Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Waterberg 1904

Am 12. Januar vor hundert Jahren erhoben sich die Herero gegen die deutsche Kolonialherrschaft

Im Folgenden dokumentieren wir einen Text, der Anfang des Jahres in der Tageszeitung "junge Welt" erschien.


Von Claus Kristen

Am 12. Januar vor hundert Jahren erhoben sich die Herero gegen die deutsche Kolonialherrschaft. Der Aufstand wurde niedergeschlagen in einem der blutigsten Kolonialkriege der Geschichte, dessen Auswirkungen bis in die Gegenwart reichen.

Ausgerechnet Samuel Maharero, bislang einer der zuverlässigsten Verbündeten unter den Einheimischen, äußert diese haßerfüllten Sätze: "An alle Großleute meines Landes. Ich bin Samuel Maharero, Oberhäuptling der Herero. Ich kämpfe, tötet alle Deutschen. Ich habe einen Befehl an alle meine Leute angefertigt, daß sie nicht weiter ihre Hände legen an folgende: Engländer, Bastards, Bergdamara, Nama, Buren. Alle diese rühren wir nicht an. Tut dies nicht! Ich habe einen Eid geschworen, daß dieser Beschluß nicht bekannt werden darf, auch nicht den Missionaren. Genug!" Und die Herero lassen den Worten Taten folgen. Am 12. Januar 1904 beginnt der Aufstand. In den nächsten Tagen werden 123 Deutsche getötet. Häufig werden deutsche Farmer nichtsahnend herausgerufen, ihnen wird ein "guter Tag" gewünscht und anschließend mit der Keule der Schädel eingeschlagen. Frauen und Kinder werden bis auf wenige Ausnahmen verschont.

"Schutzverträge"

Das Deutsche Reich und Südwestafrika vor 100 Jahren - ein Gegensatz, wie er größer nicht hätte sein können. Südwestafrika ein karges Gebirgsplateau zwischen zwei fast wasserlosen Wüsten mit der Ausdehnung des heutigen Deutschlands und Frankreichs und einer Einwohnerzahl von nicht einmal 250 000 Menschen. Neben seit langem ansässigen Stämmen waren die Nama ("Hottentotten") aus dem Süden, dem Kapland, eingewandert, von burischen Kolonisten getrieben. Sie stießen auf die von Norden kommenden Herero, die von den Portugiesen verdrängt worden waren. Stammeskonflike waren eine nahezu zwangsläufige Folge des europäischen Kolonialismus.

In einem amtlichen "Weißbuch", welches dem deutschen Reichstag 1895 vorgelegt wird, heißt es: "Ein Umstand, der Hottentotten und Herero so hinderlich ist, sich europäischer Kultur einzuordnen, ist ihre ›Staatsverfassung‹. ... nicht allein die Männer, sondern häufig genug auch die Weiber, selbst die Diener geben ihren Rath mit ab. So fühlt sich eigentlich keiner so recht als Untertan, keiner hat so recht gelernt, sich zu fügen."1) Über die Nama berichtet das "Weißbuch": "So lange einer noch etwas hat, teilt er es redlich mit jedem des Weges Kommenden ... und betrachtet das als etwas ganz Selbstverständliches ... Diese Eigenschaft ist aber einer wirtschaftlichen Entwicklung des Volkes sehr hinderlich, denn sie führt zum ausgesprochenen Kommunismus und großer Leichtlebigkeit."

Bezüglich der Herero erfahren wir: "Der Herero ist nur Viehzüchter, alle andere Arbeit dünkt ihm des freien Kaffern unwürdig; nur was sich auf die Großviehzucht bezieht, dünkt ihm der Beachtung wert. Für die Rinder aber stellt er sich stundenlang hin, um Wasser zu schöpfen in glühender Sonne." Tatsächlich waren die Herero ein Volk von Viehzüchtern. Den Dreh- und Angelpunkt in ihrem Leben bildeten ihre Rinderherden. Reichtum galt ihnen als Reichtum an Rindern. Weit verstreut über das Land lebend, kannten sie keinen Privatbesitz an Weideflächen; es galt: "Wo meine Rinder weiden, ist Hereroland." Hier lag eine Wurzel des Konflikts zwischen ihnen und den Nama, die sich häufig als Viehräuber betätigten.

Mit den Deutschen hatten die Einheimischen bereits seit Mitte des 19. Jahrhunderts Bekanntschaft gemacht. Die "Rheinische Missionsgesellschaft" betrieb neben ihrer Missionstätigkeit einen schwunghaften Handel mit Nahrungsmitteln, Kleidung, Werkzeug und Waffen. Darüber hinaus lavierte sie in den Stammeskonflikten, wechselte dabei die Seiten und forderte, als ihre Interessen ernsthaft bedroht wurden, erst England und dann das Deutsche Reich auf, die Herrschaft über das Land zu übernehmen.

