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"Sam Nujoma hat großen Schaden angerichtet"

Samson Ndeikwila lobt neuen Führungsstil des Präsidenten

Samson Ndeikwila ist eine der Schlüsselfiguren der namibischen Zivilgesellschaft. Der 64-Jährige leitet die Nichtregierungsorganisation »Forum für die Zukunft« (Forum for the Future), die Mitglieder von Gemeindeorganisationen in Schulungskursen über die namibische Verfassung aufklärt und sie zu motivieren versucht, diese Grundrechte auch in Anspruch zu nehmen. Bei einem Besuch in Deutschland sprach er mit Rolf-Henning Hintze.



ND: Wie würden Sie die Stärke der namibischen Zivilgesellschaft nach 17 Jahren der Unabhängigkeit einschätzen?

Samson Ndeikwila: Zivilgesellschaftliche Organisationen leisten gute Arbeit, um die Menschen über vieles aufzuklären, einschließlich der Kontrolle der Regierungsaktivitäten. In den ersten 15 Jahren der Unabhängigkeit hatten es Organisationen der Zivilgesellschaft sehr schwer, weil die politische Atmosphäre ihnen gegenüber ziemlich unfreundlich war. In einigen Gebieten des Landes war es ihnen nicht möglich, frei zu arbeiten.

Welche Landesteile waren das?

Besonders der Norden, das frühere Ovamboland. Dort hat die Regierungspartei das Denken der Menschen sehr stark beeinflusst, indem sie zivilgesellschaftliche Organisationen und Oppositionsparteien schlechtgemacht hat. Die Menschen waren zu verängstigt, um solche Veranstaltungen zu besuchen. Aber seit vor zwei Jahren Präsident Pohamba an die Macht kam, öffnet sich die Gesellschaft, die Zivilgesellschaft arbeitet jetzt im ganzen Land frei. Präsident Pohamba hat es wieder eingeführt, sich mit verschiedensten Teilen der Gesellschaft zu beraten, seien es Kirchenführer, Führer der Opposition oder die Zivilgesellschaft. Er hat einen ganz neuen Führungsstil eingeführt, der auf Harmonie bedacht ist. Die Zivilgesellschaft hat insgesamt eine Menge Bewusstsein in Sachen Demokratie und Menschenrechte geschaffen, viel mehr als die Regierung. Die Kirchen greifen solche Themen nicht auf, aber unsere Organisationen, ob sie sich nun um Entwicklungsaktivitäten, HIV/AIDS oder um den Umweltschutz kümmern, tun viel.

Sind das staatliche Radio und Fernsehen unter Pohamba ebenfalls offener geworden?

Ein wenig, aber nicht ganz. Einige der Redakteure fühlen eine größere Loyalität gegenüber der Regierungspartei, deren Vorsitzender noch immer Nujoma ist, als gegenüber der Verfassung, die einen freien Rundfunk vorsieht. So findet man immer noch eine Menge Vorurteile in den öffentlichen Medien. Aber es gibt große Verbesserungen, und wir hoffen, dass die Öffnung künftig weitergeht.

Wie würden Sie die 17 Jahre der Unabhängigkeit insgesamt bewerten, ist viel erreicht worden oder sind die Menschen eher enttäuscht?

Wenn man über die 17 Jahre der Unabhängigkeit spricht, muss man zuerst über die ersten 15 Jahre unter Sam Nujoma als Präsident sprechen. Diese Zeit war ein Desaster, würde ich sagen. Denn in dieser Zeit hat sich die Korruption ausgebreitet, und die Qualität des Erziehungswesens ist ebenso wie die des Gesundheitswesens stark gesunken. Die Arbeitslosigkeit ist gestiegen. Viele Menschen sind nicht aufgrund ihrer Qualitäten in Führungspositionen berufen worden, sondern aufgrund ihrer Loyalität zur Regierungspartei. Es sind zum großen Teil falsche Leute berufen worden. In den zwei Jahren unter Präsident Pohamba sehen wir einige sehr positive Veränderungen. Er hat sich öffentlich stark gegen Korruption ausgesprochen und eine Antikorruptionskommission berufen, und jeder in Namibia spricht jetzt vom Kampf gegen die Korruption. Pohamba hat auch sehr klar gesagt, dass Menschen aufgrund von Leistungen in öffentliche Ämter berufen werden sollten, und wir sehen, dass das ganz langsam geschieht. In den ersten 15 Jahren der Unabhängigkeit ist wirklich eine Menge Schaden verursacht worden, aber die letzten zwei Jahre geben uns Hoffnung.

Die Korruption hat unter Nujoma offenbar erschreckende Ausmaße angenommen?

Diese Gier, sich zu bereichern, hat gleich nach der Unabhängigkeit begonnen, und nichts wurde dagegen getan. Jahr für Jahr nahm das zu. Wurde entdeckt, dass sich einer an Korruption beteiligte, wurde er lediglich in ein anderes Ministerium versetzt, es gab keine Bestrafung. Aber mit der Schaffung der Kommission gegen die Korruption wird sich die Öffentlichkeit mehr und mehr der Korruption bewusst. Die Bevölkerung reagiert sehr positiv. Die Kommission hat inzwischen Berge von Hinweisen vorliegen und bearbeitet sie. Die Menschen wollen jetzt Ergebnisse sehen, sie warten darauf, wie man mit »großen Fischen« verfährt, doch die Kommission ist noch nicht so lange im Amt, sie bittet um Geduld. Aber es ist neue Hoffnung entstanden, dass öffentliches Eigentum nicht einfach veruntreut werden kann.

* Aus: Neues Deutschland, 29. Mai 2007


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