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Israel setzt Siedlungsbau in Westbank fort

Trotz aller diplomatischen Bemühungen kein Ende der Landnahme auf palästinensischem Boden *

Ungeachtet internationaler Bedenken sind im Westjordanland die Bauarbeiten in den jüdischen Siedlungen wieder aufgenommen worden. Am Montagmorgen setzten sich die Bulldozer in Bewegung, nachdem in der Nacht ein zehnmonatiger Baustopp ausgelaufen war.

Nach dem Ende eines zehn Monate langen Baustopps haben israelische Siedler im Westjordanland mit dem Bau Dutzender neuer Häuser begonnen. Allerdings blieb am Montag (27. Sep.) der befürchtete Bauboom Siedlervertretern zufolge zunächst aus. Ein Grund dafür ist das jüdische Laubhüttenfest, das noch bis zum Sonnenuntergang am Donnerstag ((30. Sep.) dauert. Darüber hinaus seien Investoren zögerlich und wollten erst das Ergebnis der politischen Verhandlungen abwarten.

Derweil gehen die diplomatischen Bemühungen weiter, einen neuen Kompromiss für eine Verlängerung des abgelaufenen Baustopps zu finden. Bundesaußenminister Guido Westerwelle hat an Israel und die Palästinenser appelliert, ihre Friedensgespräche fortzusetzen. »Dazu zählt aber auch, dass eine Siedlungspolitik nicht fortgesetzt werden kann. Sprich, dass ein Einfrieren der Siedlungsaktivitäten aus deutscher Sicht die richtige Entscheidung wäre«, sagte Westerwelle.

Auch der französische Staatschef Nicolas Sarkozy plädierte für eine Fortsetzung des Siedlungsmoratoriums, um ein Klima des Vertrauens zu schaffen. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas wollte sich nach einem Treffen mit Sarkozy in Paris nicht dazu äußern, ob er den Friedensprozess fortsetzt oder abbricht. Abbas verwies auf eine Sitzung eines Komitees von elf Außenministern der Arabischen Liga am 4. Oktober in Kairo. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu appellierte an Abbas, die ernsthaften und guten Gespräche fortzusetzen, um ein historisches Friedensabkommen zu erreichen.

Am Sonntagabend (26. Sep.) war ein zehn Monate langer Baustopp Israels im Westjordanland abgelaufen. Damit können theoretisch 2066 neue Wohnungen und Häuser gebaut werden, für die entsprechende Genehmigungen bereits erteilt worden sind. In Ariel, wo rund 19 000 Siedler leben, begann nach Angaben des israelischen Rundfunks der Bau eines neuen Viertels.

Im Westjordanland leben nach Angaben der israelischen Statistikbehörde rund 300 000 Siedler sowie 2,4 Millionen Palästinenser. Seit Beginn der ersten Friedensgespräche im Jahr 1991 hat sich die Zahl der Siedler nahezu verdreifacht. Die Palästinenser wollen im Westjordanland und im Gazastreifen sowie im besetzten arabischen Ostteil Jerusalems einen eigenen Staat ausrufen. Nach israelischen Medienberichten bemühen sich beide Seiten, mit Hilfe von US-Vermittlern binnen einer Woche einen Kompromiss zu finden. Eine Idee sei, dass US-Präsident Barack Obama Israel und den Palästinensern schriftliche Garantien gibt.

* Aus: Neues Deutschland, 28. September 2010


Siedler provozieren in Westbank

Nach dem Ende des Baustopps drohen Palästinenser mit Abbruch der Verhandlungen **