Es war der Kaufmann Adolf Lüderitz aus Bremen, der hoffte, in diesem Winkel der Erde Geschäfte machen zu können. Sein Interesse war die Gewinnung von Kupfer, Gold und Diamanten, die in Südwestafrika vermutet wurden. 1893 rüstete er eine Expedition aus, um Land zu kaufen. Tatsächlich wurden Verträge geschlossen, mit denen er einen Streifen an der Küste erwarb. Sein Vertragspartner, ein Nama-Häuptling, war der Meinung, ein kleineres, wertloses Sandgebiet gegen 500 englische Pfund, 60 Gewehre und eine rote Husarenuniform getauscht zu haben, aber er kannte nicht die Raffinesse der deutschen Kaufleute. Diese hatten bewußt den Begriff "geographische Meile" statt der geläufigen "englischen Meile" in die Verträge eingefügt. Die "geographische Meile" allerdings war fast fünfmal größer als die "englische", und so wurde die Landnahme in Südwestafrika mit einem Betrug eröffnet. Im Jahr darauf erklärte das Deutsche Reich die "Schutzherrschaft" über die Lüderitzschen Erwerbungen. Damit begann auch offiziell die deutsche Kolonialpolitik.

Kolonialherrschaft etabliert

Das geschah im Deutschen Reich keineswegs reibungslos. Auf der einen Seite hatte Friedrich Fabri, der Leiter der "Rheinischen Mission", sein Pamphlet "Bedarf Deutschland der Colonien?" veröffentlicht, und der "Deutsche Kolonialverein" rührte massiv die Werbetrommel für die Eroberung von Kolonien, denn darin sei das Reich seit seiner Gründung 1871 leer ausgegangen. Auf der anderen Seite gab es einen gewichtigen Gegenspieler: Reichskanzler Otto von Bismarck. Noch 1881 bemerkte er: "So lange ich Reichskanzler bin, treiben wir keine Kolonialpolitik"; bekannt ist auch sein Ausspruch: "Meine Karte von Afrika liegt in Europa." Die klassische Begründung von Kolonialpolitik - Gewinnung von Rohstoffen und Schaffung von Absatzmärkten - überzeugte ihn nicht. Warum leitete er dennoch die Geschichte der deutschen Kolonien ein, indem er die Schutzherrschaft des Reichs über die von Lüderitz erworbenen Gebiete anerkannte?

Zum einen diente Kolonialpolitik zur Ableitung innenpolitischer Spannungen sowie als Propagandamittel anläßlich der Reichstagswahlen, wie der Ausspruch Bismarcks bezeugt: "Die ganze Kolonialgeschichte ist ja Schwindel, aber wir brauchen sie für die Wahlen." Zum anderen verbesserte sie den herrschaftsfördernden Kontakt zu konservativ-reaktionären Eliten, auf die sich der Reichskanzler stützte. Zweifellos spielte auch die gerade ausgebrochene Wirtschaftskrise eine Rolle, ebenso die Konkurrenz zum imperialen Großbritannien und das weit verbreitete Gefühl, im Weltmaßstab eine zu kurz gekommene Nation zu sein. Zudem übten die in Afrika tätigen deutschen Handelsgesellschaften starken Druck auf die Reichsregierung aus.

Ob widerstrebend oder nicht - Bismarck erklärte 1884 die ersten Teile Südwestafrikas zum deutschen "Schutzgebiet" und entsandte als Landeshauptmann Dr. Heinrich Ernst Göring, Vater des späteren Faschisten und "Reichsmarschalls" Hermann Göring. Doch Heinrich Göring agierte recht erfolglos. Entscheidend war seine unglückliche Figur im Konflikt zwischen Herero und Nama, in dem er jegliches Vertrauen bei den Einheimischen verspielte. Der Nachfolger Görings begriff die Auseinandersetzungen zwischen Herero und Nama als Chance. Gegen die Anerkennung von "Schutzverträgen" bot er den Herero Hilfe an; schließlich wußten die Deutschen, mit welcher Strategie sie vorgehen mußten: "Von großer Wichtigkeit war die Abgrenzung der Stämme und Kapitänschaften, sowie die Zuweisung von Reservaten an die Eingeborenen." 2)

Doch völlig unerwartet schlossen Herero und Nama Frieden miteinander. Die Deutschen mußten jetzt befürchten, von beiden als Gegner angesehen zu werden. Sie reagierten militärisch: mit einem Angriff auf die Nama, die sie ebenfalls zu einem "Schutzvertrag" zwangen. Die Nama waren damit zunächst ausgeschaltet. Als bester Verbündeter der Deutschen entpuppte sich jetzt Samuel Maharero, Oberhäuptling der Herero. Protegiert von den Deutschen schloß er mit ihnen Grenzverträge, zu denen er gar nicht autorisiert war und leistete sogar Hilfe bei der Bekämpfung von Aufständen.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts schien die Kolonie Südwestafrika weitgehend befriedet. Als einziges der deutschen "Schutzgebiete" galt sie, besonders wegen ihrer klimatischen Bedingungen, als größere Siedlungskolonie. Doch unter den Herero machte sich Unmut über die Landverkäufe Samuel Mahareros und den Verlust ihres Stammesgebietes an die Deutschen bemerkbar. Auch durch den Bau einer Eisenbahn wurden sie vieler ihrer besten Weidegebiete enteignet. Dann geschahen in kürzester Zeit mehrere Katastrophen: Die Rinderpest brach aus, unmittelbar darauf eine Malariaepidemie, eine Heuschreckenplage und schließlich eine Dürreperiode.

