Undiplomatischer Diplomat
Namibia-Botschafter Kochanke wird Berlins Afrikabeauftragter
Von Christian Selz, Kapstadt *
Walter Lindner, der scheidende Afrikabeauftragte des Auswärtigen Amtes in Berlin, dürfte sich inzwischen in der namibischen Hauptstadt Windhuk ganz gut auskennen – häufig genug waren in der jüngeren Vergangenheit seine Dienste als Beschwichtiger und Feuerwehrmann in der einstigen kaiserlich-deutschen Kolonie gefragt. Lindners Arbeitspensum in dem bevölkerungsarmen Land im Südwesten Afrikas hing dabei auch mit dem fragwürdigen Amtsgebaren des eigentlichen deutschen Chefdiplomaten in Namibia, Egon Kochanke, zusammen. Der hatte es sich mit hölzernen bis brüskierenden Äußerungen rund um den Völkermord der kaiserlichen Truppen an den Herero und Nama zunächst mit deren Nachfahren verscherzt und schließlich gar die ursprünglich auf seiten der Bundesregierung stehende namibische Staatsregierung gegen sich aufgebracht.
Schon im Februar war Lindner nach Namibia gereist, um die stürmischen Wogen zu glätten. In der vergangenen Woche besuchte er das Land erneut und nutzte dabei die Gelegenheit, seinen Nachfolger als Afrikabeauftragter bekanntzugeben. Es ist ausgerechnet Kochanke. Für die deutschen Beziehungen mit dem Kontinent dürfte diese Personalie eine schwere Hypothek bedeuten.
Den deutschen Völkermord an den Herero und Nama nicht als solchen anzuerkennen und so Entschädigungsforderungen der Hinterbliebenen zu verhindern, ist keine Idee Kochankes. Das hat die Bundesregierung auf mehrere Nachfragen der Partei Die Linke im Bundestag deutlich klargestellt. Ihre Verteidigungsstrategie ist bürokratisch-zynisch: Die Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes, der die BRD 1955 beitrat, gelte nicht rückwirkend. Deshalb könne es sich bei dem Gemetzel zwischen 1904 und 1907, bei dem rund 80 Prozent der 100000 Ureinwohner entweder direkt ermordet wurden oder durch vergiftetes Trinkwasser, an Durst und Hunger in der Kalahari-Wüste starben, auch nicht um einen Völkermord handeln. Einer Entschuldigung am nächsten kam noch die ehemalige Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul, die 2004 in ihrer Gedenkrede zum 100. Jahrestag der entscheidenden Schlacht am Waterberg, nördlich von Windhuk, immerhin zugab, daß die Grausamkeiten von damals heute als Völkermord bezeichnet werden würden.
Dieses Wort hatten deutsche Regierungsvertreter sonst strikt gemieden, Exaußenminister Joseph Fischer verwahrte sich gegen »entschädigungsrelevante Äußerungen«, und Kochanke redete selbst im Angesicht von 20 Schädeln, die eine namibische Delegation Ende vergangenen Jahres zur letzten Ruhe aus der Berliner Charité heimholte, noch lediglich von »Greueltaten von vor über hundert Jahren«. Daß in deutschen Kellern namibischen Historikern zufolge noch 3000 bis 10000 weitere Schädel lagern, erwähnte Kochanke freilich nicht. Dafür warf er der namibischen Delegation eine »versteckte Agenda« vor, als ob diese ihre Forderung nach Entschuldigung und Reparationszahlungen nicht längst klar und deutlich formuliert hätten. Den namibischen Präsidenten Hifikepunye Pohamba beschuldigte er kurze Zeit später gar bei einem Gespräch in dessen Staatshaus, sich auf die Seite der Nama und Herero zu schlagen. Die Unterredung endete schließlich mit einem glatten Rauswurf Kochankes. Namibias Premierminister Nahas Angula sagte daraufhin der Zeitung Windhoek Observer, »als Diplomat muß man die Stimmung des Landes verstehen, in dem man ist«. Die begangenen Grausamkeiten seien für ganz Namibia noch immer von Belang, »und als Botschafter sollte man dieses Verständnis haben«.
* Aus: junge Welt, Freitag, 25. Mai 2012
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