Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Roter Teppich für Bhattarai

Nepals Premier zu Besuch beim "großen Bruder" Indien

Von Hilmar König *

Nepals neuer Premierminister Baburam Bhattarai, der zugleich Vizechef der Vereinten KP Nepals (Maoistisch) ist, traf am Donnerstag (20. Okt.) zu einem viertägigen Staatsbesuch in Indien ein. Bereits im Vorfeld schrieben die Medien in der Hauptstadt Kathmandu diesem Ereignis »große historische Bedeutung« zu. Sie ergibt sich zu einem beträchtlichen Teil aus der geografischen Lage Nepals, das im Norden eine gemeinsame Grenze mit China hat und ansonsten von Indien nahezu »umarmt« wird. Deshalb sind die Beziehungen zum »großen Bruder« lebenswichtig für die Himalaja-Republik. Sie wickelt zwei Drittel ihres Handels mit Indien ab. Der Zugang zu den Weltmeeren läuft über indisches Territorium. Das Import-Export-Verhältnis beträgt 7:1 für Indien. Zudem blüht der Schmuggel über die offene Grenze hinweg.

Die enge Verknüpfung mit Indien, so Bhattarai kurz vor seinem Abflug nach Neu-Delhi, schaffe freilich auch Probleme und »Mißverständnisse«, die sich mit gutem Willen und Vertrauen jedoch abbauen ließen. Das sei die hauptsächliche Mission seiner Reise.

Der Premier, der an indischen Universitäten Politik und Wirtschaft studiert hatte, war bereits im September während der UN-Vollversammlung in New York mit seinem indischen Amtskollegen Manmohan Singh zusammengetroffen. Neu-Delhi leistet Entwicklungshilfe für den viel kleineren Nachbarn in Höhe von etwa 100 Millionen Dollar. Kathmandu erwartet jetzt von dem Besuch Verträge über einen »weichen Kredit« über 250 Millionen Dollar für Infrastrukturprojekte sowie über Investitionen in die Nutzung von Wasserkraft. In Nepal gibt es dafür ein enormes Potential. Bhattarai schwebt vor, das Verhältnis mit Indien zu einem »Modell für alle zwischenstaatlichen Beziehungen in Südasien« umzugestalten.

Vor der UN-Vollversammlung hatte er kürzlich dazu ausgeführt: »Wie können wir nachhaltigen Frieden in der Welt haben, wenn es noch soviel Ungleichheit, Entrechtung und Ausgegrenztsein weltweit gibt? Wir müssen uns der Ursachen annehmen. Wie kann man das jährliche Verpulvern von 1,5 Trilliarden US-Dollar für Kriegsmaterial rechtfertigen, während es über zwei Milliarden Menschen an Lebensnotwendigem wie Nahrung, Medikamenten usw. mangelt?« Die Vereinten Nationen müßten aktiver zur Lösung dieser Probleme und Aufgaben beitragen. Sie sollten nicht nur »Wächter ihrer noblen Prinzipien sein, sondern ihre Versprechen verwirklichen. Sie dürfen nicht lediglich ein Schirm der Großmächte sein.«

Eher mit Skepsis dürfte der »große Bruder«, der ja einen deutlich neoliberalen Kurs steuert, die Vorstellungen des Gastes zur Globalisierung aufnehmen. In New York hatte Bhattarai dazu erklärt: Um das globale Problem der Armut in den Griff zu bekommen, sei ein »neuer Marshall-Plan« erforderlich. Die Kluft zwischen Armen und Reichen werde immer tiefer, die Ungleichheit zwischen den Staaten sei so hoch wie nie zuvor. Vor allem die am geringsten entwickelten Länder (LDC), in denen 75 Prozent der Bevölkerung hungern und in bitterer Armut leben, seien den negativen Auswirkungen der Globalisierung voll ausgesetzt. »Die Inseln der Prosperität mitten im Meer der Armut« würden nicht überleben können.

Die wiederkehrenden Wirtschafts- und Finanzkrisen, Energie- und Nahrungsmittelkrisen sowie die tieferen Strukturkrisen, so schätzte der Premier ein, zwingen zur Schaffung einer neuen, gerechten Weltwirtschaftsordnung. »Der vom Finanzkapital gesteuerte Globalisierungsprozeß zeigt immer mehr seine innewohnenden strukturellen Schwachstellen und seine Inkompatibilität. Wenn die Interessen der Arbeitskraft, der Basisquelle des menschlichen Reichtums, in diesen Prozeß nicht entsprechend integriert werden, könnten wir uns bald mit einer Vielzahl von Unruhen und Aufständen konfrontiert sehen«, warnte er.

* Aus: junge Welt, 21. Oktober 2011


Zurück zur Nepal-Seite

Zur Indien-Seite

Zurück zur Homepage