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Störende Sozialauflagen

US-Einzelhandelskonzern Walmart verschärft die Ausbeutung im südlichen Afrika

Von Christian Selz, Port Elizabeth *

Es war ein anschauliches Beispiel für die Doppelzüngigkeit eines globalen Konzerns auf dem Vormarsch nach Afrika, das die US-Einzelhandelskette Walmart am vergangenen Freitag im namibischen Windhuk lieferte. Bis zuletzt hatten die Anwälte des Konzerns versucht, den Obersten Gerichtshof Namibias zur Rücknahme von Sozialauflagen zu bewegen. Das Gericht untermauerte schließlich die Bedingungen und wies sie zur Überprüfung ins Industrie- und Handelsministerium zurück – ein Schritt, gegen den Walmart sich wegen angeblicher Befangenheit des zuständigen Ministers Hage Geingob heftig gewehrt hatte.

Walmart hatte im Mai dieses Jahres 51 Prozent der südafrikanischen Einzelhandelskette Massmart übernommen, die mit Filialen und Tochterunternehmen in insgesamt 15 afrikanischen Ländern vertreten ist, darunter auch Namibia. Nach anfänglicher Kritik auch aus südafrikanischen Regierungskreisen genehmigte das Wettbewerbstribunal in Johannesburg schließlich die Fusion. Die geringen Auflagen – zwei Jahre Kündigungsschutz, auf drei Jahre befristete Anerkennung von Gewerkschaften und eine Investition von umgerechnet zehn Millionen Euro in einen Fonds zur Unterstützung lokaler Zulieferer – hatten Gewerkschafter als »PR-Maßnahme«, »Kapitulation« und »billiges Bestechungsgeld« gebrandmarkt. Nach anhaltenden Protesten strebten schließlich die Minister für Handel und Industrie (Rob Davies), Wirtschaftsentwicklung (Ebrahim Patel) sowie Landwirtschaft und Fischerei (Tina Joemat-Pettersson, alle ANC) zusammen mit der zuständigen Gewerkschaft für die Nahrungsmittelindustrie, SACCAWU, ein gemeinsames Berufungsverfahren auch in Südafrika an. Die Anhörungen fanden Ende Oktober statt, ein Urteil steht noch aus.

Während die Gewerkschaft, wie auch der südafrikanische Gewerkschaftsdachverband COSATU, am liebsten die gesamte Fusion kippen würde, verlangen die klagenden Minister zumindest eine Revision der Auflagen – und letztendlich schärfere Bedingungen für Walmart. Die Befürchtungen liegen auf der Hand. »Walmart zwingt Bauern, Hersteller und Zulieferer zu Preissenkungen, und zerschlägt Konkurrenten mit Kampfpreisen«, so COSATU-Sprecher Patrick Craven. »Das hat bereits etliche kleine und einige große Unternehmen zerstört, und es führt zu schlimmsten Formen der Ausbeutung von Frauen und Kindern in Entwicklungsländern, wo Zulieferer wiederum ihre eigenen Kosten senken müssen, um Profit zu machen.«

Joemat-Pettersson befürchtet zudem eine geringere lokale Nachfrage zugunsten von Billigimporten: »Oliven-Bauern in einigen Landesteilen sind bereits informiert worden, daß sie nicht mehr mit Aufträgen von Makro (einer Massmart-Tochter) rechnen könnten, weil diese billigere Produkte importieren wolle. Wenn das Ausweichen auf Importe nicht reguliert ist, wird es katastrophale Auswirkungen auf die lokalen Bauern und die landwirtschaftliche Verarbeitungsindustrie haben.« Auch Patel befürchtet, daß »Zehntausende Arbeitsplätze in einheimischen Fabriken verlorengehen«, Davies erwartet einen neuerlichen Rückgang der weiterverarbeitenden Industrie im Land und Schließungen von kleinen Unternehmen insbesondere in den Händen ehemals von der Apartheid unterdrückter Bevölkerungsschichten. Walmart weist solche Bedenken stets zurück und kündigt weitreichende Investitionen und neue Arbeitsplätze an.

Was von den Versprechungen zu halten ist, zeigte sich ebenfalls während der Verhandlung am Freitag in Windhuk: Die von der namibischen Wettbewerbskommission angestrebten Auflagen wiesen Walmarts Anwälte als »vage«, »ungesetzlich« und »irrational« zurück. Industrie- und Handelsminister Geingob hat nun vier Monate Zeit, die Bedingungen zu überprüfen, er kann sie aber auch einfach bestätigen.

* Aus: junge Welt, 11. November 2011


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