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Waffenhändler Hagel

Die USA rüsten ihre Partner im Nahen und Mittleren Osten massiv gegen Iran auf

Von Olaf Standke *

Pentagon-Chef Chuck Hagel hat bei seiner ersten Israel-Visite ein »klares Signal« Richtung Teheran geschickt: Man werde Iran nicht erlauben, Atomwaffen zu entwickeln. Dafür wollen die USA ihre Partner in der hochexplosiven Region massiv aufrüsten.

Chuck Hagel präsentiert sich auf seiner ersten Nahost-Reise als US-amerikanischer Verteidigungsminister als Waffenhändler. Auch die gemeinsame Pressekonferenz mit dem israelischen Amtskollegen Mosche Jaalon am Montag in Tel Aviv klang streckenweise wie das Protokoll eines riesigen Rüstungsgeschäfts. Washington werde seinen wichtigsten Verbündeten in der Region mit einer ganzen Palette hochmoderner Waffen ausrüsten, darunter Antiradar-Raketen, die eine gegnerische Luftabwehr ausschalten können, Radargeräte für Kampfflugzeuge, weiterentwickelte Boeing KC-135-Tankflugzeuge, die die Reichweite der eigenen israelischen Kampfjets deutlich erhöhen, und sogenannte Kipprotor-Wandelflugzeuge vom Typ V-22-Osprey. Es ist das erste Mal, dass die USA diese Maschine, halb Flugzeug, halb Hubschrauber, ins Ausland liefern wollen. Das Pentagon setzt die V-22-Osprey seit Jahren in Afghanistan und in Irak ein.

Die militärische Zusammenarbeit sei »stärker denn je«, betonte Hagel, dem die Republikaner daheim während der parlamentarischen Bestätigungsprozedur nach seiner Nominierung durch Präsident Barack Obama noch eine viel zu kritische Haltung gegenüber Israel vorgeworfen hatten. Wie der Pentago-Chef hervorhob, garantierten diese neuen Waffen Israels militärische Überlegenheit auf lange Sicht. Sie wären etwa bei einem in Tel Aviv und Jerusalem immer wieder diskutierten möglichen Angriff auf iranische Atomanlagen von großer Bedeutung.

Ohne eine militärische Drohung bestehe keine Chance, dass Teheran die vermutete Entwicklung einer Atombombe stoppt, erklärte Jaalon am Montag erneut. Und auch Hagel sieht die militärische Option im Atomstreit mit Iran weiterhin auf dem Tisch, auch wenn es die letzte sei. Allerdings differierten beide Länder in ihrer Einschätzung, wie schnell Teheran ein Atomwaffe bauen und damit ein militärisches Eingreifen nötig machen könnte.

Dabei ist Israel nur die erste Station auf Hagels Rüstungsreise. Washington will auch Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), zwei der in dieser Woche folgenden Länder, gegen eine angebliche iranische Bedrohung aufrüsten. Nach über einjährigen komplizierten Verhandlungen verkaufen die USA an Abu Dhabi unter anderem 26 F-16-Kampfflugzeuge im Gesamtwert von allein fünf Milliarden Dollar sowie neuartige Luft-Boden-Raketen. Und auch Riad soll diese Präzisionswaffen für seine 2010 georderten 84 F-15-Kampfjets aus den USA erhalten. Allerdings wurde Israel zugesichert, dass die Waffensysteme unter der Aufsicht US-amerikanischer Militärs stehen und erst nach Rücksprache mit Washington abgefeuert werden dürften. Dagegen betonte Chuck Hagel gestern noch einmal das Recht Israels, selbst zu entscheiden, ob es Iran angreifen wolle.

Der Gesamtwert der Waffenlieferungen liegt nach Pentagon-Angaben bei etwa zehn Milliarden Dollar (7,7 Milliarden Euro). Es werde nicht mit größerem Widerstand im Kongress gegen diese Rüstungsdeals gerechnet, wie die »New York Times« dieser Tage schrieb. Vor allem Parlamentarier aus Regionen mit Waffenschmieden, die unter den aktuellen und geplanten Einsparungen im US-Militärhaushalt litten, hätten da ein großes lokales Interesse. Nur dass es hier um ganze andere Dimensionen geht: Hagels Agenda auf dieser Nahost-Reise, die an die Hochrüstung in kalten Kriegszeiten erinnert, sieht aus wie der nächste Schritt zur Vorbereitung eines Militärschlags gegen Iran.

* Aus: neues deutschland, Dienstag, 23. April 2013


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