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Die Liga der verfeindeten Könige

Kuwait erlebte arabischen Gipfel der Uneinigkeit wie selten zuvor in der Geschichte der Regionalorganisation

Von Roland Etzel *

Begleitet von großen Spannungen ist der Gipfel der Arabischen Liga am Mittwoch in Kuwait beendet worden. Die Organisation agiert inzwischen weniger denn je als Staatenblock.

Dieser Ausspruch ist als unfreiwilliges, aber dennoch äußerst zutreffendes Resümee der Zusammenkunft von Kuwait anzusehen: »Wenn es uns gelingt, dafür zu sorgen, dass der Streit zwischen den arabischen Staaten nicht noch weiter eskaliert, dann haben wir schon viel erreicht«, wird der irakische Außenminister Hoschjar Sebari von dpa zitiert. Immerhin gibt der Mann sich damit als einer der offenbar recht wenigen Teilnehmer zu erkennen, die sich um das Zustandekommen einer gemeinsamen Linie wenigstens in Grundfragen noch Gedanken machen.

Die Arabische Liga hat 22 Mitglieder, erstreckt sich von Mauretanien im Westen bis Oman im Osten und ist eine der ältesten Regionalorganisationen der Welt. Zu Konferenzbeginn am Dienstag erlebte sie den 69. Jahrestag ihrer Gründung, doch Feiern waren nicht angesagt; nicht einmal ein Mindestmaß an Harmonie mochten die Teilnehmer sich zubilligen.

Die Liga vereint Königreiche und Republiken, die reichsten Staaten der Welt am Persischen Golf mit den Habenichtsen in Jemen und Somalia, Friedensparadiese wie Oman mit Kriegshöllen wie Syrien und – laut heiligen Konferenzschwüren nicht zuletzt, aber in Wirklichkeit wohl doch – die Vertretung der Palästinenser als Vollmitglied. Daraus bereits eine hochgradige politische Unverträglichkeit untereinander abzuleiten, läge nahe, griffe aber zu kurz. Zieht man einen Vergleich mit der ASEAN als südostasiatischem Staatenbund, so gibt es auch dort zwischen Myanmar und Vietnam ein recht breites Spektrum sozialer Ordnungen. Das aber hindert die Mitglieder in geradezu musterhaftem politischem Pragmatismus überhaupt nicht an der Artikulierung gemeinsamer Handels- und Wirtschaftsinteressen. Im Gegensatz zur ASEAN verfügen die arabischen Staaten sogar über eine gemeinsame Sprache und Religion, den Islam. Doch haben es ihre Potentaten seit dem Tode Gamal Abdel Nassers 1970, der ägyptischen Ikone der arabischen Einheit, nicht einmal für nötig erachtet, letztere auch nur verbal zum politischen Ziel zu erklären.

Dennoch erlebte die Liga eine gewisse Renaissance, indem sie Opfer einer ganz anderen Form von Pragmatismus wurde. Jahrzehntelang waren Konferenzen der Liga von den Medien kaum noch der Erwähnung für wert befunden worden. Nun aber, zu Beginn des Libyen-Krieges, bemächtigten sich die Golfmonarchien des untoten Körpers der Liga, bastelten mit seiner Hilfe eine Front gegen den verhassten libyschen Oberst zusammen, um ihn aus ihrer Mitte auszuschließen und dann zur Strecke zu bringen – bzw. von der westlichen Koalition der Willigen zur Strecke bringen zu lassen.

Die selbst verschuldete politische Isoliertheit des kapriziösen libyschen Revolutionsführers innerhalb der arabischen Welt machte es den den arabischen Fürsten nicht allzu schwer, ihre Vorstellungen von politischer Neuordnung in Tripolis durchzusetzen. Das war ihr Plan auch für Syrien, doch an dessen Präsident Baschar al-Assad bissen sie sich bislang die Zähne aus.

Auch Syrien wurde auf Initiative vor allem Saudi-Arabiens von der Ligamitgliedschaft suspendiert; auch gegen Syrien setzte eine von Golfmonarchien finanzierter Dschihad-Tourismus ein. Doch der Dominostein Assad fiel bislang nicht. Im Gegenteil: Der nicht anwesende Syrer ist vielleicht sogar der einzige Gewinner dieser Konferenz. Die in Istanbul residierende Nationale Syrische Allianz, also die Gegner Assads, hatten fest damit gerechnet, dessen Platz am Konferenztisch einnehmen zu können. Aber es kam anders. Im Gegensatz zu 2011-13 artikulierte sich diesmal deutlicher Widerspruch zu den Schützlingen der Golfmonarchien aus Algerien, Irak und Sudan.

Das wagten sie vielleicht auch angesichts des erbitterten Streits der Monarchen untereinander: vor allem Katar ist vehement für und vor allem Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate sind gegen die Muslimbrüder, jene in Syrien wie in Ägypten. Damit paralysieren sich die arabische Hauptsponsoren der Anti-Assad-Front gegenseitig. Auch das macht die momentane Stärke des Syrers aus. Außerdem: Ägypten – das heißt dessen aktuelle Militärregierung – wollte allen Ernstes die Muslimbrüder als Terrororganisation brandmarken lassen. Das scheiterte. Worauf man sich am Ende als einziges einigte, waren angeblich Maßnahmen, um »Israel international zu isolieren«. Angesichts der Verfasstheit der Liga kann man dem in Israel wohl sehr gelassen entgegensehen.