Die Rinderpest hatte katastrophale Auswirkungen für die Herero, fast 70 Prozent ihrer Tierbestände wurden vernichtet. Ein forcierter Prozeß der Verarmung und Verelendung trat ein. Zwar schien es vorübergehend, als wüchsen die Herden durch geschickte Züchtung wieder an, doch machten sich nun weitere Probleme bemerkbar: Die Deutschen hatten in Form von Siedlern, Land- und Minengesellschaften große Teile des Weidelandes aufgekauft. Dazu kam die Herrenmenschen-Attitüde vieler Siedler, die in jeglicher Hinsicht massive Diskriminierung der Einheimischen, die auf der Tagesordnung stehende körperliche "Züchtigung" durch die "Schambock" genannte Nilpferdpeitsche und häufige sexuelle Übergriffe gegenüber einheimischen Frauen.

Dennoch schien, oberflächlich betrachtet, die Kolonie fest in deutscher Hand. Lediglich kleinere Erhebungen waren zu verzeichnen. So auch im Oktober 1903, als die Bondelzwarts mit 300 Kriegern im Süden einen Aufstand begannen. Der inzwischen zum Gouverneur des "Schutzgebietes" und Kommandeur der "Schutztruppe" avancierte Major Leutwein eilte an den Ort des Geschehens, um die Angelegenheit möglichst schnell zu beenden. Dabei nahm er fast die gesamte "Schutztruppe" mit, die inzwischen aus 800 Mann bestand.

Der Vernichtungskrieg

Es gab durchaus Vorzeichen des Herero-Aufstandes. Meldungen über größere Zusammenkünfte von Häuptlingen wurden bekannt. Auch häuften sich gegen Ende des Jahres Viehdiebstähle, Widersetzlichkeiten und "freches Benehmen" der Herero, eine ungewöhnliche "Kaufwut" ohne Rücksicht auf Preise trat auf.

Vom 12. Januar 1904 an schlug die Empörung der Herero in Gegengewalt um. Völlig überraschend für die Deutschen stand an der Spitze des Aufstands Samuel Maharero. Er unternahm auch den Versuch, die Erhebung auf andere Stämme auszuweiten. In einem Brief an den "Kapitän" (Häuptling) der Nama, Hendrik Witbooi, seinen einstmals größten Widersacher, schrieb er: "Laß uns lieber zusammen sterben und nicht sterben durch Mißhandlung, Gefängnis oder auf allerlei andere Weise ...", und in einem anderen Brief: "Weiter will ich dich, Kapitän, benachrichtigen, daß mein Wunsch der ist, daß wir schwachen Nationen aufstehen gegen die Deutschen ..."

Bemerkenswert ist hierbei, daß Samuel Maharero das tribalistische Denken überwand. Während anfangs die europäischen Kolonisten als ein neuer Stamm unter anderen Stämmen betrachtet wurden, waren sie jetzt als Kolonialherrscher erkannt, gegen die nur mit vereintem Handeln Widerstand möglich war. Tatsächlich weiteten sich die Auseinandersetzungen bis in das bislang relativ autonome Ovamboland im Norden aus. Auf der anderen Seite unterstützten auch Einheimische die Deutschen militärisch. Ein gleichzeitiger und koordinierter Aufstand, dem die Kolonialherren nicht gewachsen gewesen wären, fand nicht statt.

Die Siedler waren entsetzt. Ein Teil war völlig unvorbereitet, ein anderer Teil erst am Tage vorher gewarnt worden. Wer nicht den Herero zum Opfer fiel, verschanzte sich in Festungen. Major Leutwein und der größte Teil der Schutztruppe befanden sich noch im Süden des Landes. Die Stimmung unter den Siedlern beschreibt ein Missionar: "Die Deutschen sind erfüllt von einem furchtbaren Haß und schrecklichem Rachedurst, ja, ich möchte sagen Blutdurst gegen die Hereros. Man hört in dieser Beziehung nichts als: ›aufräumen, aufhängen, niederknallen bis auf den letzten Mann, kein Pardon‹ etc. Mir graut, wenn ich an die nächsten Monate denke. Die Deutschen werden ohne Frage schreckliche Rache nehmen."3)

Zu Beginn plünderten die Herero Farmen und Vieh, beschädigten Eisenbahnlinien und Telegraphenleitungen und belagerten die verschanzten Deutschen, griffen diese aber nicht direkt an. Major Leutwein beantragte Verstärkung in Berlin, die er umgehend erhielt. Rund 8 000 Herero-Soldaten standen jetzt 2 000 waffentechnisch überlegene deutsche Soldaten gegenüber. Bis April war die militärische Lage durchaus ausgeglichen. Leutwein beabsichtigte eine Verhandlungslösung oder eine Entscheidungsschlacht, in der die Herero kapitulieren sollten. Seine größte Befürchtung war der Abzug der Gegner in das britische Betschuanaland. Neben dem Verlust der Herero als Arbeitskräfte hätte dies auch den Verlust riesiger Rinderherden bedeutet - eine enorme wirtschaftliche Gefahr für die Siedler. Nach einer weiteren Verstärkung mit 1 200 Soldaten plante er die Entscheidung am Waterberg. Dort, in einem wasser- und weidereichen Gebiet, befand sich die Hauptgruppe der Herero.

