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Nahost: Auftakt in positiver Atmosphäre

Direkte Gespräche zwischen Israelis und Palästinensern in Washington *

Das erste direkte Gespräch zwischen Vertretern Israels und der Palästinenser seit fast drei Jahren ist nach Einschätzung der US-amerikanischen Regierung gut verlaufen.

US-Präsident Barack Obama hat sich angesichts weltweit großer Skepsis persönlich in den Nahost-Friedensprozess eingeschaltet. Er empfing am Dienstag die Unterhändler Israels und der Palästinenser. Diese hatten am Vortag erstmals seit drei Jahren wieder gemeinsam an einem Verhandlungstisch gesessen. Zunächst geht es aber lediglich um Vorgespräche, in denen ein Fahrplan für die eigentlichen Friedensverhandlungen aufgestellt werden soll.

»Es gab ein konstruktives und produktives Treffen der Beteiligten«, sagte ein ranghoher Mitarbeiter des US-Außenministeriums nach der Begegnung am späten Montag (Ortszeit). Die israelische Chefunterhändlerin, Justizministerin Zipi Livni, äußerte sich ebenfalls zufrieden, räumte jedoch Differenzen in ihrer Regierung über das richtige Vorgehen ein. Livni und ihr palästinensischer Verhandlungspartner Sajeb Erakat hatten am Montagabend mit US-Außenminister John Kerry an einem Fastenbrechen teilgenommen, wie es im muslimischen Fastenmonat Ramadan üblich ist. Dabei saßen Livni und Erakat nebeneinander. Mit dabei war auch der frühere US-Botschafter in Israel, Martin Indyk, den die Regierung in Washington als Sonderbeauftragten für die Verhandlungen eingesetzt hat.

Das Treffen dauerte etwa eineinhalb Stunden. Insgesamt waren neun Teilnehmer bei der Runde im US-Außenamt anwesend. Kerry hieß seine Gesprächspartner willkommen und sprach von einem »sehr, sehr besonderen« Augenblick. Für Dienstag war eine Verhandlungsrunde von etwa 45 Minuten geplant.

Der Ministeriumsmitarbeiter erklärte nach Ende des ersten Treffens, beide Seiten seien vertrauensvoll und ernsthaft in die Unterredung gegangen. Livni sagte im israelischen Rundfunk: »Die Atmosphäre war positiv.« Zu den Inhalten der Unterredung wollte sie sich nicht äußern. »Wir haben entschieden, dass das, was gesagt wird, am Verhandlungstisch bleibt und nicht nach außen dringt.«

* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 31. Juli 2013


Ohne Aussicht

Nahost-Gespräche in Washington

Von Knut Mellenthin **


Palästinenserpräsident Mahmud Abbas hat sich dem Druck der reaktionären arabischen Monarchien gefügt und hilft der israelischen Regierung wieder einmal, »Friedensprozeß« zu spielen. Premier Benjamin Netanjahu läßt die Gespräche, die am Montag in Washington unter US-amerikanischer Obhut begannen, »aus strategischen Gründen« führen. Gemeint ist ein diplomatisches Ablenkungsmanöver, in dessen Deckung Israel günstigere Voraussetzungen für Militärschläge gegen Iran und Syrien finden könnte.

In Wirklichkeit hält Netanjahu aber nur ein Null-Angebot bereit. Seine eigene Partei, der Likud, lehnt in ihrem 1999 verabschiedeten Programm die Schaffung eines palästinensischen Staates ausdrücklich ab. Das gilt ebenso für die noch rechtere Jisrael Beteinu des ehemaligen Außenministers Avigdor Lieberman, mit der der Likud sich im vorigen Jahr zusammengeschlossen hat, und für die an der Regierung beteiligte Bajit Jehudi. Wenn Netanjahu trotzdem von Verhandlungen über einen Palästinenserstaat spricht, will er die internationale Öffentlichkeit täuschen, und er rechnet damit, der Gegenseite die Schuld zuweisen zu können, wenn die Gespräche in einigen Monaten scheitern.

Israels Premier will den Palästinensern zwar eine Fahne und eine Hymne, aber kaum Souveränität zugestehen. Was das bedeutet, hat Netanjahu detailliert erläutert: Israel soll die Kontrolle über sämtliche Außengrenzen des Westjordanlandes, einschließlich seines Luftraumes, behalten. Israel beansprucht darüber hinaus die gesamte westliche Seite des Jordantales – das Ostufer gehört zu Jordanien – einschließlich der angrenzenden Bergkette. Dabei geht es nicht zuletzt um die Herrschaft über wichtige Wasserressourcen, und zwar nicht nur über die des Jordan, sondern auch über die Vorkommen in und unter der Bergkette. Das so definierte Jordantal macht rund ein Drittel der Westbank aus. Eine dauerhafte israelische Kontrolle über dieses Gebiet würde die Abhängigkeit der palästinensischen Wasserversorgung von Israel festschreiben. Erschwerend kommt hinzu, daß Israel nicht nur das arabische Ostjerusalem behalten will, sondern auch sämtliche Siedlungen im Westjordanland, in denen jetzt schon nach offiziellen Angaben 340000 bis 360000 Menschen leben.

Netanjahu sei bereit, den Palästinensern in einem Friedensabkommen 86 Prozent des Westjordanlandes zu »überlassen«, klagt der stellvertretende Außenminister Zeew Elkin, ein Mitglied des Likud, und findet das ganz schändlich. In dieser Rechnung ist aber unter anderem nicht berücksichtigt, daß Netanjahu das Jordantal für 90 oder 100 Jahre »pachten« will. In Wirklichkeit bliebe den Palästinensern bei Netanjahus Plan kaum die Hälfte der Westbank – durch Streifen israelischer Siedlungen in zwei oder drei Einzelteile getrennt. Und während Scheinverhandlungen geführt werden, geht die Bautätigkeit in den besetzten Gebieten weiter. Eine »Zweistaatenlösung« liegt aufgrund der von Israel geschaffenen irreparablen Fakten längst jenseits der Realität.

** Aus: junge Welt, Mittwoch, 31. Juli 2013


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