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Ein kleiner Lichtblick

Nepal: Minderjährige Exguerilleros der Maoisten werden aus Lagern entlassen. Doch die Arbeit an der Verfassung ist ins Stocken geraten

Von Hilmar König, Neu-Delhi *

Ban Ki Moon, UN-Generalsekretär, hat seine Besorgnis über die aktuelle politische Krise in Nepal ausgedrückt. Bei Schlüsselelementen des Friedensprozesses -- zum Beispiel der Integration und Rehabilitation ehemaliger maoistischer Guerilleros oder die Ausarbeitung einer neuen Verfassung -- gebe es nach seiner Einschätzung keine Fortschritte. Moon will deshalb die UN-Mission für Nepal (UNMIN) um weitere sechs Monate verlängern, um zu assistieren, die »verlangsamten Prozesse« wieder anzuschieben. Die Krise war verschärft worden, als der maoistische Regierungschef Pushpa Kamal Dahal Prachanda Anfang Mai das Handtuch warf und Madhav Kumar Nepal von der KPN (Vereinte Marxisten und Leninisten) Premier wurde.

Frist nicht zu halten

Moons Besorgnis wird von den meisten nepalischen Politikern geteilt. Sie glauben, daß die Frist, bis Mai nächsten Jahres die neue Verfassung vorzulegen, nicht mehr eingehalten werden kann. Die Arbeit der verschiedenen Kommissionen, die die Vorschläge und Entwürfe der politischen Parteien für eine neue Konstitution prüfen und auf einen Nenner zu bringen versuchen, kommt nur schleppend voran. Sieben von elf Themengruppen haben ihre Papiere noch nicht einmal unterbreitet. Und das höchste Gremium, das Konstitutionelle Komitee, ist seit Mai ohne Vorsitzenden. Nachdem Madhav Kumar Nepal die Regierungsgeschäfte übernommen hatte, konnte man sich auf keinen neuen Komiteechef einigen.

Trotzdem gab sich der Premier Anfang Juli bei einem Treffen mit der UNMIN-Repräsentantin Karin Lindgren optimistisch, im Verlaufe von sechs Monaten den Friedensprozeß zu »einem logischen Abschluß« bringen zu können. Zu diesem Zeitpunkt war angeblich die »Bitterkeit zwischen den politischen Parteien« überwunden worden. Inzwischen erweist sich diese Bewertung als Fehleinschätzung.

Sowohl die bürgerliche Partei Nepali Congress (NC) als auch die Kommunistische Partei (VML) geben der KP Nepal (maoistisch) die Hauptschuld daran, daß deren einstige Guerilla noch immer in den von der UNO überwachten Lagern leben müssen. VML-Führer Sharma Oli äußerte, die Maoisten seien gegenwärtig nicht ernsthaft an der Lösung dieses Problems interessiert. Daß sie wieder Regierungsverantwortung übernehmen, hält Oli für ausgeschlossen.

Streit um Integration

Ram Chandra Poudel, der NC-Fraktionschef im Verfassungskonvent (Parlament), meint, eine neue Verfassung könnte es erst geben, wenn die Integration und Rehabilitation der kasernierten ehemaligen »Volksbefreiungskämpfer« abgeschlossen ist. Mit dieser Auffassung steht er im Widerspruch zu seinem eigenen Parteichef und Expremier Girija Prasad Koirala. Der befürwortet lediglich eine soziale Rehabilitation, aber keineswegs eine »totale Integration« der ehemaligen Guerilla in die nationalen Streitkräfte.

Bemerkenswert ist, daß trotzdem einer kleiner Fortschritt zu verzeichnen ist. Am Freitag voriger Woche begann die Entlassung »disqualifizierter maoistischer Kämpfer« aus einigen Lagern. Im sogenannten Verifizierungsprozeß hatte die UNMIN etwa 4000 Maoisten, darunter fast 3000 seit 2007 kasernierte Minderjährige, ausgegliedert. Sie werden Schritt für Schritt in die Zivilgesellschaft entlassen.

Wie die Nachrichtenagentur Nepalnews berichtete, erhalten sie die »Freiheit, über ihre Zukunft zu entscheiden«. Sie bekommen die Möglichkeit für eine Berufsausbildung, um sich eine Existenzgrundlage schaffen zu können. Zunächst werden die »Disqualifizierten« für 45 Tage in »Transitheimen« untergebracht. In dieser Zeit sollen sie in Lehrgängen eine ihren Interessen entsprechende Ausbildung erhalten. Immerhin ein Lichtblick in der ansonsten tristen politischen Landschaft Nepals.

* Aus: junge Welt, 23. Juli 2009


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