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Töchter schuften, Söhne lernen

Kinderarbeit in Nepal noch immer Massenphänomen. Mädchen extrem benachteiligt

Von Thomas Berger *

Die gute Nachricht ist, daß in Nepal heute eine Million Kinder weniger als vor zehn Jahren arbeiten müssen. Aber es sind immer noch 1,6 Millionen von 7,7 Millionen Sieben- bis 15jährigen im Land. Zudem sind deutlich mehr Mädchen als Jungs zu teilweise sehr gefährlichen Tätigkeiten gezwungen. Diese Trends hat eine Studie ans Tageslicht gebracht, die kürzlich vorab auszugsweise auf der Informationsplattform des UN-Büros für humanitäre Angelegenheiten, IRINNews, veröffentlicht wurde.

911000 Mädchen landesweit, das ist fast ein Viertel, verrichten demnach Tätigkeiten, die sie nach den Kriterien der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) als Arbeiterinnen einstufen. Bei den Jungen liegt die Quote lediglich bei 17 Prozent. Hinzu kommt, daß Mädchen weitaus häufiger als Gleichaltrige männlichen Geschlechts Arbeiten verrichten, bei denen sie laut Studie »signifikanten physischen und psychologischen Gefahren« ausgesetzt sind– 373000 betroffenen Mädchen stehen 248000 Jungen gegenüber.

Während Familien teilweise große Opfer auf sich nehmen, um die Söhne wenigstens einige Jahre zur Schule zu schicken, gilt es für Töchter in Nepal noch immer als verzichtbar, lesen und schreiben zu können. Sie müssen stattdessen früh zum Familieneinkommen beitragen.

Auch in Nepal anerkannte Kinderrechte werden oft mißachtet. Es fehlt an effektiven Kontrollen und auch am Willen, skrupellose Unternehmer zur Verantwortung zu ziehen. Nicht selten reicht ein kleines Schmiergeld, damit Polizisten und Behörden wegsehen. Aber zumindest die Zahl sklavenähnlicher Arbeitsverhältnisse, in denen Kinder, meist Mädchen, oft Schulden Verwandter abstottern müssen, hat spürbar abgenommen.

Hunderttausende Familien leben aber auch fünf Jahre nach dem Ende des Untergrundkampfes der Maoisten und unter den neuen Rahmenbedingungen einer Republik anstelle der autokratischen Königsherrschaft in großer Armut. Da bleibt vielen nichts anderes, als ihre Kinder teils schon im Alter von fünf Jahren arbeiten zu lassen.

* Aus: junge Welt, 11. März 2011


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