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Bush gerät unter Beschuss durch ehemalige Botschafter
Bush under fire from US ex-envoys

Im Wortlaut: 50 ehemalige US-Diplomaten kritisieren die amerikanische Nahostpolitik
50 retired US diplomats criticise current American policy towards the Middle East (verbatim)

Im Folgenden dokumentieren wir - zunächst in einer deutschen Übersetzung, dann im englischen Original - einen Aufsehen erregenden Brief von rund 50 ehemaligen US-Botschaftern und anderen hohen Diplomaten. Der Brief hat einen britischen "Vorgänger": Am 26. April 2004 veröffentlichten 52 britische ehemalige Diplomaten (Botschafter, "hohe Kommissare", Gouverneure), von denen einige auch Erfahrungen aus ihrer langjährigen Arbeit im Nahen Osten haben, einen Brief an Premierminister Tony Blair, in dem sie seine Irak- und Nahostpolitik kritisieren (vgl. den Brief an den Premierminister im Wortlaut).


30. April 2004

Sehr geehrter Herr Präsident

wir ehemaligen US-Diplomaten applaudieren unseren 52 britischen Kollegen, die kürzlich einen Brief an Premierminister Tony Blair gesandt haben, in dem sie seine Nahostpolitik kritisieren und Großbritannien aufrufen, mehr Einfluss auf die Vereinigten Staaten auszuüben.

Als pensionierte Mitglieder des Auswärtigen Dienstes sind uns die Außenpolitik unseres Landes und die Glaubwürdigkeit der USA in der Welt äußerst wichtig. Auf Bitte unserer Kollegen in der Regierung und im Militär haben wir ihre Namen ebenfalls zugefügt.

Wir sind auch tief beunruhigt über ihre Billigung vom 14. April des einseitigen Plans des israelischen Premierministers Ariel Sharon, die Rechte von drei Millionen Palästinensern zurückzuweisen, den Flüchtlingen das Recht zu verwehren, in ihr Heimatland zurückzukehren und fünf große illegale Siedlungsblöcke in der besetzten West Bank zu erhalten. Dieser Plan läuft Resolutionen des UN-Sicherheitsrats zuwider, die Israel zur Rückgabe der besetzten Gebiete auffordern. Er ignoriert internationale Gesetze, die israelische Siedlung für illegal erklären. Er setzt sich über die 1948 verabschiedete UN-Resolution 194 hinweg, die das Recht der Flüchtlinge bestätigt, in ihre Häuser zurückzukehren oder eine Entschädigung für den Verlust ihres Besitzes und Unterstützung bei der Umsiedlung in ein Gastland zu bekommen, wenn sie dies wünschen. Und er untergräbt den von dem Quartett, einschließlich der USA, entworfenen Fahrplan zum Frieden. Schließlich verkehrt er langjährige amerikanische Politik im Nahen Osten ins Gegenteil.

Ihr Treffen mit Sharon folgte einer Reihe von intensiven Verhandlungen zwischen Israelis und Amerikanern, die aber die Palästinenser außen vor ließen. Tatsächlich haben Sie und Premierminister Sharon beständig die Palästinenser von den Friedensverhandlungen ausgeschlossen. Der frühere palästinensische Informationsminister Yasser Abed Rabbo sprach die überwältigende Reaktion der Menschen überall auf der Welt aus, als er sagte: "Ich glaube Präsident Bush hat heute den Tod des Friedensprozesses erklärt."

Durch das Schließen der Tür für Verhandlungen mit den Palästinensern und die Möglichkeit eines palästinensischen Staates haben sie bewiesen, dass die Vereinigten Staaten kein unparteiischer Friedenspartner sind. Sie haben US-Diplomaten, Zivilisten und Militärangehörige, die ihre Arbeit in Übersee machen in eine unhaltbare und sogar gefährliche Lage versetzt.

