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Arabiens Führer fürchten Revolten

Entwicklung in Tunesien prägte Gipfeldebatte in Scharm el-Scheich

Von Karin Leukefeld *

Handel und Entwicklung standen auf der Tagesordnung des Arabischen Wirtschaftsgipfels, der am Freitag im ägyptischen Badeort Scharm el-Scheich zu Ende ging. Doch eigentlich war es der Versuch einer informellen Verständigung, wie man sich vor »tunesischen Entwicklungen« schützen könne.

Angesichts der dramatischen Veränderungen in Tunesien, die Massenproteste in vielen arabischen Staaten ausgelöst haben, kamen die arabischen Herrscher nicht umhin, sich mit den Problemen ihrer Bevölkerung zu befassen: Hunger, Arbeitslosigkeit, mangelnde Perspektiven für die Jugend. Die Selbstverbrennung eines jungen arbeitslosen Akademikers hatte die Revolte in Tunesien ausgelöst, Selbstverbrennungen in Algerien, Mauretanien und Ägypten forderten seither weitere Opfer. Beobachter nahmen das als Zeichen der Unfähigkeit arabischer Regimes, der totalen Verzweiflung ihrer Bevölkerung zu begegnen.

Amr Moussa, Chef der Arabischen Liga, bezeichnete die Araber als »wütend und frustriert« wie nie zuvor. »Die Revolution in Tunesien ist nicht weit entfernt von dem, was wir hier diskutieren«, erinnerte Moussa mit Bezug auf die wirtschaftspolitischen Themen des Gipfels. »Die arabische Seele ist zerrissen von Armut und Arbeitslosigkeit.« Politische und wirtschaftliche Probleme seien seit Jahrzehnten ungelöst, nur eine arabische Renaissance könnte die Frustration der Menschen brechen.

Ägyptens Staatschef Hosni Mubarak bezeichnete wirtschaftliche und soziale Entwicklung als Voraussetzung für die »nationale Sicherheit« der arabischen Staaten. In Ägypten warnte derweil die Muslim-Bruderschaft vor Unruhen wie in Tunesien, falls Mubarak nicht endlich Reformen einleite.

Der sudanesische Präsident Omar al-Baschir, der erst vor wenigen Tagen prominente Oppositionsführer in Khartum hatte verhaften lassen, weil sie mit einer Revolte wie in Tunesien gedroht hatten, nannte die hohe Verschuldung seines Landes als Grund für mangelnden Fortschritt. Er rief die Gläubiger Sudans auf, die Schulden zu erlassen.

Der ägyptische Handelsminister Raschid Mohammad Raschid forderte derweil mehr Investitionen für die arabischen Staaten, wo es seit 60 Jahren einen entwicklungspolitischen Stillstand gebe. Die Herausforderungen seien groß, wenn die arabische Welt nicht weiter zurückfallen wolle. In den nächsten 20 Jahren würden 40 Millionen neue Arbeitsplätze gebraucht, sagte Raschid.

Weitere Themen des Treffens in Scharm el-Scheich waren das Referendum im südlichen Sudan und dessen drohende Abspaltung, die Lage der Palästinenser und die Situation in Libanon nach dem Bruch der Regierung. Der Zedernstaat sitze »auf einem Vulkan, der jederzeit ausbrechen kann«, sagte Generalsekretär Amr Moussa.

Um der »historischen Krise« in den arabischen Staaten zu begegnen, richtete der Gipfel einen zwei Milliarden Dollar schweren Fonds ein, der kleine und mittlere Unternehmen unterstützen und neue Arbeits- und Ausbildungsplätze schaffen soll.

Deutliche Kritik übte der Gipfel derweil an »ausländischer Einmischung«. Als Reaktion auf die anhaltende Kritik des Westens und des Vatikans an mangelhaftem Schutz der Christen in arabischen Staaten hieß es, der »Schutz von Minderheiten im Osten« diene als Vorwand, sich in die arabischen Angelegenheiten zu mischen. Der Versuch, den Islam und die Muslime in Misskredit zu bringen und Christen von Muslimen zu spalten, zeige auf bedauerliche Weise ein »mangelndes Verständnis über die Art der terroristischen Anschläge«.

* Aus: Neues Deutschland, 22. Januar 2011


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