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Ultimatum bis Freitag

Nepals Maoisten kündigen dritte Phase ihrer Protestkampagne an

Von Hilmar König, Neu-Delhi *

Am Donnerstag und Freitag voriger Woche zeigten Nepals Maoisten mit beeindruckenden Massendemonstrationen in Kath­mandu, über welchen Anhang sie in der Bevölkerung verfügen. Am Samstag begann der Vorsitzende der Vereinigten KP Nepals (Maoistisch), Pushpa Kamal Dahal Prachanda, politische Konsultationen. Erster Gesprächspartner war der Chef der Arbeiter- und Bauernpartei Nepals, Narayanman Bijukche. Es solle, so verlautete am Rande, ein Ausweg aus der tiefen politischen Krise gefunden werden. Die Partei mobilisierte zwei Tage lang Zehntausende Menschen, die den Regierungssitz im Zentrum der Hauptstadt blockierten. Die Aktivisten forderten »zivile Oberhoheit« und die Bildung einer Regierung der nationalen Einheit unter Führung der maoistischen Partei. Diese verfügt über die bei weitem größte Fraktion im Verfassungskonvent.

Prachanda hat der aus 22 Parteien bestehenden Koalitionsregierung unter Premier Madhav Kumar Nepal, in der die KPN (Vereinte Marxisten und Leninisten) und der bürgerliche Nepali Congress den Ton angeben, ein Ultimatum bis kommenden Freitag gestellt. Ist bis dahin kein politischer Konsens über die Bildung einer Einheitsregierung gefunden und keine klare Entscheidung zur Sicherung der »zivilen Oberhoheit« gefallen, so werden die Maoisten die dritte Phase ihrer Protestkampagne starten. Sie kündigten dafür verschärfte Aktionen an und schlossen die Bildung einer »parallelen Regierung« nicht aus.

Die gegenwärtig Regierung funktioniere per Fernsteuerung - Prachanda meint damit: aus Neu-Delhi - und könne den Friedensprozeß nicht steuern. Die Maoisten seien bereit, ihren Parlamentsboykott zu beenden, wenn die anderen Parteien eine Debatte über eine Entscheidung des Staatspräsidenten Ram Baran Yadav gestatten. Dieser hatte sich über eine Verfügung der damaligen maoistischen Regierung hinweggesetzt, den inzwischen pensionierten Armeechef Rukmangad Katawal zu entlassen. Das habe die zivile Oberhoheit des Staates unterminiert, sei verfassungswidrig gewesen und könne nicht toleriert werden.

Jhala Nath Khanal, der Vorsitzende d«er KPN (VML), kehrte am Wochenende von einem Aufenthalt in Indien zurück und erklärte, Neu-Delhi wünsche sich politische Stabilität in Nepal und Konsens zwischen allen politischen Parteien. Die Marxisten/Leninisten werden als einzige linke Partei Nepals an dem dreitägigen 11. Treffen der Kommunistischen und Arbeiterparteien teilnehmen, das am 20. November in der indischen Hauptstadt beginnt. Es wird erwartet, daß sie den Teilnehmern aus über 50 Ländern die gegenwärtige komplizierte Situation in Nepal eingehend erläutern. Die Maoisten hingegen sind nicht Mitglied dieses Forums und wurden deshalb auch nicht eingeladen. Daß im Verlaufe der nächsten fünf Tage die politische Krise in der Himalaja-Republik beigelegt werden kann, scheint ziemlich zweifelhaft. Wahrscheinlicher ist die dritte Phase der maoistischen Protestkampagne.

* Aus: junge Welt, 16. November 2009


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