In Berlin war man in höchstem Grade beunruhigt. Dieser Konflikt kam völlig unerwartet; er sollte schnellstmöglich beendet werden. Die Leitung der Operationen erhielt der Chef des Generalstabs des Heeres, Graf Schlieffen. Von der Reichshauptstadt aus entmachtete er Major Leutwein, der in den Augen vieler Siedler als "Kaffernfreund" galt - man sprach vom "System Leutwein" - und schickte als dessen Nachfolger General von Trotha nach Afrika. Von Trotha hatte sich bereits bei der Niederschlagung von Aufständen in Ostafrika und China hervorgetan. Seine Einschätzung: "Dieser Aufstand ist und bleibt der Anfang eines Rassenkampfes." Seine Strategie: "Ich kenne genug Stämme in Afrika. Sie gleichen sich alle in dem Gedankengang, daß sie nur der Gewalt weichen. Diese Gewalt mit krassem Terrorismus und selbst mit Grausamkeit auszuüben, war und ist meine Politik. Ich vernichte die aufständischen Stämme mit Strömen von Blut und Strömen von Geld." Trotha erklärte sofort den Kriegszustand über die gesamte Kolonie.

Die Kriegführung gestaltete sich für die deutschen Soldaten alles andere als einfach. Nachts in klirrender Kälte, tagsüber unter sengender Sonne schleppten sie sich mit ihren Zugtieren häufig am Rande des Verdurstens durch eine fast wasserlose Wüste: "Wie kraftlose Gerippe schlichen die Soldaten schließlich durch den tiefen Sand, in zerrissenen Stiefeln, mit zerlumpten Uniformen, entsetzlich schmierig dazu, die Hände voll Eiterbeulen von Dornenritzen und Insektenstichen."4) War eine Wasserstelle erreicht, fielen Mensch und Tier darüber her. Doch viele Wasserstellen waren verseucht mit der Folge von Typhuserkrankung und Brechdurchfall.

Auch kämpfte der Gegner mit Raffinesse. Hinter den ewigen Dornenbüschen, die bei vielen Soldaten Traumata auslösten, hörten sie häufig Rufe wie: "Nicht schießen, wir sind es!" oder: "Artillerie kommt!" oder: "Viktoria!", und hervor traten Menschen in deutschen Uniformen oder gar europäischen Sommeranzügen - Krieger der Herero. Entnervend für die deutschen Soldaten auch die hinter den kämpfenden Reihen stehenden Hererofrauen und ihr rhythmischer Sprechgesang: "Wem gehört Hereroland? Uns gehört Hereroland!" Allein die Tatsache, daß die Frauen mit in den Krieg zogen, wirkte stark irritierend.

So sah es ein Hauptmann der 1. Feldkompanie: "... ein heftiges Gewehrfeuer schlug der kleinen Abteilung entgegen ... Gleichzeitig brachen die Hereros schon hervor ... mit großer Geschicklichkeit und unter Ausnutzung jeder Deckung. Schließlich stürmten sie mit Hurrah, voran ein Herero mit gezogenem Degen und in deutscher Offiziersuniform ... Hinter der Schützenlinie schrien und tanzten die Hereroweiber und feuerten die Krieger zum Kampfe an."

Aber die Herero hatten keine Chance mehr. Von Trotha plante, sie am Waterberg zu umzingeln und militärisch zu vernichten. Dazu hatte er inzwischen 4 000 Soldaten, 30 Geschütze und zwölf Maschinengewehre zur Verfügung. Obwohl sein Plan der militärischen Vernichtung scheiterte, war für die Alternative gesorgt. Zwar gelang es den Herero, am schwächsten Punkt die Umzingelung zu durchbrechen. Dieser führte sie allerdings in die wasserlose Wüste Omaheke, das "Sandfeld". Im "Generalstabsbericht" des deutschen Großen Generalstabes heißt es hierzu: "Sollten die Hereros indessen doch versuchen, hier durchzubrechen, so mußte ein solcher Ausgang der deutschen Führung um so erwünschter sein, als der Feind dann freiwillig in sein Verderben rannte. Denn in dem wasserlosen Sandfelde mußte er verdursten."5)

Die Verfolgung der Herero beurteilt der offizielle Militärbericht folgendermaßen: "Diese kühne Unternehmung zeigt die rücksichtslose Energie der deutschen Führung bei der Verfolgung des geschlagenen Feindes in glänzendem Lichte. Keine Mühen, keine Entbehrungen wurden gescheut, um dem Feinde den letzten Rest seiner Widerstandskraft zu rauben; wie ein halb zu Tode gehetztes Wild war er von Wasserstelle zu Wasserstelle gescheucht, bis er schließlich, willenlos, ein Opfer der Natur seines eigenen Landes wurde. Die wasserlose Omaheke sollte vollenden, was die deutschen Waffen begonnen hatten: die Vernichtung des Hererovolkes."

