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Nächste harte Nuss in Nepal

Maoisten wollen Regierungsbildung nur unter bestimmten Bedingungen in Angriff nehmen

Von Hilmar König, Delhi *

Nepals Politiker haben nach der Präsidentenwahl, aus der vergangene Woche Ram Baran Yadav von der Nepalischen Kongresspartei (NC) als Sieger hervorging, die nächste harte Nuss zu knacken: die Bildung einer Regierung.

Am vergangenen Mittwoch (23. Juli) waren Präsident Ram Baran Yadav und Vizepräsident Paramananda Jha vom Madhesi Janadhikar Forum (MJF) vereidigt worden. Tags darauf wurde der Vorsitzende der verfassunggebenden Versammlung gewählt. Ohne Gegenstimme übernahm Subas Nemwang von der KPN (Vereinte Marxisten und Leninisten) dieses Amt. Die in der Woche zuvor hastig zusammengebastelte Allianz aus Kongresspartei (NC), Vereinigten Marxisten und Leninisten (VML) und Madhesi Janadhikar Forum (MJF) hatte damit ihr erstes Ziel erreicht, den Maoisten alle diese Ämter vorzuenthalten. Begeistert von diesem Coup, möchten sie auch künftig das politische Geschehen diktieren.

Auf diese Entwicklung reagierte die KPN (Maoistisch) zunächst wie erwartet: Verärgert lehnte sie jede Initiative zur Regierungsbildung ab, obwohl sie als stärkste Fraktion im Verfassungskonvent dazu berechtigt ist. Nach einer ZK-Tagung hieß es Mitte der Woche: »Wir wollen eine Rolle als konstruktive Opposition spielen und aktiv an der Erarbeitung einer Verfassung mitwirken.« Parteichef Pushpa Kamal Dahal Prachanda erklärte, die Präsidentenwahl habe gezeigt, dass die Drei-Parteien-Allianz über eine Mehrheit verfügt. Deshalb fühlten sich die Maoisten moralisch nicht berechtigt, die Verantwortung zur Regierungsbildung zu übernehmen. Diese Entscheidung sei jedoch nicht absolut und könnte korrigiert werden, falls die »unheilige Allianz« zerbricht. Zuvor hatte Prachanda die Vermutung geäußert, hinter dem Pakt steckten »ausländische reaktionäre Kräfte«, die die Nation in schwere innere Konflikte stürzen könnten. »Indische Spione und Agenten«, so deutete er die Richtung seiner Vermutungen an, hätten sich in alle nepalischen Parteien eingeschlichen. Prachanda appellierte an alle kommunistischen und republikanischen Kräfte und an alle ethnischen Gruppen Nepals, gemeinsam die nationale Souveränität und Integrität zu schützen.

Der erste Groll der KPN (M) war jedoch schnell verflogen. Die Parteiführung nahm Konsultationen mit Vertretern aller anderen 24 im Verfassungskonvent vertretenen politischen Parteien auf. Die angestrebte Stoßrichtung skizzierte Prachanda nach den Treffen vor den Medien. Er stellte drei Bedingungen für die Übernahme der Verantwortung für die Regierungsbildung: Die NC-VML-MJF-Allianz müsse aufgelöst werden. Ein gemeinsames Minimalprogramm sei zu formulieren, das wesentliche Elemente des Manifests der KPN (M) enthält. Und man müsse garantieren, dass keine Seite versucht, während der zweijährigen Frist, die für die Ausarbeitung der Verfassung vorgesehen ist, die Regierung zu stürzen. Bei NC und VML kam er damit nicht an, doch etliche Chefs anderer Parteien baten um Bedenkzeit und bestanden zugleich darauf, die Maoisten sollten in jedem Fall die Führung bei der Bildung einer Einheitsregierung übernehmen.

Zu den ersten Amtshandlungen des neuen Staatsoberhaupts gehörte unterdessen die Entgegennahme des Rücktrittsgesuchs von Girija Prasad Koirala (NC), dem bisherigen Regierungschef. Präsident Ram Baran Yadav, der seine Heimat in der südlichen, nach Autonomie strebenden Terai-Region hat, erklärte in einer ersten Stellungnahme, er wolle die Hoffnungen des Volkes erfüllen, für einen politischen Stil des Konsenses sorgen, zur Wahrung von rassischer und religiöser Harmonie beitragen sowie Einheit und Souveränität Nepals fördern. In seiner Funktion als Oberbefehlshaber der Streitkräfte empfing Yadav auch Armeechef Rukmangud Katwal, der ihm versicherte, das Militär stehe voll hinter dem demokratischen System.

* Aus: Neues Deutschland, 28. Juli 2008


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