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Nepal wartet auf neue Regierung

Präsident Ram Baran Yadav plädiert für einen nationalen Konsens

Von Hilmar König, Delhi *

Nepals Präsident Ram Baran Yadav hat die Parteien aufgefordert, bis Sonnabend eine »Regierung des nationalen Konsenses« zu bilden. Doch alle Anzeichen deuten darauf hin, dass dieser Termin nicht eingehalten wird.

Zunächst ist unklar, ob der angestrebte Konsens, die Vereinte KPN (Maoistisch) als stärkste im Verfassungskonvent vertretene Partei – rund 40 Prozent der 601 Abgeordnetensitze – einschließt. Die oppositionelle Partei Nepali Congress (NC) hat bereits offen für eine Regierung ohne Maoisten plädiert, weil diese »ihr Recht zu regieren verwirkt« hätten. Der noch amtierende Premier Pushpa Kamal Dahal Prachanda, zugleich Chef der maoistischen Partei, ließ hingegen auf einer Pressekonferenz keinen Zweifel daran, dass die nächste Regierung wieder von den Maoisten geführt wird. Den gleichen Anspruch erhebt aber auch die KPN (Vereinte Marxisten und Leninisten). Sie präsentiert ihren früheren Generalsekretär Madhav Kumar Nepal schon als Chef der zu bildenden Koalitionsregierung und beansprucht in dieser die dominierende Rolle. Der NC signalisierte, einer solchen Konstellation zuzustimmen.

Die drei Madhesi-Parteien wiederum treten für eine »Regierung des nationalen Konsenses« ein, die vor allem auf die Bedürfnisse der Bevölkerung in der südlichen und östlichen Terai-Region eingeht. Traditionell zieht sich der Machtkampf in Nepal über Wochen hin. Erinnert sei, dass es drei Monate brauchte, bis die Maoisten trotz ihres überwältigenden Wahlsieges im April vorigen Jahres eine Koalitionsregierung bilden konnten.

Fakt ist, dass Nepal von einer politischen Krise in die nächste stolpert. Karin Landgren, die Chefin der UNO-Mission in Nepal, sieht die im Friedensprozess erzielten Fortschritte gefährdet. »Die nächsten Schlüsselaufgaben – sich um die Zukunft des maoistischen Militärpersonals zu kümmern und die neue Verfassung auszuarbeiten – werden ohne ein größeres Maß an politischer Zusammenarbeit und ohne eine gemeinsame Vision extrem schwierig zu bewältigen sein«, erklärte sie.

Zu den Errungenschaften, die auf dem Spiel stehen, gehören das Friedensabkommen vom November 2006, die Abschaffung der Monarchie und die ziemlich friedvolle Etablierung einer Republik, die Wahl einer verfassunggebenden Versammlung, die Wahl eines Präsidenten und Vizepräsidenten der Republik, die Bildung einer Regierung im Ergebnis freier und fairer Wahlen, die konstitutionellen Voraussetzungen für eine Bundesstruktur sowie die Einigung aller politischen Kräfte auf die Ausarbeitung einer neuen Verfassung. Das alles sind Elemente des Friedensprozesses, den Premier Prachanda unter allen Umständen fortsetzen will.

Die jetzige politische Krise brach am vorigen Sonntag aus, als Prachandas Regierung ohne Zustimmung der Koalitionspartner Armeechef General Rukmangat Katawal entließ, diese Entscheidung vom Staatspräsidenten nicht akzeptiert wurde, die Koalitionspartner die Regierung verließen und Premier Prachanda seinen Rücktritt verkündete. General Katawal widersetzt sich der Integration der einstigen Kämpfer der maoistischen Guerilla in die Armee und hat bislang auch die im Friedensabkommen verlangten Umstrukturierungen und demokratischen Reformen in den Streitkräften nicht in Angriff genommen. Diese Haltung wird vom Nepali Congress unterstützt, obwohl Katawal offen die zivile staatliche Gewalt herausfordert. Das Höchste Gericht Nepals hat Unterlagen aus dem Armeehauptquartier angefordert, die sich auf das Alter des Generals beziehen, der eigentlich in drei Monaten «pensionsreif« ist. Angeblich hat er Dokumente fälschen lassen, um länger im Amt bleiben zu können..

Nepals elektronische Medien haben ihren Teil zur Zuspitzung der Lage beigetragen, indem sie in dieser Woche ein 16 Monate altes Video ausstrahlten, das Kommandeur Prachanda im Kreise der Guerilla zeigt. Er berichtet, dass er die Zahl seiner Truppe, tatsächlich nur 7000 bis 8000 Mann, manipuliert und künstlich aufgestockt habe. Sie sollten sich auf die «ultimative Revolte« vorbereiten. Selbst wenn es nur einem kleinen Teil der »politisch bewussten Kämpfer« gelinge, in die Armee aufgenommen zu werden, würde das ausreichen, diese unter Kontrolle zu bringen.

Am Mittwoch (6. Mai) gab der Premier in einer Erklärung zu, auf diesem Treffen gesprochen zu haben. Allerdings sei das ja unter ganz anderen politischen Verhältnissen gewesen. Dass man dieses Video jetzt ausgegraben habe, sei ein «reaktionäres Manöver, um vom verfassungswidrigen Vorgehen des Präsidenten Ram Baran Yadav abzulenken und den Friedensprozess zu torpedieren«. Die Maoisten fordern, dass das Staatsoberhaupt seine Entscheidung revidiert, an Katawal festzuhalten.

* Aus: Neues Deutschland, 8. Mai 2009


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