Keinerlei Entschädigung

Wie wurde mit den überlebenden Herero verfahren? An den politisch-strategischen Überlegungen des Generals von Trotha läßt der deutsche Generalstab keine Zweifel: Trotha "hielt die Annahme einer mehr oder minder freiwilligen Unterwerfung, die die Möglichkeit eines Wiederaufbaus der alten Stammesorganisation geboten hätte, für den größten politischen Fehler, der sich über kurz oder lang wieder blutig rächen würde. Er sah in der ganzen Aufstandsbewegung im deutschen Schutzgebiet das erste Anzeichen eines Rassenkampfes, mit dem alle am afrikanischen Kolonialbesitz beteiligten europäischen Mächte zu rechnen hätten. Bei dieser Sachlage mußte jede Nachgiebigkeit auf deutscher Seite dem Gedanken, daß Afrika seinen Bewohnern allein gehöre..., neue Anhänger zuführen. Der Kampf mußte also weitergeführt werden, solange überhaupt die Möglichkeit eines Wiederauflebens der Widerstandskraft der Herero vorhanden war."6)

Die Herero kannten den Weg durch die Omaheke in das britische Betschuanaland. Vernichtet wurden sie, indem die deutschen Truppen die Wasserstellen besetzten und die auftauchenden Herero in die Wüste zurücktrieben.

Im Oktober 1904 erläßt von Trotha folgende berüchtigte, im Militärbericht unerwähnt gebliebene Proklamation, den sogenannten "Vernichtungsbefehl":

"2. Oktober 1904. Ich, der große General der deutschen Soldaten, sende diesen Brief an das Volk der Herero: Die Herero sind nicht mehr deutsche Untertanen. Sie haben gemordet, gestohlen, haben verwundeten Soldaten Ohren und Nasen und andere Körperteile abgeschnitten und wollen jetzt aus Feigheit nicht mehr kämpfen. Ich sage dem Volk: Jeder, der einen der Kapitäne an einer meiner Stationen als Gefangenen abliefert, erhält 1 000 Mark, wer Samuel Maharero bringt, erhält 5 000 Mark. Das Volk der Herero muß jedoch das Land verlassen. Wenn das Volk dies nicht tut, so werde ich es mit dem Groot-Rohr (Geschütz, C. K.) dazu zwingen. Innerhalb der deutschen Grenzen wird jeder Herero mit und ohne Gewehr, mit oder ohne Vieh erschossen, ich nehme keine Weiber oder Kinder mehr auf, treibe sie zu ihrem Volk zurück oder lasse auf sie schießen. Dies sind meine Worte an das Volk der Herero. Der große General des mächtigen Kaisers, von Trotha."7)

Kaum deutlicher könnte sein Vernichtungswille ausgedrückt werden, und wie zur Bestätigung erklärt Trotha kurz darauf: "Die Absperrung der Ostgrenze der Kolonie und die Ausübung des Terrorismus gegen jeden sich zeigenden Herero bleibt, solange ich im Lande bin, bestehen. Die Nation muß untergehen. Wenn es mir nicht gelang, sie durch die Geschütze zu vernichten, so muß es auf diese Weise geschehen."8)

Der Aufstand der Nama

Von 80 000 Herero überlebten 15 000. Der Zustand der Überlebenden war katastrophal. Skeletten gleichend schwankten sie in verzerrten Körperhaltungen wie Gespenster aus dem Wüstensand den Deutschen entgegen.

Doch bereits vor dem Ende des Herero-Feldzugs erhoben sich die Nama im Süden des Landes unter ihren legendären Führern Hendrik Witbooi und Jakob Marengo. Sie verfolgten nicht die Strategie offener Feldschlachten, sondern eines ausgesprochenen Guerillakrieges, in dem zum Schluß die auf 15 000 Personen angewachsene Schutztruppe 260 Aufständischen gegenüberstand. Eine Schlappe für das Deutsche Reich, wie sie größer nicht sein konnte. Sogar der Reichstag wurde aufgelöst, als die Sozialdemokraten und das katholische Zentrum einen Nachtragshaushalt für diesen Krieg blockierten; die Wahlen zum neuen Reichstag im Jahre 1907 werden als "Hottentottenwahlen" bezeichnet. Sie brachten einen massiven Gewinn für die Befürworter der Kolonialpolitik.

