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König zieht Wahlfarce durch

Trotz Generalstreik und militärischer Offensive der maoistischen Guerilla: Nepals Monarch ruft zum Urnengang auf kommunaler Ebene

Von Hilmar König, Neu-Delhi*

Unbeeindruckt von den Angriffen der maoistischen Rebellen, vom Boykott der Allianz politischer Parteien und vom Generalstreik hat das Rajparishad, Nepals königliches Beratergremium, die Bürger aufgefordert, sich an den Gemeinde- und Stadtratswahlen am heutigen Mittwoch zu beteiligen. Diese seien ein Beitrag zur »Konsolidierung der Demokratie«.

Die Aufständischen lehnen die Wahlen als Farce ab, weil der seit etwas mehr als einem Jahr diktatorisch regierende Herrscher damit nur beabsichtige, sich ein demokratisches Mäntelchen umzuhängen und sein Regime zu legitimieren. Sie intensivierten folglich in den vergangenen Tagen ihre Überfälle auf Polizeiposten, Armeecamps und Regierungseinrichtungen. Sieben Angehörige der Sicherheitskräfte kamen allein bei zwei Angriffen in der Nacht zum Dienstag ums Leben, mindestens 15 wurden verletzt.

Der Aufruf zum Streik, der am Sonntag begann und eine Woche dauert, kam von der KP Nepals (Maoistisch). In der Hauptstadt, in Pokhara, Nepalganj, Biratnagar und Birganj sind Läden, Märkte, Schulen, Betriebe und viele Büros geschlossen. Patrouillierende Soldaten und Polizisten dominieren die Szene. Auf Straßen und Highways verkehren nur vereinzelt Fahrzeuge, obwohl die Regierung allein in Kathmandu über 500 Busse, Taxis und Lastwagen requiriert und die Fahrer zum Dienst verpflichtet hatte. Bereits am 26. Januar hatte die aus sieben politischen Parteien bestehende Allianz für Demokratie einen landesweiten Streik organisiert.

Mit Ausständen und militärischen Aktionen wollen Guerilla und Parteienallianz ihrem Wahlboykott Nachdruck verleihen. »Wir haben unsere Kader angewiesen, in allen Wahlkreisen vor den Lokalen Protestmeetings und Sitzstreiks abzuhalten sowie Broschüren und Flugblätter zu verteilen, um die Wahlen zu torpedieren. Sie sind ein Schauspiel der königlichen Regierung, um ihre autoritäre Herrschaft zu legitimieren«, erklärte Krishna Sitaula vom Nepali Congress, der stärksten Partei. K. P. Sharma Oli, ein Führer der KP Nepals (Vereinte Marxisten und Leninisten), begründete die Ablehnung des Votums damit, daß das Klima dafür völlig ungeeignet sei. Es existierten kein Parlament und keine dem Volk verantwortliche Regierung.

Der Konflikt zwischen dem Monarchen sowie der Parteienallianz und den mit ihr verbündeten Maoisten ist tiefgreifend. König Gyanendra herrscht mit despotischen Methoden, darunter Ausgangssperren, Versammlungsverbote, Medienzensur, Inhaftierungen von Politikern, Journalisten, Gewerkschafts- und Studentenführern, Verschleppen und Foltern von Menschenrechtsaktivisten, Hausarreste sowie Bevormundung der Gerichtsbarkeit. Und er ließ die viermonatige, einseitige Waffenruhe der Guerilla ohne konstruktive Reaktion verstreichen.

Königstreue Beobachter nennen die Wahlen, die erstmals wieder nach sieben Jahren stattfinden, einen »kleinen, symbolischen Schritt in Richtung Demokratie«. Die Beteiligung wird wegen des Boykottaufrufs und der physischen Präsenz der Rebellen in weiten Gebieten des Landes voraussichtlich jedoch gering ausfallen. Überhaupt kann wegen der Sicherheitslage in nur 43 der 75 Distrikte gewählt werden. Höchstens für die Hälfte der insgesamt etwas mehr als 4 100 Sitze in den Gemeinde- und Stadträten fanden sich Kandidaten. Viele zogen ihre Bewerbung zurück, flüchteten über die offene Grenze nach Indien oder ließen sich in von Soldaten bewachten »Sicherheitscamps« internieren. Die in der Allianz zusammenarbeitenden Parteien hatten bei den letzten Wahlen 80 Prozent der Sitze gewonnen.

* Aus: junge Welt, 8. Februar 2006


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