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Nepals Premier beim "großen Bruder" Indien

Baburam Bhattarai glaubt Zweifel und Verdächtigungen in Delhi zerstreut zu haben

Von Hilmar König *

Baburam Bhattarai, Vizechef der Vereinten KP Nepals (Maoistisch) und seit Ende August Premierminister des Himalajastaates, kehrte von seinem ersten offiziellen Besuch beim »großen Bruder« - dem Nachbarstaat Indien - nicht mit leeren Händen zurück.

Sieht man von Bhattarais Teilnahme an der UNO-Vollversammlung in New York ab, war es die erste Auslandsreise des neuen nepalischen Regierungschefs. Dass die ins benachbarte Indien führte, war nur zu natürlich. Nepal hängt an der Nabelschnur Indiens, dessen Entwicklungshilfe sich auf rund 100 Millionen Dollar jährlich beläuft. Katmandu wickelt 90 Prozent seines Außenhandels mit dem südlichen Nachbarn ab, nur zehn Prozent mit China, dem Nachbarn nördlich des Himalajas. Riesigen indischen Importen stehen bescheidene nepalesische Exporte gegenüber. Dazu kommt der unkontrollierte Schwarzhandel über die lange offene Grenze. Migranten aus Nepal stellen als besonders billige Arbeitskräfte eine ernste Konkurrenz auf dem indischen Arbeitsmarkt dar. Menschenhandel, vor allem mit jungen Mädchen für die Zwangsprostitution in Mumbai, Kolkata und Delhi, vervollständigen das Bild.

Das besondere politische Verhältnis zwischen den Nachbarn beruht auf einem Vertrag aus dem Jahre 1950, der allerdings arg überholungsbedürftig ist. Nahezu alle Amtsvorgänger Bhattarais hatten versucht, mit dem »großen Bruder« ein neues Dokument zu vereinbaren - gelungen ist es keinem. Bhattarai unternahm nun einen neuen Vorstoß und regte die Bildung einer »Gruppe wichtiger Personen« an. Sie sollen Vorschläge zur Überarbeitung oder Anregungen für einen neuen Vertrag unterbreiten. Katmandu wäre ein Partnerschaftsabkommen am liebsten, wie es Delhi in diesem Jahr mit Bangladesch und Afghanistan abschloss.

湄L @湄LBCB湄L ||? Der 57-jährige Bhattarai hatte einst in Delhi studiert und insgesamt zehn Jahre in Indien gelebt. Als er am Sonntag von seinem Besuch nach Katmandu zurückkehrte, hatte er immerhin den Vertrag über einen 250-Millionen-Dollar-Kredit zu günstigen Bedingungen im Gepäck. Der Kredit soll der Finanzierung von Infrastrukturprojekten dienen. Dafür stimmte Bhattarai auch einem Abkommen zur Förderung und zum Schutz von Investitionen zu, an dem Indien starkes Interesse bekundete. Bei Oppositionsparteien in Nepal stieß dieses Abkommen allerdings auf scharfe Kritik. Sie beklagten einen »Ausverkauf nationaler Interessen«. Erst vor einigen Monaten hatten Militante in Nepal die indische Großbaustelle des 900-Megawat-Wasserkraftwerks »Upper Karnali« angegriffen. Bhattarai betonte indes bei einem Treffen mit indischen Geschäftsleuten und Industriellen in Delhi, er nehme den Schutz indischer Investitionen sehr ernst. Zugleich verwies er auf Möglichkeiten für das Auslandskapital in seinem Land: vereinfachte Steuerstrukturen, günstige Handelsbedingungen wegen Nepals Status als gering entwickeltes Land sowie enormer Nachholbedarf in den Bereichen Infrastruktur, Wasserkraft, Tourismus, Nahrungsmittelproduktion, Bergbau, Bildung, Gesundheit und Informationstechnologie. Nepal möchte mit indischer Unterstützung eine Art Autobahn durch die Flachlandregion Terai, einen neuen Flughafen für die Hauptstadt Katmandu und ein Technologieinstitut bauen lassen.

Für einen beträchtlichen Teil der Bevölkerung Nepals ist es eine gute Nachricht, dass ihr Premier auch ein Abkommen über indische Hilfe für das nationale Programm gegen Schilddrüsenerkrankungen schloss, eine Art Volkskrankheit am Himalaja.

Das alles veranlasste Bhattarai dazu, seinen viertägigen Besuch als Erfolg zu bewerten. Er habe, so äußerte er in Delhi vor Journalisten, Vertrauen zwischen beiden Regierungen geschaffen und ein »neues Kapitel« in den Beziehungen aufgeschlagen. In der Vergangenheit habe es Zweifel und Verdächtigungen zwischen den Maoisten und der indischen Regierung gegeben, die sich ungünstig auf die Übergangsphase von der Monarchie zur Republik, auf die Vollendung des Friedensprozesses und die Erarbeitung einer neuen Verfassung ausgewirkt hat. Dieses Misstrauen - meint Bhattarai - sei jetzt beseitigt worden.

* Aus: neues deutschland, 24. Oktober 2011


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