Golan-Höhen Streitpunkt in Nahost
USA wollen Syrien in die regionalen Friedensverhandlungen einbinden
Von Karin Leukefeld, Damaskus *
Um einen »umfassenden Friedensprozess« im Nahen Osten in Gang zu
bringen, traf der US-Sonderbeauftragte George Mitchell jetzt in Damaskus
mit dem syrischen Präsidenten Bashar al-Assad und Außenminister Walid
Mouallem zusammen.
Ziel der US-amerikanischen Politik in der Region sei nicht nur, die
israelisch-palästinensischen Gespräche wieder in Gang zu bringen, sagte
Mitchell, auch Israel, Syrien und Libanon wolle man an den
Verhandlungstisch bringen. Washington strebe die »vollständige
Normalisierung der Beziehungen zwischen Israel und seinen Nachbarn« an.
Er habe dazu ein »sehr gutes Gespräch« mit dem syrischen Präsidenten
gehabt, sagte Obamas Sondergesandter, ohne Einzelheiten zu nennen.
Die syrische Nachrichtenagentur SANA berichtete, Assad habe die Position
seines Landes deutlich gemacht und die Rückgabe der Golan-Höhen
gefordert. Dabei handele es sich keineswegs um »ein Zugeständnis«
Israels, sondern um die Rückgabe besetzten Bodens an seine rechtmäßigen
Besitzer. Ohne diesen Weg »wird kein Frieden Bestand haben«, sagte
Präsident Assad und forderte »Garantien«, damit das, worauf man sich
einigt, »auch umgesetzt wird«. Bis Dezember 2008 hatte die Türkei
indirekte Gespräche zwischen Israel und Syrien vermittelt, die Syrien
nach Beginn des israelischen Krieges gegen Gaza abgebrochen hatte.
Präsident Assad kann sich seiner Sache sicher sein. Er hat nicht nur das
Völkerrecht auf seiner Seite, die engen Beziehungen zur libanesischen
Hisbollah und zur palästinensischen Hamas, deren Führer Chalid Meshaal
in Damaskus in Exil lebt, machen Syrien für die USA zu einem
unverzichtbaren Gesprächspartner in Sachen Frieden in der Region. Hinzu
kommen die Jahrzehnte langen strategischen Beziehungen zwischen Syrien
und Iran, die unmittelbar nach dem Gespräch zwischen Mitchell und Assad
durch den Besuch des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad in
Damaskus demonstriert wurden. Während der frühere US-Präsident George W.
Bush auf Konfrontation setzte, versucht Obama, mit seiner neuen
Dialogstrategie das Land »einzubinden«. Unterstützt wird er dabei von
Frankreich, das mit dem früheren Syrien-Botschafter Jean-Claude
Cousseran ebenfalls einen Sondervermittler eingesetzt hat.
Die Golan-Höhen werden auch weiterhin zentrale Forderung Syriens
bleiben, das sich auf die UN-Resolutionen 242 (November 1967) und 497
(Dezember 1981) beruft. Die erste wurde vom UN-Sicherheitsrat nach der
israelischen Besetzung im Sechs-Tage-Krieg 1967 verabschiedet, die
zweite bezieht sich auf die völkerrechtswidrige Annexion des Golan.
Israel ignoriert die Rückgabeforderungen und hat das Gebiet systematisch
besiedelt. Als »israelisches Texas mit Pferde- und Rinderfarmen« wird es
vom Tourismusministerium beschrieben. Mit »Attraktionen für die ganze
Familie« sei Golan ein Paradies für »Wintersportfreunde«, im Sommer
»erfrischen sich Wanderer im kühlen Nass der Golan-Bäche«, und im
Frühling böten »bunte Blumenteppiche einen grandiosen Anblick«. Vor
allem aber ist Golan militärstrategisch für Israel von großer Bedeutung,
zudem bedient man sich der reichen Wasserressourcen.
Von rund 150 000 Syrern, die bis 1967 dort lebten, sind bis heute noch
rund 18 000 geblieben, die meisten von ihnen Drusen. UN-Schutztruppen
sind im Golan-Gebier stationiert und kontrollieren den einzigen
Grenzübergang bei Kuneitra. Nach langwierigen Verhandlungen dürfen junge
Frauen, die an Männer in Syrien verheiratet werden, die Grenze
überschreiten, Studierenden wird die Passage jeweils zu Semesterbeginn
ebenfalls erlaubt. Neuerdings lässt Israel auch den Transport von Äpfeln
aus den syrischen Dörfern nach Syrien zu. Vor wenigen Tagen durften 697
Syrer, darunter 200 Frauen, ihre Dörfer auf den Golan-Höhen verlassen
und für einen fünftägigen Besuch nach Syrien reisen, berichtete SANA.
Viele der zumeist Älteren seien seit mehr als 40 Jahren nicht mehr bei
ihren Familien gewesen.
* Aus: Neues Deutschland, 20. September 2010
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