* Aus: neues deutschland, Donnerstag, 27. März 2013


Streit in Kuwait

Widersprüchliche Haltung zu Muslimbrüdern bei Gipfel der Arabischen Liga Von Karin Leukefeld **

Mit vielen Streitigkeiten doch in weitgehender Einigkeit gegen die syrische Regierung ist das zweitägige Arabische Gipfeltreffen in Kuwait am Mittwoch zu Ende gegangen. Israel wurde wegen seiner harten Politik gegenüber den Palästinensern mit einer »internationalen Isolation« gedroht. Zur Lage in Syrien hieß es in der Abschlußerklärung, daß die Regierung von Präsident Baschar Al-Assad das Blutvergießen beenden müsse, die arabischen Staaten allein aber den Konflikt nicht lösen könnten.

Direkte Auseinandersetzungen gab es zwischen den Vertretern Iraks auf der einen und Saudi-Arabien auf der anderen Seite. Irak wirft dem Königreich vor, extremistische Kampfverbände wie die Gruppe »Islamischer Staat im Irak und in der Levante« (ISIL) zu unterstützen, um die Regierung von Nuri Al-Maliki kurz vor den für Ende April geplanten Parlamentswahlen zu schwächen.

Hinter den Kulissen hatte ein Streit zwischen Katar und anderen Staaten über das Verhältnis zur Muslimbruderschaft für Unruhe gesorgt. Katar unterstützt die Bruderschaft, die in Ägypten seit Dezember 2013 als »terroristische Organisation« verfolgt wird. Auch Bahrain, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate stehen der Muslimbruderschaft skeptisch bis feindlich gegenüber und hatten aus Protest gegen die bruderschaftfreundliche Haltung Katars Anfang März ihre Botschafter aus dem Emirat abgezogen. Der stellvertretende Außenminister Kuwaits, Khaled Al-Dscharallah hatte deutlich gemacht, daß dieser Streit »unter den Golfstaaten« ausgetragen werde, nicht auf dem Gipfeltreffen.

Einhellig wiesen die arabischen Staatschefs eine Forderung Israels zurück, wonach die palästinensische Autonomiebehörde Israel als »jüdischen Staat« anerkennen solle. Israel nehme die aktuellen Verhandlungen nicht ernst, was man am ständigen Ausbau der Siedlungen sehe, kritisierte der Generalsekretär der Arabischen Liga, Nabil Al-Arabi. Man werde versuchen, Israel wegen seiner Ausgrenzungspolitik »international zu isolieren«.

Zur Debatte über die Lage in Syrien war eigens der gemeinsame Sondervermittler für Syrien, Lakhdar Brahimi angereist. Brahimi, der als Vermittler der Vereinten Nationen und der Arabischen Liga agiert, sagte, daß die Genfer Gespräche vorerst nicht fortgesetzt werden könnten, da die Beteiligten keine große Bereitschaft dazu zeigten. Die Anwesenden forderte er auf, alle Waffenlieferungen nach Syrien zu stoppen. »Europa, die UN und die USA müssen eindeutige Schritte unternehmen, um die Genfer Gespräche zu reaktivieren«, sagte Brahimi. Eine »militärische Lösung« gäbe es nicht.

Der russische Präsident Wladimir Putin hatte sich schriftlich an die Teilnehmer des Gipfeltreffens gewandt und für eine Fortsetzung der Gespräche in Genf geworben. Wer Einfluß auf eine der gegnerischen Parteien hätte, sollte auf diese einwirken und sie an den Verhandlungstisch drängen. Eine politische Lösung in Syrien und das Ende des Krieges dort könnten auch zu einer Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts beitragen, so Putin.

Syrien selbst war bei dem Treffen nicht vertreten. Die Arabische Liga hatte bereits 2011 die Mitgliedschaft Syriens eingefroren und später den Sitz Syriens der Nationalen Koalition der oppositionellen und bewaffneten Kräfte (Etilaf) überlassen. Dieser Sitz blieb der Nationalen Koalition allerdings auf Initiative von Algerien, Irak und Ägypten dieses Mal verwehrt.

Der Etilaf-Vorsitzende Ahmed Dscharba forderte mehr Waffen und widersprach damit direkt dem Syrien-Vermittler Lakhdar Brahimi. Um das militärische Gleichgewicht zu wenden, bräuchten die Kampfverbände nicht weniger, sondern mehr und zwar »moderne« Waffen. Etilaf-Sprecher Louay Safi konkretisierte die Waffenwünsche seines Vorsitzenden und sagte, man brauche »Luftabwehrraketen«. Dscharba forderte außerdem die Übergabe der syrischen Botschaften in aller Welt an ihn und seine Gruppe.

Unterstützung erhielten Dscharba und die Etilaf vom Außenminister Saudi-Arabiens, Kronprinz Salman bin Abdulaziz. Die »Weltgemeinschaft« habe die bewaffneten Gruppen »verraten«, kritisierte der Prinz. Saudi-Arabien steht, neben Katar und anderen Staaten der »Freunde Syriens«, an der Spitze der Waffenlieferanten für die Kampfverbände, die in Syrien die Macht übernehmen wollen.

** Aus: junge Welt, Donnerstag, 27. März 2013


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