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Vor "weichem Putsch"

Nepal: Armeechef verwarf im letzten Augenblick detaillierten Umsturzplan

Von Hilmar König, Neu-Delhi *

Nepal stand laut einheimischen Presseberichten Mitte der Woche dicht vor einem »weichen Putsch« des Militärs. Die Tageszeitung Kathmandu Post veröffentlichte am Freitag einen Bericht über ein Treffen von 25 Generälen, die am Donnerstag im Armeehauptquartier die aktuelle Lage beraten hatten. Das Meeting war von Armeechef General Rukmangad Katawal einberufen worden, um Maßnahmen gegen die »Einmischung der Regierung in Angelegenheiten des Militärs« zu debattieren. »Wir sehen uns einem Tsunami gegenüber, den wir stoppen müssen«, lautete angeblich der Tenor der Debatte.

Die linke Koalitionsregierung will General Katawals Rücktritt, weil er mehrmals Weisungen des Verteidigungsministers ignoriert hat. Beispielsweise rekrutierte er über 3000 Mann neues Personal, obwohl das Problem der Integration von 19 000 ehemaligen maoistischen Kämpfern noch ungelöst ist. Auch die Aufforderung, acht Generäle in Pension zu schicken, wurde nicht befolgt. Premier Pushpa Kamal Dahal Prachanda von der KP Nepals (Maoistisch) hatte am vergangenen Sonntag den Armeechef zum Rücktritt aufgefordert. Einen Tag später verlangte die Regierung von dem General ein aufklärendes Schreiben. Das gab er am Dienstag: Er habe sich bei allen Anweisungen strikt an die gültige Verfassung gehalten und würde auch weiterhin den Weisungen der Regierung folgen.

Bei dem Treffen der Generäle am Donnerstag in Kathmandu, so die Zeitung nach Informationen eines namentlich nicht genannten Teilnehmers an der Debatte, habe man einen »Plan für einen weichen Staatsstreich, keinen Militärputsch« beraten. Demnach wären alle Minister und politischen Führer festgenommen, der ehemalige König unter Hausarrest genommen und die Parteibüros abgeriegelt worden. Die Armee hätte die von UNO-Friedenssoldaten bewachten Lager, in denen einstige maoistische Kämpfer kaserniert sind, besetzt und die dort stationierten Waffencontainer unter Kontrolle genommen. Die UNO-Wächter wären nach Kathmandu ausgeflogen worden. General Katawal soll das Vorhaben mit der Bemerkung, das sei nicht der richtige Weg, im letzten Moment verworfen haben. Zum Präsidenten Nepals, Ram Baran Yadav von der Kongreßpartei, hätte die Armee unter Vermittlung Indiens jedoch bereits einen Kontakt hergestellt. Offenbar sollte das Staatsoberhaupt vorübergehend die Regierungsgeschäfte übernehmen.

Angeblich hatte die Regierung vor, Generalleutnant Kul Bahadur Khadka, den Stellvertreter Katawals, zum Armeechef zu ernennen. Kadhka habe, so erklärte der Informant der Zeitung, den Maoisten bereits vor Monaten einen Plan unterbreitet, demzufolge alle 19000 maoistschen Exrebellen in die Streitkräfte übernommen, der einstige Rebellenkommandeur Nanda Kishor Pun zum Generalmajor befördert und die Hälfte der Armee für Entwicklungsprojekte eingesetzt werden würden. In jedem Fall sei Ziel gewesen, General Katawal kaltzustellen.

Die Drohung des »weichen Putsches«, die wahrscheinlich aus Kreisen des Präsidenten zur Koalitionsregierung gelangte, sorgte für Aufregung unter den Politikern. Der Vorsitzende der KP Nepals (Vereinte Marxisten und Leninisten), Jhala Nath Khanal, brach seinen China-Besuch ab und erklärte bei seiner Rückkehr am Donnerstag, Priorität müsse haben, den Friedensprozeß zu sichern und nicht in Angelegenheiten der Armee hineinzupfuschen. Der Chef der parlamentarischen Verfassungskommission Madhav Kumar Nepal bewertete die Kontroverse als Schwächung der Demokratie.

Premier Prachanda lud Botschafter aus acht Ländern, darunter China und Japan, Großbritannien, Indien und die USA, zu einem Gespräch. In dem erklärte er, der Regierung gehe es lediglich darum, »die zivile Hoheit zu sichern«. Und zu so einer wichtigen Entscheidung wolle man natürlich den Konsens aller politischen Parteien. Vor Parteiarbeitern äußerte er, man wolle auf friedliche Art und Weise die neue Verfassung ausarbeiten. Doch nun müsse man sich gegen Reaktionäre und ausländische Drahtzieher wehren, die eine Verschwörung gegen den Friedensprozeß angezettelt hätten. »Jetzt müssen wir Vorbereitungen wie auf einen Volkskrieg treffen«, sagte der Regierungschef.

* Aus: junge Welt, 25. April 2009


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