Ihre unqualifizierte Unterstützung von Sharon außergerichtlichen Ermordungen, Israels Barriere, die wie die Berliner Mauer ist, seinen harten militärischen Maßnahmen in den besetzten Gebieten und nun ihre Billigung von Sharons einseitigem Plan kosten unser Land seine Glaubwürdigkeit, sein Ansehen und seine Freunde. Und diese Billigung ist nicht einmal im Interesse des Staates Israel.

Es ist nicht zu spät, den amerikanischen Prinzipien von Recht und Gerechtigkeit in unseren Beziehungen mit allen Menschen im Nahen Osten wieder Geltung zu verschaffen. Unterstützen Sie Verhandlungen zwischen Palästinensern und Israelis, bei denen die Vereinigten Staaten als ein wirklich ehrlicher Vermittler auftreten. Eine Rückkehr zu der altehrwürdigen amerikanischen Tradition der Gerechtigkeit wird das derzeitige Anwachsen der Feindseligkeit in Europa und im Nahen Osten - sogar im Irak - umkehren. Weil der israelisch-palästinensische Konflikt im Herzen der Probleme im Nahen Ost liegt, wird die ganze Region - und die Welt - zusammen mit Israelis und Palästinensern frohlocken, wenn das Töten aufhört und Frieden erreicht wird.

Mit freundlichen Grüßen,

Andrew I. Killgore, Botschafter in Qatar, 1977-1980
Richard H. Curtiss, Kommissar, U.S. Information Agency
Colbert C. Held, Landesbeamter des Mittleren Ostens
Thomas J. Carolan, Generalkonsul der Türkei, 1988-1992
C. Edward Bernier, Botschaftsrat für Information und Kultur, Pakistan 1995-1996
Donald A. Kruse, amerikanischer Konsul in Jerusalem
Ambassador Edward L. Peck, ehemaliger Missionsleiter im Irak und Mauretanien
John Powell, leitender Botschaftsrat im Libanon, 1975
John Gunther Dean, Botschafter in Indien
James Akins, Botschafter in Saudi Arabien
Talcott Seelye, Botschafter in Syrien
Eugene Bird, Botschaftsrat in Saudi Arabien
Richard H. Nolte, Botschafter in Ägypten
Ray Close, Stationsleiter in Jeddah, Saudi Arabien 1971-1979
Shirl McArthur, Wirtschaftsattaché, Thailand
David Fredrick, Landesdirektor Friedenskorps Marokko 1986-1990
Bill Rugh, Botschafter in den Vereinigten Arabischen Emiraten und Jemen
James Curran, stellvertretender Missionsleiter in Togo 1973-1975
Joseph Cheevers, Office of Inspectors General 1987
Robert L. M. Nevitt, Minister für Presseangelegenheiten bei der UN
John Brady Kiesling, politischer Berater, Griechenland
E. William Tatge, Berater für Wirtschaftsangelegenheiten, Frankreich
Henry Precht, stellvertretender Missionsleiter, Ägypten
John O. Sutter, FSO, Repräsentant der Asia Foundation in Indonesien, 1982-1984
James J. Halsema, Berater für öffentlichkeitsarbeit, Ägypten
Nancy LeRoy, Beamter für öffentlichkeitsarbeit, Mexiko
Thomas M. Martin, USIA Kongress-Verbindungsbeamter
Robert C. McLaughlin, USIA Madrid
Edward Alexander, Berater für Öffentlichkeitsarbeit, Ostberlin, 1976-1979
Roman Lotsberg, leitender Beamter, Büro für europäische Angelegenheiten
Dr. Shirley Hill Witt, Beamter für kulturelle Angelegenheiten, Zambia, 1994-1996
Arthur L. Lowrie, politischer Berater des Oberbefehlshabers , U.S. Central Command
Carleton Coon, Botschafter in Nepal 1981-1984
Jane Coon, Botschafter in Bangladesh, 1981-1984
George B. Roberts, Botschafter in Guyana, 1979-1981
Robert V. Keeley, Botschafter in Griechenland
John E. Marsh, Erster Sekretär, Botschaft Kuwait, 1971-1973
Thomas W. Fina, Generalkonsul, Milan, 1973-1979
Harland H. Eastman, Generalkonsul, Tangier, Marokko und Tel Aviv, Israel
Arthur Mudge, Direktor, USAID Mission im Sudan, 1980-1983
Ronald I. Spiers, Verwaltungsstaatsekretär im Auswärtigen Amt
Albert L. Seligmann, Direktor, Büro für japanische Angelegenheiten, 1981-1983
Orin D. Parker, Präsident, America-Middle East Educational Services, 1979-1988
Robert C. Amerson, Berater für öffentlichkeitsarbeit, Italien
Christian Freer, Oberst, ehemaliger Leiter von CIA-Stationen und des Kriegsplanungsstabs
Thomas J. Hirschfeld, stellvertretender US-Repräsentant MBFR Verhandlungen
Edward R. M. Kane, stellvertretender Stationsleiter CIA, Irak
Col. Richard Hobbes, US Army pensioniert, politisch-militärischer Berater der NEA 1974-1977
Col. David Antoon, US Air Force, pensioniert
Brig. General Augustine A. Verrengia, USAF pensioniert
Greg Thielmann, Direktor, Office for Strategic Proliferation Military Affairs, Bureau of Intelligence and Research
Robin Berrington, Kulturattaché, Japan
Gary S. Usrey, stellvertretender Missionsleiter, Marokko
Owen Roberts, Botschafter in Togo
Chas W. Freeman, Jr. Botschafter in Saudi Arabien, stellvertretender Verteidigungsminister, 1993-1994
Edwin Paul Kennedy, Jr., Beamter für regionale Angelegenheiten für nordafrikanische, nahöstliche und südasiatische Angelegenheiten, USIA
Thomas J. Scotes, Botschafter im Jemen, 1975-1978
Michael Mennard, Ph.D., regionaler Beamter für Öffentlichkeitsarbeit, Indien
Francois M. Dickman, Direktor Angelegenheiten der arabischen Halbinsel 1972-76, Botschafter in den Vereinigten Arabischen Emiraten 1976-79 und Kuwait 1979-83
Terrell E. Arnold, ehemaliger Leiter des Anti-Terror-Büros und Generalkonsul, Brasilien