In den Kriegen in Südwestafrika starben 80 Prozent der Herero, 50 Prozent der Nama und ein Drittel der Bergdamara, die zwar mit den Kampfhandlungen eigentlich nichts zu tun hatten, aber von den Deutschen nicht von den Herero unterschieden wurden. Ab 1905 begannen die Deutschen, überlebende Nama und Herero in Konzentrationslager zu sperren. Aufgrund der dort herrschenden Zustände starben nochmals Tausende, insgesamt 45 Prozent der Gefangenen. Dies ging den Missionaren und selbst einigen Militärs zu weit, wie Major v. Estorff, der nach Berlin telegraphierte, es seien von den überlebenden Männern "nur periodisch 25 arbeitsfähig, alle übrigen sich nur noch an Stöcken fortbewegen, so daß weiterer Verbleib auf Haifisch-Insel Hottentotten einem langsamen und sicheren Tode entgegenführt. Von September 1906 sind von 1 795 Eingeborenen 1 032 auf Haifisch-Insel gestorben. Für solche Henkersdienste ... übernehme ich keine Verantwortung ..."9) Frauen mußten in den Lagern die Köpfe ihrer Toten mit Glasscherben säubern, bevor diese an wissenschaftliche Sammlungen und Universitäten in Deutschland verschickt wurden. Hartnäckig hielt sich das Gerücht - was lag auch näher? -, die Deutschen seien Kannibalen.

Schließlich erreichten massive Proteste im Deutschen Reich und dem Ausland die Entlassung v. Trothas und die Auflösung der Konzentrationslager. Für die überlebenden Herero und Nama folgten allerdings die Enteignung von Vieh und Land, Verbot von Ansiedlungen von mehr als zehn Familien, Arbeitszwang und Einführung einer Paßpflicht mit sichtbarem Tragen einer Paßmarke und eines Dienstbuches.

Die Weißen hatten nun mehr als genug Land. Forciert durch die Entdeckung von Kupfervorräten und Diamanten kamen immer mehr Deutsche: 1907 waren es 7 000, 1913 bereits 14 000. Die Ausbeutung des Landes lag in der Hand verschiedener Gesellschaften wie der "Deutschen Kolonialgesellschaft für Südwestafrika" (bestehend aus sieben Großbanken), der "Diamanten-Regie" (18 Großbanken), dem "Südwestafrikanischen Minensyndikat" (gegründet von 32 Bankhäusern), der "Diamanten-Pachtgesellschaft" oder der "Kolonialen Bergbau-Gesellschaft". Die Dividenden schossen in die Höhe.

Der Erste Weltkrieg bereitete der deutschen Kolonialherrschaft ein Ende. Südwestafrika gelangte durch ein Mandat des Völkerbundes in die Hände des Apartheidstaates Südafrika. Es dauerte weitere 75 Jahre, bis es als Namibia im Jahr 1990 seine Unabhängigkeit erlangte.

Entschädigung gefordert

Im Sommer des Jahres 2001 gingen im Zusammenhang mit einer Antirassismuskonferenz der UNO folgende Meldungen durch die Presse: "Häuptling fordert Entschädigung - Namibischer Herero-Stamm strengt in den USA Verfahren gegen Deutschland an." (Braunschweiger Zeitung, 29.8.2001)

Die Herero-Forderung wird mitunter als ein Trittbrettfahren im Zusammenhang mit der Entschädigung für Zwangsarbeit in der deutschen Industrie im Zweiten Weltkrieg betrachtet. Aber bereits 1989, also ein Jahr vor der Unabhängigkeit Namibias, hatte Oberhäuptling Kuaima Riruako einen unbeantwortet gebliebenen Brief an Bundeskanzler Helmut Kohl mit der Forderung nach Wiedergutmachung geschickt. Als Helmut Kohl 1995 Namibia besuchte, lehnte er ein Treffen mit einer Herero-Delegation ab und unterhielt sich statt dessen mit seinen "lieben Landsleuten" in Windhoek und Swakopmund. 1998 führte ein Besuch des Bundespräsidenten Roman Herzog immerhin zu einer kurzen Unterredung mit den Herero, in der Herzog äußerte: "Wir sind uns natürlich bewußt, daß die Auseinandersetzung zwischen der deutschen Kolonialverwaltung und den Herero nicht in Ordnung war." Dies könne aber nicht zu finanziellen Forderungen führen. Auf der Antirassismuskonferenz der UNO im September 2001 sprach Außenminister Fischer von "Schuld", "Verantwortung" und "historischer Verpflichtung", ohne die deutsche Kolonialherrschaft auch nur ansatzweise zu erwähnen.

Die Forderung der Herero beläuft sich auf vier Milliarden US-Dollar. Sie seien in Namibia marginalisiert, kaum in der Regierung vertreten und beanspruchen die Entschädigung nicht als individuelle Kompensation, sondern für Land- und Farmkäufe. Verklagt auf zwei Milliarden US-Dollar wurden zunächst die Deutsche Bank, die Reederei Woermann (heute "Deutsche Afrika-Linien") und die US-amerikanische Firma Terex. Die Deutsche Bank ist Eigentümerin der Disconto-Gesellschaft, die fast sämtliche Finanz- und Bankaktionen in Südwestafrika kontrollierte und somit an den Kolonialgeschäften verdiente. Die Reederei Woermann bereicherte sich an Handel und Transport. Terex ist die Nachfolgefirma der Eisenbahnbau und Landenteignung betreibenden Firma Koppel. Die Klage gegen Terex wurde vorläufig zurückgenommen, dafür eine neue gegen die Bundesrepublik Deutschland als Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reichs ebenfalls in der Höhe von zwei Milliarden US-Dollar eingereicht.

