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Im politischen Tal

Nepals Maoisten haben die ersten autonomen Bundesstaaten proklamiert. Premier Nepal sieht noch mehr "politische Konfrontation"

Von Hilmar König, Neu-Delhi *

Die Himalaja-Republik befindet sich seit Monaten in einem tiefen politischen Tal. Die oppositionelle Vereinte KP Nepals (Maoistisch) boykottiert den Verfassungskonvent (Parlament) und intensivierte im Dezember eine Protestkampagne mit Massenkundgebungen und Demonstrationen, Streiks und Straßenblockaden. Sie will so die Gewährleistung »ziviler Oberhoheit« und die Bildung einer von ihr geführten Regierung der nationalen Einheit. Im Rahmen dieses Programms kündigte sie im November die Ausrufung von 13 autonomen Bundesstaaten an. Am Dienstag (15. Dez.) wurden bereits der siebente und achte Staat proklamiert.

Nach Einschätzung des indischen Nachrichtenmagazins Outlook sind dies Schritte zur Etablierung einer parallelen Regierung, wie Parteichef Pushpa Kamal Dahal Prachanda es im Herbst in Aussicht gestellt hatte, wenn die politische Krise nicht gelöst wird. Die Maoisten haben für die autonomen Bundesstaaten »Koordinatoren« nominiert. Das deutet darauf hin, daß sie die Proklamation durchaus nicht als symbolischen Verwaltungsakt betrachten. Die aus 22 politischen Parteien bestehende Regierungskoalition, deren Kern die KPN (Vereinte Marxisten und Leninisten) und der bürgerliche Nepali Congress bilden, haben die Staatenproklamation scharf verurteilt. Premier Madhav Kumar Nepal, der sich zum Klimagipfel in Kopenhagen aufhält, sagte vor seiner Abreise, diese Entscheidung der Maoisten schaffe noch mehr »politische Konfrontation«. Sie verletze die Interimsverfassung, das Friedensabkommen von 2006, die Prinzipien des Verfassungskonvents und rücke die Ausarbeitung einer neuen Konstitution, die eigentlich im Mai 2010 vorliegen soll, in noch weitere Ferne.

Eine Einigung ist nicht in Sicht. Am Dienstag (15. Dez.) sollten sich Spitzenvertreter der drei Hauptparteien treffen, um einen »Konsensentwurf« zu verabschieden. Das Meeting wurde kurzfristig abgesagt, weil die Standpunkte zur Zeit unvereinbar seien. Es geht um eine Resolution im Parlament, in der Staatspräsident Ram Baran Yadav gerügt werden soll, weil er die Entscheidung der damaligen maoistischen Regierung zur Entlassung des widerspenstigen Armeechefs nicht absegnete. Zunächst bezeichneten die Maoisten die Haltung des Präsidenten als verfassungswidrig, weil damit die »zivile Oberhoheit« des Staates aufs Spiel gesetzt werde. Diese Einschätzung teilen die Regierungsparteien jedoch nicht. Inzwischen würde sich die VKPN (M) wohl auch mit der Formulierung, es habe sich um einen »fehlerhaften« Schritt des Staatsoberhauptes gehandelt, einverstanden erklären.

Da dieses Tauziehen anhält, scheinen die Maoisten in verschiedenen Bereichen Nägel mit Köpfen zu machen. Die Neustrukturierung der Bundesstaaten ist eine solche Maßnahme. Eine andere bezieht sich auf Landverteilung. Die Zeitung Kantipur berichtete, landesweit seien mehrere hundert Hektar Ackerland von maoistischen Aktivisten besetzt und mit roten Parteifahnen markiert worden. Der Boden, der überwiegend Mitgliedern des Nepali Congress und anderer Parteien gehört, soll an landlose Arme verteilt werden. Auch wenn noch niemand von einer Bodenreform spricht, könnten diese Aktivitäten der Grundstein dafür sein.

Während die von den Maoisten initiierte Kampagne für nächste Woche einen dreitägigen Streik vorsieht, buhlen die Nachbarn Indien und China um die Gunst der Himalaja-Republik. Vor allem als Markt für Rüstungsgüter scheint sie ihnen interessant. Der neue nepalesische Armeechef Chhatra Mansingh Gurung wurde bei seinem Besuch in Neu-Delhi zum »Ehrengeneral« der indischen Streitkräfte gekürt. Vor kurzem hatte Indien die Wiederaufnahme der 2005 unterbrochenen Waffenlieferungen und der Militärkooperation beschlossen. Gleichzeitig hält sich in Kathmandu eine chinesische Militärdelegation auf, die als Geschenk Waffen- und militärische Ausbildungshilfe in Höhe von rund zwei Millionen Euro mitbrachte.

* Aus: junge Welt, 17. Dezember 2009


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