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Die Militarisierung der Nahostregion schreitet voran

Von Karin Leukefeld, Damaskus *


Am Rande der Feierlichkeiten zum 60. Jahrestag des NATO-Beitritts der Türkei (1952) erklärte NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen am Freitag (17. Feb.), das westliche Militärbündnis habe nicht vor, in Syrien einzugreifen. Auch ein UN-Mandat zum Schutz der Zivilbevölkerung werde daran nichts ändern, die NATO werde auch keine logistische Unterstützung für einen »humanitären Korridor« leisten. Eine Libyen-ähnliche Intervention in Syrien komme nicht in Frage, weil »die syrische Gesellschaft ethnisch, politisch und religiös komplizierter zusammengesetzt« sei, so der NATO-Generalsekretär.

Spionagedrohnen des führenden NATO-Mitglieds USA operieren allerdings über Syrien. Der US-Sender NBC berichtete unter Berufung auf das US-Verteidigungsministerium, »eine ganze Reihe« Drohnen beobachteten im syrischen Luftraum die Angriffe auf die Zivilbevölkerung. Ein Militäreinsatz gegen Syrien werde nicht vorbereitet, dennoch diskutiere die US-Regierung über »humanitäre Hilfseinsätze«. Der Nationale Sicherheitsberater Obamas,Tom Donilon, traf am Samstag in Israel ein, um sich mit israelischen Vertretern über Iran, Syrien und weitere Fragen zur Sicherheitslage in der Region auszutauschen.

Die Militarisierung der Region erhielt kürzlich einen weiteren Schub durch die Entscheidung der Türkei, der Stationierung des radargestützten NATO-Raketenschilds im Südosten des Landes zuzustimmen, d.h. an der gemeinsamen Grenzen mit Syrien, Irak, Iran, Armenien, Aserbaidschan, Nachitschewan und Georgien. Der Raketenschild, der sich angeblich gegen zukünftige Atomraketen aus dem Iran richtet, wird auch von Rußland als Angriff verstanden. Innerhalb der Türkei wurden Bedenken laut, die NATO könnte Abhördaten und Überwachungsbilder des Radarsystems an Israel weiterleiten. NATO-Generalsekretär Rasmussen spielte die Kooperation mit Israel herunter und behauptete, man werde die Daten nur »innerhalb des NATO-Rahmens weitergeben«, der Israel allerdings einschließt. Seit 1994 ist die geheimdienstliche Kooperation zwischen NATO und Israel im Rahmen des Mittelmeerdialogs geregelt. Sie wurde 2001 erweitert. Israel ist auch in die »Anti-Terror«-Operation »Active Endeavour« im östlichen Mittelmeer aktiv eingebunden.

Der irakische Ministerpräsident Nuri Al-Maliki ordnete derweil an, die mehr als 600 km lange irakisch-syrische Grenze einer Sicherheitsprüfung zu unterziehen. Hintergrund sind illegale Waffenlieferung nach Syrien und das Einschmuggeln religiös motivierter Söldner, allgemein als »Al-Qaida im Irak« bezeichnet. Der Direktor des US-Geheimdienstes James Clapper hatte in der vergangenen Woche erklärt, daß die Serie von Bombenanschlägen in Damaskus und Aleppo die Handschrift der Terrororganisation Al-Qaida trage.

Zum zweiten Mal binnen eines Jahres entsandte der Iran am Wochenende einen Flottenverband ins Mittelmeer. Schiffe der 18. Flotte brächten »eine Botschaft des Friedens und der Freundschaft zu den Staaten der Region« und sollten »die Macht der Islamischen Republik demonstrieren« hieß es in einer Stellungnahme von Marine-Kommandeur Habibollah Sajari. Die Mission zeige, daß die Sanktionen »feindlicher Staaten« die militärischen Möglichkeiten des Landes nicht einschränken könnten.

* Aus: junge Welt, 20. Februar 2012


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