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Nepals Rebellen drohen mit Blockade

Der königliche Diktator präsentiert sich als Heilsbringer einer "neuen Ära" und will doch nur seine Allmacht verewigen

Von Hilmar König, Neu Delhi

Auch wenn der dreitägige in der vergangenen Woche von den maoistischen Rebellen ausgerufene Generalstreik gegen das diktatorische Regime des Königs zumindest in der Hauptstadt Kathmandu weitgehend ignoriert wurde, droht die Guerilla nun erneut mit einer landesweiten Blockade. Macht König Gyanendra, seit dem Putsch vom 1. Februar als »Premierminister« die alleinige Exekutivgewalt im Land, seinen demokratiefeindlichen Kurs nicht rückgängig, dann will die KP Nepals (Maoistisch) dafür sorgen, daß ab 13. Februar auf unbestimmte Zeit der Verkehr lahmgelegt wird und die Produktion zum Stillstand kommt.

Ausnahmezustand verhängt

Politische Parteien sind verboten, ihre Führer befinden sich unter Hausarrest oder im Gefängnis, ebenso die Gewerkschaftsaktivisten. In den Redaktionen von Zeitungen sowie Radio- und Fernsehstationen wachen Offiziere darüber, daß keine politischen Nachrichten, sondern nur reine Unterhaltung gesendet wird. Dieser Zustand soll, wie der Ausnahmezustand, sechs Monate anhalten. Gar drei Jahre hat der Herrscher vorgesehen, um die Maoisten in den Griff zu bekommen und die politischen Strukturen so zu verändern, daß seine Macht unter dem Mäntelchen eines kraftlosen Mehrparteiensystems unantastbar wird. Parlamentswahlen, die eigentlich in diesem Frühjahr stattfinden sollten, sind auf den Sanktnimmerleinstag verschoben.

Rebellen im Aufwind

Unter diesen Verhältnissen glaubt König Gyanendra, die Guerilla an den Verhandlungstisch holen zu können. Die hingegen sieht eine einmalige Chance, der »mittelalterlich feudalen Autokratie« den Garaus zu machen. Sie kann den Herrscher jetzt direkt attackieren, da der »Schutzgürtel« der wankelmütigen und teilweise mit der Monarchie kollaborierenden politischen Parteien nicht mehr besteht. Guerillachef Prachanda verurteilte in einer in Indien veröffentlichten Erklärung scharf die vom Regime in Kathmandu ausgeübte »Unterdrückung im Nazi-Stil«. Es stimmt zwar, daß Prachanda in der Vergangenheit am liebsten mit dem König direkt verhandelt hätte. Doch das war unter ganz anderen politischen Umständen.

Was kann Prachanda jetzt von dem Diktator erwarten? Würde jener der von weiten Kreisen im Volk unterstützten Forderung nach Einberufung einer verfassungsgebenden Versammlung, die den Weg zu einer neuen Konstitution ebnet, nachkommen? In dieser Verfassung wäre für die Monarchie, wenn überhaupt noch, nur eine symbolische Rolle vorgesehen.

Armee will durchgreifen

Des Königs Kurs zielt jedoch genau aufs Gegenteil: Absolute Herrschaft, wie sie vor der demokratischen Volksbewegung von 1990 bestand. Von Anfang an bekundete Gyanendra seinen Unwillen über die 1990 ausgearbeitete demokratische Verfassung. Und sein »weicher« Putsch von 2002, in dem er das Parlament suspendierte und eine Marionettenregierung nach der anderen etablierte, deutete schon an, in welche Richtung seine Überlegungen gehen. Auch das jetzige Gerede, Priorität seiner Politik sei, den Friedensdialog mit der Guerilla zu beleben, ist nichts als Augenwischerei.

Die Armeeführung ließ die Katze bereits aus dem Sack, als sie erklärte, nun im »totalen« Krieg gegen die Rebellen die Hände frei zu haben und keine Rücksicht mehr auf Friedensdemonstrationen (die ja ohnehin verboten sind) nehmen zu müssen. Außenminister Pandey hegt keinen Zweifel, daß erst der maoistische Aufstand gestoppt werden muß, ehe Demokratie (à la Gyanendra) eine Chance bekommt. Und Bildungsminister Mainali glaubt, wenn die Maoisten nicht zum Dialog kommen, »haben wir eine andere Wahl«. Natürlich meint er die militärische, von der Experten glauben, sie würde das Königreich nur noch weiter ins Chaos stürzen, weil die Guerilla inzwischen so sehr in der Bevölkerung verwurzelt ist, daß die gewaltsame Eliminierung der Rebellen ausgeschlossen scheint. Unterdessen warten die Nepalesen ab – und schauen etwas verwundert auf die eilig angeklebten brandneuen Plakate mit dem Konterfei des Monarchen, die den »Beginn von Nepals neuer Ära« verkünden.

* Aus: junge Welt, 7. Februar 2005


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