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Zurück an den Verhandlungstisch genötigt

Washington drängt auf Fortschritte bei Nahostverhandlungen / EU droht Palästinensern mit Mittelstreichung

Von Oliver Eberhardt, Jerusalem *

USA und EU wollen in den Verhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern ein Machtwort sprechen. Die beiden Konfliktparteien reagieren verschnupft.

Der Schnee, der Jerusalem und große Teile des Westjordanlandes am Wochenende in eine Winterlandschaft verwandelt hatte, ist getaut, dennoch scheint eine Eiszeit begonnen zu haben, wenigstens in der Politik. »Wir lassen uns hier keinesfalls unter Druck setzen«, wetterte Israels Außenminister Avigdor Lieberman am Dienstag. Und Saeb Erekat, der eigentlich vor einiger Zeit zurückgetretene Unterhändler in den Verhandlungen mit Israel, donnerte nahezu zeitgleich, USA und Europäische Union arbeiteten »mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln« auf ein Scheitern der Verhandlungen hin.

Sowohl aus Brüssel als auch aus Washington weht derzeit ein anderer Wind in Richtung Nahost. »Kurz zusammengefasst: Dieses Rumgeeiere ist nicht mehr akzeptabel«, sagt ein Mitglied der amerikanischen Delegation, eines mehr als 150 Mitarbeiter des US-Außenministeriums umfassenden Teams, das nach Wegen suchen soll, die festgefahrenen Gespräche zwischen beiden Seiten anzuschieben. Die Ansage sei nun, mehr Druck zu machen, aktiver zu werden.

Und zwar so: In den kommenden Tagen wird US-Außenminister John Kerry, so ist es jedenfalls vorgesehen, einen eigenen Entwurf für ein Rahmenabkommen vorlegen, der alle strittigen Punkte berücksichtigen soll. Was in diesem Papier ungefähr stehen wird, haben beiden Seiten in einer Reihe von mehrstündigen Gesprächen erfahren, die Kerry bei zwei Besuchen in der Region in der vergangenen Woche führte. Die bereits bekannten Details: Die Palästinenser sollen Israel als jüdischen Staat anerkennen und akzeptieren, dass zwar große Teile des Westjordanlandes geräumt werden, das Militär aber für bis zu zehn Jahre eine Präsenz im Jordantal an der Grenze Palästinas zu Jordanien unterhält. Auf der anderen Seite soll Israels Regierung eine weitgehende Räumung der besetzten Gebiete hinnehmen.

Um dem Ganzen Nachdruck zu verleihen, hat sich Washington die EU ins Boot geholt: Am Montag boten die 28 EU-Außenminister in einer Resolution beiden Seiten ein »beispielloses Paket aus politischer, wirtschaftlicher und sicherheitstechnischer Unterstützung« an, sollte man ein Statusabkommen vereinbaren. Im Falle eines Friedensabkommens werde man beiden Staaten eine spezielle privilegierte Partnerschaft anbieten, die den Zugang zu europäischen Märkten, eine enge kulturelle und wissenschaftliche Zusammenarbeit sowie die Vereinfachung von Handel und Investment beinhalten würden.

Andererseits hatten hochrangige EU-Vertreter vor einigen Wochen zu Protokoll gegeben, es sei durchaus möglich, dass die Finanzhilfen an die Palästinenser komplett eingestellt würden, falls die Verhandlungen im Sande verlaufen – eine Warnung auch an die Israelis, die im Falle des Zusammenbruchs der Palästinensischen Autonomiebehörde ohne finanzielle Unterstützung von außen die Kosten für die Zivilverwaltung der besetzten Gebiete tragen müssten.

Beide Seiten reagieren entsprechend sauer: Vertreter der israelischen Regierung sagen mittlerweile offen, dass man nur aus einem Grund am Verhandlungstisch Platz genommen hat: Sie wollen verhindern, dass die Palästinenser, die es vor einem Jahr gegen den energischen Widerstand Israels geschafft hatten, ihren Status bei den Vereinten Nationen zum Nichtmitgliedsstaat aufzuwerten, die Mitgliedschaft beispielsweise beim Internationalen Gerichtshof suchen.

Die Palästinenser setzten sich derweil nach Aussage von Mitarbeitern von Präsident Mahmud Abbas nur mit dazu, weil die Reduzierung der Finanzhilfen drohte, eine Grundlage für den Machterhalt des extrem unbeliebten Präsidenten und seiner Fatah-Fraktion. »Die Prämisse war, dass alles wenigstens so bleibt, wie es ist, solange wir verhandeln«, sagt der Abbas-Mitarbeiter. Und im Büro des israelischen Premiers heißt es: »Für uns war und ist der Weg das Ziel.«

* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 18. Dezember 2013


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