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"Die Zeit des Kriechens ist vorbei"

Fouad Hamdan über die Ziele des arabischen Menschenrechtsfonds

Der Deutsch-Libanese Fouad Hamdan (49) war Korrespondent der Deutschen Presseagentur in Kairo und in den Golfstaaten. 1995 gründete er Greenpeace Libanon, war Sprecher und Kommunikationschef von Greenpeace in Hamburg. Zuletzt leitete Hamdan die Organisation »Freunde der Erde« in Brüssel. Fouad Hamdan ist seit Januar 2008 Geschäftsführer des neu gegründeten »Arab Human Rights Fund« (Arabischer Menschenrechtsfonds, www.ahrfund.org) mit Sitz in Beirut. Mit ihm sprach für das "Neue Deutschland" (ND) Karin Leukefeld.



ND: Warum braucht die Arabische Welt einen Menschenrechtsfonds?

Hamdan: Eine Gruppe, die in der arabischen Welt zum Thema Menschenrechte oder Demokratie arbeitet, braucht Geld. Wir schreiben keine Prioritäten vor, wie europäische oder US-amerikanische Stiftungen oder Regierungsbehörden. Wir ticken anders. Wenn man in Ägypten der Meinung ist, Kinderrechte sind wichtig, dann beschützen wir Kinderrechte. Meint man in Libanon ein anderes Thema sei wichtig, dann werden wir das unterstützen.

Woher kommt das Startgeld für den Fonds?

Unser Startgeld kommt von der US-amerikanischen Ford Stiftung, einer sehr progressiven Stiftung. Das liegt daran, dass heute in der arabischen Welt niemand Geld gibt für Arbeit von Nichtregierungsorganisationen (NRO), um Missstände in der Politik zu verändern. Es gibt hier selbstverständlich eine große Tradition von Spenden, aber nur für mildtätige Zwecke, zum Beispiel wenn man eine Moschee oder ein Altersheim oder eine Kirche bauen will. Das ist kein Problem. Aber wenn man gegen Folter, für Frauenrechte oder Kinderrechte arbeiten will, findet man so gut wie niemanden, der dafür Geld gibt.

Mit US-amerikanischem Geld zu arbeiten macht die Arbeit der Stiftung sicher nicht leichter.

Dank George W. Bush und seiner Politik nach dem 11. September in der arabischen Welt und der Besetzung Iraks ist alles US-Amerikanische hier im Grunde genommen toxisch. Aber die Ford Stiftung hat Menschenrechtsaktivisten in der ganzen Welt unterstützt. In den harten 1970er Jahren in Lateinamerika oder die Emanzipationsbewegung der Schwarzen in den USA mit Martin Luther King. Natürlich macht arabisches Geld unsere Sache legitimer. Ich bin optimistisch, dass wir in den kommenden Jahren viele Araber überzeugen können, uns zu unterstützen. Auch wenn vermutlich die meisten es anonym machen werden. Ein wohlhabender Araber würde sofort Probleme kriegen mit seiner Regierung, wenn bekannt würde, dass er uns einige zehntausend oder hunderttausend Dollar gegeben hat, damit Gruppen diese Regierung quälen. Alles Politische ist eine heiße Kartoffel die niemand anfasst, weil wir in der arabischen Welt keine demokratischen Zustände haben.

Welche Personen arbeiten in dem Fonds mit?

Der Aufsichtsrat arbeitet ehrenamtlich, alles sind bekannte Menschenrechtsaktivisten. Der Vorsitzende ist Fateh Azzam, ein Palästinenser und Leiter des UN-Menschenrechtsbüros hier in Libanon. Ein anderes Aufsichtsratsmitglied ist Leyla Zerrougui, Anwältin in Algerien. May Abboud ist Mathematikprofessorin an der Amerikanischen Universität in Beirut, eine vierte Person ist ein Menschenrechtsaktivist in Kuwait, Ghanem Al-Najjar und dann ist da noch der Leiter einer der größten palästinensischen Stiftungen, Atallah Kuttab aus Jordanien.

Warum ist der Sitz der Stiftung in Beirut?

Als Arabische Menschenrechts-stiftung sind wir offiziell in Holland registriert. Ein Expertenteam hat herausgefunden, dass es nirgends in der arabischen Welt möglich ist, sicher eine unabhängige Stiftung zu gründen, nirgendwo. Entweder gibt es keine Stiftungsgesetze oder die sind so, dass sie uns eher Probleme machen können. Für den Sitz in Beirut haben wir uns entschieden, weil hier die freieste Presse in der arabischen Welt ist und weil hier auch die freieste Atmosphäre herrscht. Obwohl die politische Lage sehr unangenehm und alles ziemlich wackelig ist. Es ist nirgendwo sicher in der arabischen Welt zu arbeiten, aber im Libanon ist es am wenigsten gefährlich für unsere Stiftung.

Wie ist das Echo auf die Gründung Ihrer Stiftung?

Seit Anfang 2008 sind wir aktiv und haben jetzt schon über 150 Anträge bekommen, aus 17 arabischen Ländern, auch aus Israel. Die meisten Anträge kamen aus der Westbank und Gaza. Aus Irak kamen sehr viele Anträge, da gibt es einen Boom an Menschenrechtsorganisationen -- das sind sehr mutige Leute. Die Antragsteller sollen vor allem daran denken, dass ihre Arbeit einen langfristigen Erfolg erzielen soll. Es muss sich etwas verändern. Eine Gruppe aus Ägypten will zum Beispiel 200 Fälle von Menschenrechtsverletzungen gegen Frauen vor Gericht bringen. Eine andere Gruppe in Libanon will ein Frauenhaus bauen, in dem Frauen aller Konfessionen Schutz finden. Ein drittes Beispiel ist eine Gruppe aus Jordanien, die Richtern und Anwälten in Kursen beibringen will, wie sie internationales Menschenrecht in ihre tägliche Arbeit einbauen

Das Logo Ihrer Organisation zeigt einen Menschen ...

... der nach vorne springt, richtig springt. Und nicht kriecht, sondern springt. Kriechen ist vorbei, das wollen wir nicht mehr.

* Aus: Neues Deutschland, 26. August 2008


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