Juristisch ergeben sich einige Spitzfindigkeiten. Der Internationale Gerichtshof in Den Haag lehnte die Klage ab, da nur Staaten zu ihrer Einreichung berechtigt seien.
Nach der Konvention über Völkermord von 1948 ist Völkermord - um den es sich im Falle der Herero nach Ansicht vieler Historiker handelt - zwar von Verjährung ausgenommen. Doch das Völkerrecht besagt wiederum, daß geltendes Recht nur angewandt werden darf, wenn es bereits zum Zeitpunkt der Tat galt.

Darauf reichte die "Herero People's Reparation Corporation" die Klage an einem Bezirksgericht in Washington, D.C., ein. Nach US-amerikanischem Strafrecht können an den dortigen Gerichten auch ausländische Konzerne, Institutionen und Personen belangt werden, die internationales Recht verletzt haben. Die juristische Konstruktion hierfür nennt sich "Alien Tort Claims Act" und stammt aus dem Jahr 1789. Aktuelle Bedeutung erhielt dieses Gesetz durch die Entschädigungsforderungen von Zwangsarbeitern und Reparationsforderungen südafrikanischer Apartheidopfer (siehe jW, 26./27.7.2003, Geschichtsseite 15: "Letzte Hoffnung USA").

Doch auch das Bezirksgericht in Washington hielt sich für das Verfahren nicht für kompetent, so daß die Klage inzwischen am Bundesgericht in New York gelandet ist. Da dieses bereits erfolgreich Entschädigungsfälle für Juden behandelt hat, erhofft sich die "Herero People's Reparation Corporation" hier größere Chancen.

Auf eine Anfrage teilte mir das Auswärtige Amt im Jahre 2002 mit: "Ein völkerrechtlicher Anspruch der Volksgruppe der Herero auf finanzielle Wiedergutmachung gegen die Bundesrepublik Deutschland kann nicht anerkannt werden. Nach dem seinerzeit geltenden Völkerrecht konnte der Stamm der Herero keine Wiedergutmachungsansprüche an das Deutsche Reich erwerben, völkerrechtliche Normen zum Schutz von Aufständischen und der Zivilbevölkerung wurden erst nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelt ... Der damalige Bundespräsident Prof. Herzog hat während seines Staatsbesuches in Namibia 1998 Gespräche mit einer Herero-Delegation geführt und mehrfach öffentlich sein tiefes Bedauern über das Schicksal der Herero unter der deutschen Kolonialherrschaft ausgedrückt. Die Bundesregierung wird ihrer besonderen Verantwortung gegenüber Namibia insbesondere durch außergewöhnlich intensive entwicklungspolitische Zusammenarbeit gerecht ..."

Die 100 Jahre zurückliegenden Ereignisse und Entwicklungen - in deren Zusammenhang der Begriff des "kolonialen Präfaschismus" entstand - prägen noch immer die Situation der Herero, Nama und anderer Bevölkerungsgruppen in Namibia. Demgegenüber erscheinen die Stellungnahmen deutscher Regierungsorgane wie willentliches Verschweigen.

Der Umgang mit dem deutschen kolonialen Erbe zeigt sich in der Benennung von Kasernen und Straßen nach deutschen Kolonialherren sowie in der Errichtung von Kolonialdenkmälern. Die Namen von Trotha, Leutwein oder Lüderitz sind nicht unbekannt - im Gegensatz zu denen von Samuel Maharero, Hendrik Witbooi oder Jacob Marengo. Verbirgt sich hinter dem idyllischen Straßennamen "Vogelsang" vielleicht gar kein singender Vogel, sondern jener Heinrich Vogelsang, der im Namen des Adolf Lüderitz die ersten betrügerischen Landverträge an der Küste Südwestafrikas abschloß?

"Bettler haben keine Wahl"

Der "Ausflug" in die Geschichte des Hererokrieges hat exemplarischen Charakter. Denn überall, wo der deutsche Kolonialismus auftauchte, gab es Aufstände und kriegerische Handlungen: in Südwestafrika (heute Namibia), Ostafrika (heute Tansania, Ruanda und Burundi), Kamerun, Togo, dem Kiautschou-Gebiet in der chinesischen Provinz Schantung und in der Südsee, einem Teil Neuguineas, einem Teil Samoas, auf der Insel Nauru, den Karolinen-, Palau-, Marianen- und Marshall-Inseln. Und noch im April 1917 - die deutschen Kolonien waren bereits "verloren" - wurden als Kriegsziele des Deutschen Reichs neben dem früheren Kolonialbesitz allein in Afrika projektiert: Nigeria, Guinea, Angola, Dahomey, Französisch-Äquatorialafrika, Obervolta, Belgisch-Kongo, Uganda, Britisch Somaliland, Kenia, Nordrhodesien, Nordmoçambique und Madagaskar.

