefs verlangt und mit einem Misstrauensvotum im provisorischen Parlament gedroht, in dem die Maoisten die stärkste Fraktion bilden. Bhattarai trage die Schuld daran, dass mit immer größerer Wahrscheinlichkeit die Ausarbeitung des Verfassungsentwurfs bis zum 28. Mai nicht vollendet sein wird. Der Höchste Gerichtshof Nepals legte diesen Termin im vorigen Jahr fest. Wird er nicht eingehalten, müssten die Auflösung des provisorischen Parlaments und Neuwahlen erfolgen.

Die gegenwärtige Regierung besteht aus einer Koalition der Vereinten KPN (maoistisch) und der Vereinten Demokratischen Madhesi Allianz. Der Premier bot der Opposition wiederholt an, seiner Regierung beizutreten und so eine Regierung der nationalen Einheit zu bilden. Mit den Rücktrittsforderungen, so eine Stellungnahme aus dem Büro des Regierungschefs, würden Nepali Congress und die Marxisten/Leninisten die Arbeit am Verfassungstext untergraben und »ein ungesundes Machtspiel treiben«. Bhattarai betonte, er sei nicht gegen eine Einheitsregierung. Doch er habe das Recht, dieser vorzustehen.

Pushpa Kamal Dahal Prachanda, der Vorsitzende der Vereinten KPN, und Premier Baburam Bhattarai behaupten immer wieder, der 28. Mai bleibe das Datum, an dem der Verfassungsentwurf vorliegen werde. Doch seit ein paar Tagen werden Stimmen laut, man müsse diesen Termin um etwa anderthalb Monate verschieben. Giriraj Mani Pokhrel, einer der maoistischen Führer, meinte sogar, man brauche noch mindestens sechs Monate für den kompletten Text.

Ex-Premier Madhav Kumar Nepal ist der Ansicht, es reiche, bis zum Stichtag einen ersten Entwurf der Verfassung auf den Tisch zu legen. Dieser würde Grundwerte wie Republikanismus, Föderalismus, Säkularismus, Demokratie und Teilhabe des Volkes beinhalten. Den »Rest« könne man bis Mitte Juli nachschieben. Bei diesem Rest handelt es sich aber gerade um die harten Nüsse, die bislang nicht geknackt werden konnten: die kontrovers debattierte Form des Regierungssystems (parlamentarisches oder präsidiales System), die Struktur des Föderalismus samt Bildung von Provinzen. Es wird spannend, ob und wie es den Politikern gelingt, den Stichtag und das Urteil des Höchsten Gerichts auf einen Nenner zu bringen.

Der Protest in Janakpur und der Anschlag vom Montag haben gezeigt, dass es sich dabei nicht um einen akademischen Streit handelt, sondern diese Fragen tief in der Gesellschaft verwurzelt sind.

* Aus: neues deutschland, Donnerstag, 3. Mai 2012


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