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Königs Hoffnung

Autonomiebewegung in Nepals Süden setzt Interimsregierung unter Druck. Streiks und Blockaden angekündigt

Von Hilmar König, Neu-Delhi *

Das Projekt eines »Neuen Nepal« steht zunehmend unter Druck. Zwar soll am 10. April eine verfassunggebende Versammlung gewählt werden, die den Weg aus der Monarchie, hin zu demokratisch-parlamentarischen Verhältnissen öffnen würde; allerdings spitzt sich die Konfrontation zwischen dem antiköniglichen Lager, das die Interimsregierung in Kathmandu stellt, und verschiedenen ethnisch geprägten, zum Teil rechten Kreise in Indien nahestehenden Gruppierungen in der Südregion Terai weiter zu. Am vergangenen Wochenende formierten drei politische Parteien des Terai – das Madhesi People’s Rights Forum, die Terai-Madhes Democratic Party und die Sadbhawna Party – eine Allianz. Diese nennt sich »Vereinte Madhesi Demokratische Front« (UMDF).

»Unser Endkampf«

Auf dem Gründungsmeeting wurde ein Katalog mit sechs Forderungen angenommen. Verlangt wird ein autonomer Madhes-Staat, das Recht auf Selbstbestimmung, die Annullierung des bestehenden Wahlgesetzes und eine proportionale Vertretung der Terai-Bevölkerung, Frauen und Dalits (Unberührbare) in allen staatlichen Organen. Außerdem sollen alle während der Madhesi-Bewegung im vorigen Jahr ums Leben Gekommenen offiziell zu »Märtyrern« erklärt werden.

Die Autonomiebestrebungen des Südens treffen Nepal zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt: Noch ist die Monarchie nicht besiegt. König Guyendra arbeitet an seinem Comeback und wird dabei vor allem von reaktionären Kreisen in den USA und Indien gestützt. Die Regierungskoalition aus sieben Parteien in Kathmandu beteuert zwar, sie verhandele mit den Madhesi und werde ihre Forderungen erfüllen. Doch zu einer Einigung kam es bislang nicht – und konnte es wohl auch nicht kommen, da es Meinungsverschiedenheiten gibt, wie weit Zugeständnisse an die Madhesi gehen können. Sprecher der UMDF erklärten nun, wenn ihre Forderungen nicht akzeptiert werden, nehme die Terai-Bevölkerung nicht an den Wahlen am 10. April teil.

Zugleich laufen seitens der Madhesi Vorbereitungen, aktiven Widerstand zu leisten. Ab dem morgigen Mittwoch sollen alle Schulen, Fabriken, Geschäfte und Transportunternehmen der Region für vier Tage schließen. Und für den 17. Februar ist eine Blockade aller Straßenübergänge nach Indien sowie aller Zufahrtswege nach Kathmandu geplant. »Das ist unser Endkampf. Wir wollen gewährleisten, daß die Madhesi nicht nochmals für ihre Rechte streiten müssen.« Das sagte Rajendra Mahato von der Sadhbavna Party. In den vergangenen Wochen waren im Terai auf mehrere Wahlmeetings der Sieben-Parteien-Allianz Sprengstoffanschläge verübt worden, bei denen es Tote und Verletzte gab. Insgesamt kamen im Verlauf des Madhesi-Aufstands seit Frühjahr 2006 etwa 200 Menschen ums Leben.

Allianz USA–Indien?

Die Madhesi machen etwa ein Drittel der 28 Millionen Nepaler aus, sehen sich jedoch unterrepräsentiert in der staatlichen Verwaltung, im Parlament und in der Armee. Diese Tatsache wollen sie nicht länger hinnehmen. Die Lösung der Madhesi-Probleme wird inzwischen als entscheidend dafür betrachtet, ob die Wahlen überhaupt am 10. April stattfinden können. Auf die auch ethnisch begründete Kontroverse richtet König Gyanendra alle seine Hoffnungen, politisch doch noch zu überleben. Vorige Woche sagte er gegenüber einer japanischen Zeitung, die Mehrheit der Nepaler wünsche eine Fortsetzung der Monarchie in dieser oder jener Form. Aber einige Führer –gemeint waren vor allem die der KP Nepals (Maoisten) – würden sich den kulturellen, sozialen und traditionellen Werten des Volkes widersetzen. »Das ist keine Demokratie«, behauptete er. Unterdessen warnte Pushpa Kamal Dahal alias Prachanda, der maoistische Parteichef, am Samstag vor einer »ausländischen Verschwörung«, die Wahlen zu verhindern. Die USA und Indien hätten das vor. Es bestünden Pläne, eine mögliche Allianz der kommunistischen Kräfte in Nepal zu torpedieren.

* Aus: junge Welt, 12. Februar 2008


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