Zwar war es tatsächlich mit deutschen Kolonien nach dem Ersten Weltkrieg vorbei. Doch bis dahin hatten die Deutschen viele der Ursachen geschaffen, die zu den heutigen Verhältnissen in Afrika beitragen. Z. B. existiert bisher kaum eine Auseinandersetzung darüber, inwieweit deutsche Forscher mit der sogenannten - obskuren - "hamitischen Hypothese", welche sich auf Ham (Cham), einen Sohn des biblischen Noah bezieht und die Ethnisierung sozialer Gruppen im Kolonialgebiet Ostafrika bewirkte, eine der Grundlagen für die Entwicklung schufen, die 1994 in Ruanda zum Massenmord mit bis zu einer Million Toten zwischen Hutu und Tutsi führte. War es nicht deutsche Strategie, die zusammenwachsenden Stämme unter dem Motto "teile und herrsche" gegeneinander aufzubringen? Im Originalton des "Generalstabsberichts": "Man mußte paktieren und dadurch, daß bei beginnenden Unruhen die früheren Zwistigkeiten der eingeborenen Stämme wieder angefacht wurden, diese gegeneinander auszuspielen suchen."10)

Daneben gibt es eine in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommene historische Parallele: Vor fast genau 100 Jahren errichtete die deutsche Marine im Namen des Kampfes gegen die Sklaverei eine Seeblockade an der ostafrikanischen Küste. Eben dort hält sie sich heute wieder auf - nun im Namen der Menschenrechte und des Kampfes gegen den Terror. Dabei dient sie unter anderem als Geleitschutz für den Aufmarsch der US-Streitkräfte am Persischen Golf.

Doch statt nach historischen Konstitutionsbedingungen zu fragen und daraus Schlüsse für die Gegenwart zu ziehen ist es viel einfacher, sich große Teile des afrikanischen Kontinents als von marodierenden, verrückt gewordenen Söldnerheeren und Warlords geknechtet vorzustellen, wobei es sich häufig um nichts anderes als um "Stellvertreterkriege" für "entwickelte" Staaten oder Wirtschaftsunternehmen handelt. Eigenständige gesellschaftliche Strukturen in Afrika wurden vor 100 Jahren, zum Teil bereits lange zuvor, zerschlagen. Der Krieg des Deutschen Reichs gegen die Herero und Nama, einhergehend mit einer ausdrücklichen Absicht zur Vernichtung, bildet ein markantes Beispiel. Trotz formeller Unabhängigkeit der afrikanischen Staaten stellt sich die Frage, ob sich die grundlegenden Machtverhältnisse heute wirklich verändert haben.

So herrscht im Süden Afrikas zur Zeit eine Hungersnot, bei der mit 20 Millionen Hungertoten gerechnet wird. Hungersnöte sind heutzutage nicht mehr primär Naturkatastrophen, sondern politische Ereignisse. In der Zeit ökonomischer wie ökologischer Globalisierung können sie sowohl verursacht wie verhindert werden. Die USA etwa erklären als ihren Beitrag zur Verhinderung der Katastrophe, genmanipulierten Mais liefern zu wollen. Problemlos könnten sie statt dessen herkömmlichen Mais zur Verfügung stellen. Das allerdings brächte keinen Akzeptanzschub für genmanipulierte Lebensmittel und Afrika als großes Experimentierfeld, was die USA-Agrarindustrie fordert. Selbst begünstigte afrikanische Länder protestieren. Doch wie ein Sprecher der US-Regierung dazu äußert: "Beggars can't be choosers" - Bettler können nicht wählen. Oder, wie sich der englische Schriftsteller Hilaire Belloc einstmals ausdrückte, wobei die neuere Entwicklung der Waffentechnik zu berücksichtigen wäre: "Whatever happens we have got / the maxim-gun and they have not" - Was immer geschieht - wir haben die Maschinengewehre und sie nicht.

Fußnoten:

1 Weißbuch. Vorgelegt dem Reichstage in der 3. Session der 9. Legislatur-Periode. Vierzehnter Theil. Berlin 1895, S. 175

2 Weißbuch. Vorgelegt dem Reichstage in der 4. Session der 9. Legislatur-Periode. Sechzehnter Theil. Berlin 1896, S. 164

3 Helga und Ludwig Helbig: Namibia und die Deutschen In: Mythos Deutsch-Südwest. Weinheim/Basel 1983, S. 149

4 Walter Nuhn: Sturm über Südwest. Koblenz 1989, S. 141

5 Kriegsgeschichtliche Abteilung I des Großen Generalstabes: Die Kämpfe der deutschen Truppen in Südwestafrika. Erster Band. Der Feldzug gegen die Hereros. Berlin 1906, S. 132

6) Kriegsgeschichtliche Abteilung I des Großen Generalstabes: Die Kämpfe der deutschen Truppen in Südwestafrika. Erster Band. Der Feldzug gegen die Hereros, Berlin 1906, S. 208.

7) zitiert nach Walter Nuhn: Sturm über Südwest. Koblenz 1989, S. 282 f.

8) ebenda, S. 285

9) zitiert nach Helga und Ludwig Helbig: Mythos Deutsch-Südwest. Weinheim/Basel 1983, S. 72

10) Kriegsgeschichtliche Abteilung I ..., S. 5

Aus: junge Welt, 12. und 13. Januar 2004


Zurück zur Namibia-Seite

Zur Seite "Kriegsgeschichte"

Zurück zur Homepage