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Nahostgespräche in Washington

Israel und Palästinenser wollen direkte Verhandlungen aufnehmen / Auftakt ist für den 2. September geplant

Das Nahost-Quartett und die USA haben Israelis und Palästinenser zu direkten Verhandlungen eingeladen.

Die Gespräche seien für den 2. September in Washington geplant, teilte das Quartett am Freitag (20. Aug.) in Brüssel mit. Zu der Gruppe gehören außer der EU die USA, Russland und die Vereinten Nationen. US-Außenministerin Hillary Clinton bestätigte die Einladung. Damit werden Israel und die Palästinenser erstmals nach knapp zweijähriger Unterbrechung wieder direkte Verhandlungen aufnehmen. Die beiden Seiten hatten zuletzt Ende 2008 vor Beginn des Gaza-Krieges direkt miteinander gesprochen.

Laut Quartett-Erklärung sollen alle endgültigen Status-Fragen gelöst werden. Hauptstreitpunkte in den Nahost-Verhandlungen sind die Grenzen eines künftigen Palästinenserstaates und die Sicherheitsgarantien für Israel.

Zum Auftakt der Gespräche will US-Präsident Barack Obama den israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu und Palästinenserpräsident Mahmud Abbas nach Washington einladen. Netanjahu und Abbas hätten einen Zeitrahmen von maximal einem Jahr für die Verhandlungen festgesetzt, hieß es.

In den vergangenen drei Monaten sprachen Israel und die Palästinenser nur unter Vermittlung des US-Nahost-Gesandten George Mitchell miteinander. Abbas hat den direkten Gesprächen mit Israel erst nach starkem internationalen Druck zugestimmt. Die Palästinenser wollen bis Mitte 2011 alle Grundlagen für einen eigenen Staat aufbauen. Dazu gehören loyale Sicherheitskräfte, eine unabhängige Justiz sowie eine funktionierende und transparente Verwaltung. Netanjahu hat zwar bislang alle Vorbedingungen der Palästinenser abgelehnt, aber seit mehr als einem Jahr wiederholt seine generelle Bereitschaft zu direkten Verhandlungen erklärt.

Die beiden schwierigsten und emotionalsten Verhandlungspunkte betreffen das Schicksal von rund 4,8 Millionen registrierten palästinensischen Flüchtlingen sowie die Zukunft Jerusalems. Die Palästinenser wollen in dem von Israel besetzten arabischen Ostteil Jerusalems die Hauptstadt ihres eigenen Staates ausrufen.

Die US-Regierung und die Europäische Union haben sich vehement dafür eingesetzt, dass die direkten Gespräche bis spätestens Anfang September beginnen. Am 26. September läuft ein einseitiger Baustopp Israels im Westjordanland aus. Sowohl die USA als auch die EU befürchteten, dass ein neu aufflammender Streit über den israelischen Siedlungsbau auf lange Sicht direkte Verhandlungen torpedieren könnte. Im Nahost-Konflikt gilt indes die Erfahrung: Selbst einfach anmutende Probleme sind komplizierter als erwartet und oft unlösbar.

* Aus: Neues Deutschland, 21. August 2010


Israel setzt sich durch

Palästinenser stimmen offenbar direkten Friedensgesprächen zu **

Wie EU- und USA-Diplomaten am Freitag (20. Aug.) bestätigten, werden sich Israelis und Palästinenser am 2. September in Washington erstmals wieder zu direkten Gesprächen treffen. Dabei sollen nach Angaben aus EU-Kreisen auch die umstrittensten Themen auf den Tisch kommen: der Endstatus eines eigenständigen Palästinas, die Grenzen, die Aufteilung Jerusalems sowie die Frage, wie mit den palästinensischen Flüchtlingen umgegangen werden soll. Dazu habe es hinter den Kulissen bereits monatelange Vorverhandlungen gegeben, in die auch die USA, die EU, Rußland und die Vereinten Nationen eingebunden gewesen seien.

Die direkten Gespräche zwischen Israel und den Palästinensern waren nach der israelischen Militäroffensive im Gazastreifen im Dezember 2008 und Januar 2009 abgebrochen worden. Für eine Wiederaufnahme des Dialogs machte die palästinensische Seite bislang vor allem einen Stopp des Baus israelischer Siedlungen in den palästinensischen Gebieten zur Bedingung. Tel Aviv hatte hingegen wiederholt Vorbedingungen abgelehnt. »Ich hoffe auf die Wiederaufnahme direkter Verhandlungen mit den Palästinensern ohne Vorbedingungen«, hatte Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu noch zu Wochenbeginn während eines Besuchs in Athen erklärt.

Am vergangenen Sonntag (15. Aug.) hatten in Damaskus elf palästinensische Organisationen in einer gemeinsamen Erklärung »direkte oder indirekte Verhandlungen mit Israel« erneut abgelehnt. In der unter anderem von der Hamas, der PFLP, der DFLP und anderen Gruppen unterzeichneten Erklärung heißt es, »in einer Zeit wachsender internationaler Solidaritätsbewegungen mit dem palästinensischen Volk« dienten direkte Verhandlungen nur dazu, »die Isolierung des kriminellen Besatzerstaates zu verringern«. Die im Westjordanland regierende Fatah hatte an dem Treffen nicht teilgenommen. (AFP/apn/jW)

** Aus: junge Welt, 21. August 2010


Ganz ohne Vorbedingung?

Von Roland Etzel ***

Nun sollen sie also wieder Aug' in Auge verhandeln, Regierungsvertreter Israels und der Palästinenser (von der Fatah; der Hamas wird jegliche Legitimität abgesprochen) und auch noch binnen eines Jahres einig werden, so die optimistische Mitteilung der Washingtoner Gastgeber. Worauf sich die Zuversicht gründet, dass mehr herauskommt als ein Fototermin wie zwischen Abbas und Olmert, arrangiert von einem strahlenden Bush jun. in Annapolis im November 2007, blieb gestern offen.

Wie manches andere auch. Zum Beispiel die Tagesordnung. Jede Art von Verhandlungen ist zu begrüßen, doch sollen sie mehr sein als Show-Time, bedürfen sie zielführender Elemente. So wichtig das Gebot Ergebnisoffenheit ist – warum sämtliche gültigen Nahostresolutionen des UN-Sicherheitsrates offenbar nicht Grundlage der Gespräche sein sollen, müsste Außenministerin Clinton schon erklären. Ihr Drängen auf »Verhandlungen ohne Vorbedingungen« ginge sonst allein zu Lasten der Palästinenser.

Die Feststellungen Netanjahus, er werde keinesfalls verhandeln über die Flüchtlingsfrage, den Status Jerusalems und die Räumung der Westbank-Siedlungen drängen hingegen die Frage auf, wo seine Regierung überhaupt kompromissbereit ist. Für die Palästinenser entsteht so der fatale Eindruck, hier solle der für sie unannehmbare Status quo »friedlich« besiegelt werden. Daher rührt ihre Skepsis. Und nicht nur ihre.

*** Aus: Neues Deutschland, 21. August 2010 (Kommentar)


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