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"Die Nase voll"

Arabischer Gipfel deutlich und einmütig gegen Israels Siedlungspolitik. Dialog mit Iran und Türkei angestrebt

Von Karin Leukefeld, Doha/Katar *

Mit seltener Deutlichkeit und Einigkeit verurteilte der 22. Arabische Gipfel Israel und dessen Siedlungspolitik. Schon im Vorfeld war das Treffen am Wochenende in Sirte (Libyen) als »Jerusalem-Konferenz« bezeichnet worden -- ein Hinweis auf die Sorge, die das aktuelle Vorgehen Tel Avivs in Ostjerusalem bereitet. Insbesondere der anhaltende Bau von weiteren Wohneinheiten sowie der unverhohlen geäußerte Anspruch auf die Metropole hatten die Unmut gesorgt. Nun beschloß die Arabische Liga, der 22 Länder angehören, ein Hilfsprogramm in Höhe von 500 Millionen US-Dollar für die Palästinenser in Ostjerusalem aufzulegen.

Das Geld werde zum Ausbau der Infrastruktur, für Krankenhäuser, Schulen und Brunnen gebraucht, hieß es. Die Arabische Liga will außerdem über den UN-Sicherheitsrat eine Verurteilung von Israels Siedlungsbau erreichen. An die USA wurde appelliert, gegen eine derartige Entscheidung kein Veto einzulegen. Außerdem soll Israel für seine anhaltende Verletzung internationalen Rechts vor den Internationalen Gerichtshof in Den Haag gebracht werden.

Differenzen zwischen arabischen Führern traten angesichts des alles dominierenden Themas in den Hintergrund. Auch Muammar Al-Gaddafi hielt sich dieses Mal merklich zurück. Der libysche Staatschef, der das Treffen in seiner Geburtsstadt Sirte ausgerichtet hatte, beschwor wiederholt die Notwendigkeit einer arabischen Einheit, um dem aggressiven Vorgehen Israels entgegenzutreten. Die arabischen Völker hätten »die Nase voll« von wirkungslosen Gesprächen und Appellen, »die Menschen erwarten Taten, nicht Worte«, sagte Gaddafi.

Der Generalsekretär der Arabischen Liga, Amr Moussa, hatte in seiner Eröffnungsrede am Samstag befürchtet, daß »der Friedensprozeß komplett scheitert«. Bei den bisherigen Verhandlungen habe man nur »Zeit verloren und nichts erreicht«. Moussa plädierte auch für engere Beziehungen der arabischen Staaten zum Iran. Ein Dialog mit Teheran sei notwendig. In deutlicher Abgrenzung zu westlichen Bemühungen, den Iran mit verschärften Sanktionen weiter zu isolieren, schlug Moussa die Gründung eines Regionalen Kooperationsforums vor, dem neben den arabischen Staaten auch die Türkei und der Iran angehören sollten.

Der Emir von Katar, Scheich Hamad bin Khalifa Al-Thani, forderte die Versammlung auf, die »historische Verantwortung« zu übernehmen und angesichts der ernsten Probleme die »Krise der arabischen Einheit« zu überwinden. Es habe seit dem Gipfel in Katar 2009 keine zufriedenstellenden Ergebnisse gegeben, meinte er und fragte angesichts der Lage in Ostjerusalem, ob »Verurteilungen ausreichend« seien. »Ist das wirklich alles, was wir tun können?«

Auch UN-Generalsekretär Ban Ki Moon verurteilte Israels Siedlungspolitik als Verstoß gegen das Völkerrecht. Verhandlungen müßten darauf abzielen, daß Jerusalem die Hauptstadt von zwei Staaten werde. Er forderte die arabischen Länder zudem auf, die USA bei ihren Versuchen zu unterstützen, daß Israel und die palästinensische Autonomiebehörde »indirekte Gespräche« aufnehmen.

Dagegen bezog Mahmud Abbas in Sirte Stellung. Gespräch werde es ohne Siedlungsstopp nicht geben, so der palästinensische Präsident. Türkeis Premier Recep Tayyip Erdogan, der als Gast an dem Gipfeltreffen teilnahm, bezeichnete das Vorgehen Israels als »Wahnsinn«. Jeder wisse, daß »Jerusalem der Augapfel eines jeden Moslem« sei. König Abdullah von Jordanien warf Israel vor, die Identität Jerusalems ändern zu wollen und »mit dem Feuer zu spielen«. Der syrische Präsident Baschar Al-Assad wiederholte seine Äußerung, Israel verstehe nur »die Sprache der Gewalt«.

Das Gipfeltreffen in Sirte war auch mit Forderungen aus dem Gazastreifen konfrontiert worden. Unterstützt von einer Demonstration am geschlossenen Grenzübergang Rafah verlangte die palästinensische Hamas am Samstag ein Ende der Blockade von seiten Ägyptens, das den Grenzübergang Rafah geschlossen hält. Die arabischen Staaten sollten auch helfen, die während des israelischen Angriffskriegs 2008/2009 weitgehend zerstörte Infrastruktur im Gazastreifen wieder aufzubauen.

* Aus: junge Welt, 29. März 2010


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