Weitere:

Edy Korthals Altes, Botschafter der Niederlande in Madrid 1983-1986
Mr. Gerben Meihuizen (Den Haag) ehemaliger niederländischer Botschafter in Syrien, Saudi Arabien und Algerien
ehemaliges Kongreßmitglied Paul Findley (R-IL)
Robert Norberg, Direktor ARAMCO, pensioniert
Bischof John William Assembly of Yahweh
William Hughes, Veteran des 2. Weltkriegs, pensionierter Ingenieur
Clyde A. Farris
Mary Ann Schwab, Lehrer
Pfarrer J. Martin Bailey, Berater des Common Global Ministries Board
Henry E. Kydd, pensionierter Feldwebel der Army, Direktor eines Obdachlosenheims
Dr. Edna Homa Hunt
David Wade, Ph.D, Forscher
E. Faye Williams, Esq.
Koen Stork, niederländischer Botschafter in Bukarest
W. Lance Haynes, Professor für Sprach- und Medienwissenschaften, University of Missouri- Rolla
David S. Dodge, President, American University of Beirut, pensioniert
Mrs. Frederick G. Roberts, Witwe von Frederick Roberts, CIA, Türkei

Deutsche Übersetzung übermittelt von Maher Fakhoury

Quelle: http://www.miftah.org



April 30, 2004

Dear Mr. President

President George W. Bush
The White House
1600 Pennsylvania Ave, NW
Washington, DC

Dear Mr. President:

We former U.S. diplomats applaud our 52 British colleagues who recently sent a letter to Prime Minister Tony Blair criticizing his Middle East policy and calling on Britain to exert more influence over the United States. As retired foreign service officers we care deeply about our nation's foreign policy and U.S. credibility in the world.