Ungeachtet internationalen Drucks hat die israelische Regierung in der Nacht zum Montag (27. Sep.) den Baustopp für jüdische Siedlungen im Westjordanland auslaufen lassen. Tausende Siedler feierten dies als großen Sieg. Mit Reden, Musik, Tänzen und Luftballons verbrachten sie die letzten Stunden des zehnmonatigen Moratoriums. Das israelische Fernsehen berichtete, Bauarbeiten würden in mindestens acht der- nach internationalem Recht illegalen - Siedlungen wieder aufgenommen. Aus allen Teilen der besetzten Westbank trafen im Laufe des Tages Berichte über provozierende Siedleraktivitäten ein. So wurden Wohnwagen in der Nähe palästinensischer Dörfer aufgestellt, Bulldozer begannen mit Erdarbeiten. So sollen in der Siedlung Ariel 50 neue Wohneinheiten entstehen. Der Sprecher des Siedlerrates Jesha, Dani Dayan, lobte den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu. Dieser habe sich nicht dem internationalen Druck gebeugt, sondern seine Glaubwürdigkeit gewahrt.

Während im Westjordanland so alles nach Plan für die Siedler lief, traf der palästinensische Präsident Mahmud Abbas in Paris Vertreter der jüdischen Gemeinde Frankreichs. Israel habe zwei Möglichkeiten, sagte Abbas dort. Entweder es wähle den Frieden, dann könnten die Verhandlungen fortgesetzt werden, oder es entscheide sich für die Siedlungen, dann seien die Gespräche »Zeitverschwendung« gewesen. Die Entscheidung über den angekündigten Abbruch der Gespräche zögert Abbas derweil hinaus. Erst nach einer Zusammenkunft mit der Arabischen Liga am 4.Oktober werde bei Fatah und in der PLO entschieden, wie es weitergehe.

In Gaza trafen am Montag (27. Sep.) erneut Vertreter von Fatah und Hamas zusammen. Nach der ersten Runde in Damaskus vor wenigen Tagen machten die Versöhnungsgespräche »ernsthafte Fortschritte«, sagte Faisal Abu Shahla vom Fatah-Revolutionsrat. Man habe sich in drei von vier Streitpunkten geeinigt, die bisher die Unterzeichnung des von Ägypten vermittelten Versöhnungsabkommens blockiert hätten. Dabei geht es um die Zusammensetzung eines zentralen Wahlkomitees sowie die Bildung eines Wahlgerichts. Die Hamas fordert außerdem die Umstrukturierung der PLO, erst dann würde sie dem Gremium beitreten. Die Gespräche sollen in der kommenden Woche in Damaskus fortgesetzt werden.
Karin Leukefeld

** Aus: junge Welt, 28. September 2010


Sie bauen einfach weiter

Von Roland Etzel ***

Was war das für eine hektische Betriebsamkeit am Wochenende: Man durfte den Eindruck gewinnen, die in New York versammelte erste Garde der Weltdiplomatie beschäftigte sich mit nichts anderem als der Rettung des Nahostfriedensprozesses. Und nun?

Offenbar davon völlig unbeeindruckt setzen die israelischen Siedler ihren nur für zehn Monate unterbrochenen Häuserbau auf palästinensischem Territorium fort, und niemand stört sie dabei. Nicht der israelische Ministerpräsident Netanjahu, der kürzlich seinem palästinensischen Partner vor aller Welt »aufrichtige Friedensbemühungen« versprochen hatte; nicht US-Außenministerin Clinton, die Israel angeblich noch am Wochenende zu einem Baustopp drängte; und auch nicht der Bundesaußenminister, der verlauten ließ, er habe Netanjahu gebeten, auf den Weiterbau zu verzichten.

Sie alle stehen jetzt unter Erklärungszwang - außer Netanjahu. Denn der tut genau das, was er auch angekündigt hat: nämlich weitere israelische Siedlungen auf palästinensischem Land zu errichten. Aber die sonst mit Sanktionsdrohungen gar nicht so sparsamen Diplomaten der Vetomächte ziehen es vor, sich machtlos zu geben. Kein Gedanke daran, Israel wenigstens eine Frist für ein Ende des Landraubs zu setzen. Ihre einzige Aufforderung ging gestern an Abbas. Er soll gefälligst weiter verhandeln. Sie hätten ihm wenigstens sagen können, worüber.

*** Aus: Neues Deutschland, 28. September 2010 (Kommentar)


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