We also are deeply concerned by your April 14 endorsement of Israeli Prime Minister Ariel Sharon's unilateral plan to reject the rights of three million Palestinians, to deny the right of refugees to return to their homeland, and to retain five large illegal settlement blocs in the occupied West Bank. This plan defies U.N. Security Council resolutions calling for Israel's return of occupied territories. It ignores international laws declaring Israeli settlements illegal. It flouts U.N. Resolution 194, passed in 1948, which affirms the right of refugees to return to their homes or receive compensation for the loss of their property and assistance in resettling in a host country should they choose to do so. And it undermines the Road Map for peace drawn up by the Quartet, including the U.S. Finally, it reverses longstanding American policy in the Middle East.

Your meeting with Sharon followed a series of intensive negotiating sessions between Israelis and Americans, but which left out Palestinians. In fact, you and Prime Minister Sharon consistently have excluded Palestinians from peace negotiations. Former Palestinian Information Minister Yasser Abed Rabbo voiced the overwhelming reaction of people around the world when he said, "I believe President Bush declared the death of the peace process today."

By closing the door to negotiations with Palestinians and the possibility of a Palestinian state, you have proved that the United States is not an even-handed peace partner. You have placed U.S. diplomats, civilians and military doing their jobs overseas in an untenable and even dangerous position.

Your unqualified support of Sharon's extra-judicial assassinations, Israel's Berlin Wall-like barrier, its harsh military measures in occupied territories, and now your endorsement of Sharon's unilateral plan are costing our country its credibility, prestige and friends.

It is not too late to reassert American principles of justice and fairness in our relations with all the peoples of the Middle East. Support negotiations between Palestinians and Israelis, with the United States serving as a truly honest broker. A return to the time-honored American tradition of fairness will reverse the present tide of ill will in Europe and the Middle East - even in Iraq. Because the Israeli- Palestinian conflict is at the core of the problems in the Middle East, the entire region - and the world - will rejoice along with Israelis and Palestinians when the killing stops and peace is attained.

Sincerely,

Andrew I. Killgore, Ambassador to Qatar, 1977-1980
Richard H. Curtiss, former chief inspector, U.S. Information Agency
Colbert C. Held, Retired FSO and author
Thomas J. Carolan, Counsel General Istanbul, '88-'92
C. Edward Bernier, Counselor of Embassy, Information and Culture, Islamabad, Pakistan
Donald A. Kruse, American Consul in Jerusalem
Ambassador Edward L. Peck, former Chief of Mission in Iraq and Mauritania
John Powell, Admin Counselor in Beirut, '75-'76
John Gunther Dean, last position held U.S. Ambassador to India
Greg Thielmann, Director, Office for Strategic Proliferation Military Affairs, Bureau of Intelligence and Research
James Akins, Ambassador to Saudi Arabia
Talcott Seeyle, Ambassador to Syria
Eugene Bird, Counselor of Embassy in Saudi Arabia
Richard H. Nolte, Ambassador to Egypt
Ray Close, Chief of Station Jeddah, Saudi Arabia 1971-1979
Shirl McArthur, Commercial Attache, Bangkok

Document Location:
http://www.miftah.org/display.cfm?DocId=3636&CategoryId=18


Source: http://www.miftah.org

Siehe auch:
"Es gibt es keinen Grund, eine Politik zu unterstützen, die zum Scheitern verurteilt ist" / "There is no case for supporting policies which are doomed to failure"
52 britische Botschafter und andere hohe Diplomaten kritisieren Blairs Nahost- und Irakpolitik (Brief im Wortlaut) / 52 former British diplomates wrote a letter to the Prime Minister (29. April 2004)


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